Eintagsbrot oder nichts ist unmöglich

berliner weißbrot 5Als ich das Rezept am letzten Samstag las, war ich wie elektrisiert. Es versprach ein Brot, das innerhalb von 9 Stunden herzustellen und dennoch unglaublich aromatisch sei. Ungläubig schüttelte ich den Kopf, denn das entspräche in der hohen Brotbackkunst der mathematischen Aufgabe der Quadratur des Kreises, an der sich jahrhundertelang die hellsten Köpfe die Zähne ausbissen. Sie kamen letztlich zum Schluß der Unmöglichkeit. Ich konnte einfach nicht glauben, dass ein Teig, der mit einem nur 4 Stunden gereiften Sauerteig und einer Hefezugabe von 2,5 g innerhalb so kurzer Zeit zu einem guten Brot werden könnte und machte mich sogleich ans Werk.

Für das „Eintagsbrot“:

Sauerteig:

  • 50 g Weizenmehl 550er
  • 25 g Wasser (65°C)
  • 50 g Anstellgut (TA 150, ich: Lievito madre)

Hauptteig:

  • 200 g Weizenmehl 812er
  • 217,5 g Weizenmehl Tipo 0 (ich: 1050er)
  • 310 g Wasser 1(40°C)
  • 50 g Wasser 2(40°C, ich: ca. 20 g)
  • 10 g Olivenöl
  • 2,5 g Hefe
  • 11 g Salz

brot serieDa ich keinen fest geführten Weizensauerteig besitzte, griff ich auf den kürzlich aufgefrischten LM zurück. Ich verknetete alle Zutaten für den Sauerteig zu einer festen Kugel und ließ sie abgedeckt bei ca. 27°C 4 Stunden gehen. Dafür nutzte ich die Restwärme des Backofens. Alternativ kann einfach die Backofenbeleuchtung eingeschaltet bleiben. Nach der kurzen Reifezeit hatte der Sauerteig sein Volumen etwa verdoppelt. Er roch angenehm säuerlich. Ich gab alle Zutaten für den Hauptteig (bis auf Wasser 2) in eine Schüssel, vermengte sie grob mit dem Löffel und ließ sie 15 Minuten ruhen. Dann knetete ich den Teig von Hand (geht auch mit der Maschine, aber gerade sehr weiche Weizenteige wie diesen knete ich lieber mit der Hand) gut 10 Minuten. In den letzten 5 Minuten arbeitete ich ca. 20 g zusätzliches Wasser 2 ein, mehr nahm dieser Teig nicht auf. Nun ließ ich den Teig abgedeckt 3 Stunden bei 27°C gehen. In den ersten 2 Stunden dehnte und faltete ich ihn alle 20 Minuten. Anschließend wirkte ich ihn auf bemehlter Arbeitsfläche behutsam rund und legte ihn in den bemehlten Gärkorb. Gleichzeitig heizte ich Backofen und Bräter (24cm) auf 250°C vor. Nach 30 Minuten legte ich den Teig mit dem Schluss nach unten in den vorgeheizten Bräter, legte den Deckel auf und buk ihn 20 Minuten. Nach 10 Minuten senkte ich die Temperatur auf 230°C. Nach 20 Minuten entfernte ich den Deckel und buk das Brot weitere 25 Minuten.

berliner weißbrot 2Fazit: Das Brot ist der Knaller! Inzwischen habe ich es innerhalb einer Woche dreimal gebacken. Die Ergebnisse waren gleichbleibend höchst faszinierend. Die Krume ist grobporig, saftig und elastisch, die Kruste herrlich rösch und der Geschmack für ein derart „schnell“ hergestelltes Brot erstaunlich komplex. In der Backkunst scheint die Quadratur des Kreises also möglich zu sein. Das einzige, was etwas aufwendig ist, ist das sechsmalige Dehnen und Falten des Teiges. Es ist jedoch unerlässlich, da der sehr weiche Teig dadurch einen guten Stand bekommt. Beim nächsten Versuch werde ich das Brot frei (ohne Topf) backen. Außerdem werde ich versuchen, das Brot mit Vollkornanteil zu backen. Bilder der Ergebnisse hänge ich dann an diesen Artikel an.

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Moin, zwei Kielä, bidde

kieler 6Fasziniert beobachtete ich, wie der Mann vor mir seine Brötchen bestellte. Die Verkäuferin griff zu länglichen Brötchen mit zerfurchter Oberseite, packte sie in eine Tüte und nach einem schweigenden Geldwechsel war ich an der Reihe. Neugierig bestellte ich das gleiche. Zu Hause untersuchte ich die unbekannten Brötchen akribisch. Ihre Oberfläche war rauh und leicht fettig. Innen waren sie wattig und saftig. Ich probierte und war ihnen bereits nach dem ersten Bissen verfallen. Außen knusprig und salzig, innen weich und etwas süß, was für Schätzchen! Bis ich mich an die rauhen, wortkargen, manchmal sogar schroff wirkenden Einwohner der nicht besonders hübschen Stadt am Meer gewöhnt hatte, sollte es wesentlich länger dauern. Aber mit den Semmeln hatten sie mich sofort. Inzwischen denke ich manchmal wehmütig an die Kieler Jahre zurück. Als ich kürzlich mit Herrn H. in der Vergangenheit schwelgte, meinte er, es sei doch ein Leichtes, Abhilfe zu schaffen. Er hätte ein Kieler Semmel-Rezept gesehen. Nach einem kurzen „Umbau“ konnte ich loslegen.

Für die Kieler Semmeln (10 Stück):

Vorteig (Poolisch):

  • 150 g Weizenmehl 812er
  • 150 g Wasser
  • 0,1 g Hefe (reiskorngroß)

Hauptteig:

  • 350 g Weizenmehl 550er
  • 125 g Wasser
  • 25 g Rohrzucker
  • 9 g Hefe
  • 10 g Salz
  • 25 g Butter

teigling serieDie Zutaten für den Vorteig rührte ich am Vorabend des Backtags zusammen und ließ sie ca. 14 Stunden bei knapp 20° gehen. Am nächsten Morgen gab ich alle Zutaten (inklusive Vorteig) bis auf die Butter in die Rührschüssel der Maschine und ließ sie 8 Minuten auf langsamster Stufe kneten. Dann fügte ich die Butter hinzu und ließ sie 6 Minuten auf nächstschnellerer Stufe unterkneten. Der Teig ist recht fest und löst sich vollständig vom Schüsselboden. Abgedeckt durfte er nun eine gute Stunde gehen. Nun vermischte ich Schweineschmalz und Butter zu gleichen Teilen (je 50 g), mengte etwas Fleur de Sel darunter und strich es auf den Tisch. Ich teilte den Teig in 10 ca. 85 g schwere Teiglinge, schliff sie rund und probierte, den ersten im Fett „aufzuscheuern“.

scheuerschmalz serieIch rieb ihn, leicht drückend kreisförmig über das Fett und sah ihn mir an. Hm, das Fett sollte deutlich in die Oberfläche eindringen und sie so aufreißen. Bei den ersten Versuchen war ich noch zu zaghaft gewesen. Nach dem fünften Semmel rieb ich beherzter. Anschließend zog ich die Teiglinge leicht in die Länge und legte sie auf das Backblech (Backpapier), das ich in eine Tüte hüllte. Nach einer weiteren Stunde Stückgare waren sie Semmeln prächtig aufgegangen.

teigling serie2Ich buk sie mit Schwaden ca 20 Minuten bei 220°C. Ein wirklich köstlicher Geruch verbreitete sich von der Küche aus in der ganzen Wohnung. Als ich das Blech zum Abkühlen in den Flur stellte, kam Herr H. neugierig schnüffelnd hinzu. Wow, die sehen ja super aus, rief er. Können wir gleich einen probieren? Ich sagte, dass wir das gern tun könnten, aber erst nach den Fotos. So schnell habe ich ihn selten arbeiten sehen.

kieler 1Fazit: Die Kruste der Kieler war genau so wie ich sie in Erinnerung hatte. Leicht fettig, salzig, rauh und knusprig. Sie schmeckten uns sowohl mit Marmelade, als auch mit Käse. Als ich vorsichtig anmerkte, dass die damals gekauften (Bäckerei Lyck, leider gibt es keine Homepage) deutlich wattiger im Inneren gewesen seien, winkte Herr H. nur ab. Wer wisse schon, was sich alles darin befunden hätte. Ihm schmeckten die Kieler sogar glatt besser als damals. Ich nahm das Kompliment widerstrebend an und werde beim nächsten Mal versuchen, die Oberfläche noch etwas kräftiger aufzuscheuern, damit sie beim Backen noch mehr aufreißt. Insgesamt war ich jedoch mit dem ersten Backversuch durchaus zufrieden. Weitere Kieler Semmel-Rezepte gibt es übrigens im Plötzblog und bei Küchenlatein, was ich aber erst nach dem Backen herausfand. Das Rezept, dass ich als Grundlage benutzte stammt vom Passader Backhaus und befindet sich in folgendem Buch.

Deutschlands beste Bäcker präsentiert von Johann Lafer