„Frei Schnauze“

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Wie schon oft erwähnt, wird im Hause H. alles, aber auch wirklich alles selbst gebacken. Der letzte Brotkauf fand im Urlaub statt, da es recht schwierig ist, Backofen und Strom auf dem Fahrrad zu transportieren. Und geschmeckt hat es uns nicht, das gekaufte Brot. Wir scheinen diesbezüglich zu verwöhnt zu sein. Es hat sich inzwischen eingependelt, dass ich zwei Brote pro Woche backe, eins mit Roggensauerteig, allerdings meist eher ein helleres Mischbrot, da die reinen Roggenbrote nicht mehr so gut vertragen werden, und eins mit Lievito Madre. Für beide Brote habe ich mir eine „Formel“ auf meine Bedürfnisse abgestimmt zurecht gebastelt. Es kommt zwar gelegentlich vor, dass ich nach anderen Rezepten backe, aber in der Regel backe ich frei Schnauze. Und das funktioniert immer besser und besser und vor allem läuft es quasi nebenbei.

Für das Lievito Madre Brot:

Vorteig:

  • 160 g Weizenmehl 550er
  • 80 g Lievito Madre aus dem Kühlschrank
  • 80 g Wasser

Ich verknete am Vorabend des Backtages alle Zutaten für den Vorteig gründlich von Hand, bis eine glatte Kugel entstanden ist. Diese darf abgedeckt über Nacht bei ca. 20°C mindestens 12 Stunden und höchstens 14 Stunden reifen. Der LM, den ich dazu verwende, liegt zu diesem Zeitpunkt in der Regel schon mindestens sechs Tage im Kühlschrank. Das macht überhaupt nichts.

Hauptteig:

  • gesamter Vorteig
  • 320 – 335 g Wasser (je größer die „dunkle“ Mehlmenge, desto mehr Wasser)
  • 100 g Roggenmehl 610er
  • 290 g Weizenmehl 1600er
  • 12 g Salz
  • 3 g frische Hefe

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Die Zusammensetzung der unterschiedlichen Mehlsorten und -typen ist äußerst variabel. Ich achte nur darauf, nicht mehr als 100 g Roggenmehl zuzufügen. Alles andere (glutenhaltige) geht. Frei Schnauze eben. Ich gebe zuerst das Wasser und dann die restlichen Zutaten in angegebener Reihenfolge in die Rührschüssel der Maschine. Das Wasser zuerst, da sich so am Boden der Schüssel keine Mehlnester bilden. Die Hefe brösele ich als letztes grob darüber. Ich habe auch versucht, das Brot ausschließlich mit LM zu lockern, aber dazu müsste er vermutlich direkt vorm dem Backtag 1 – 2 Mal aufgefrischt werden. Meine Versuche mit „altem“ LM waren nicht erfolgreich, die Krume eher gummiartig und fest, durchzogen von wenigen großen Löchern. Deshalb gebe ich wenig Hefe zu. Sie verteilt sich beim Knetvorgang von ganz allein im Teig. Ein vorheriges Anrühren („Dämpfchen“) oder Aktivieren ist nicht erforderlich, obwohl die allgemeine Meinung dazu sich hartnäckig hält.

Anschließend lasse ich die Maschine erst 5 Minuten bei langsamster Geschwindigkeit kneten. Dann weitere 5 Minuten auf schnellerer. Löst sich der Teig noch nicht vollständig vom Schüsselboden, lasse ich bis zu 5 Minuten weiter kneten oder bis er sich löst. Nun darf die Schüssel abgedeckt eine gute Stunde stehen. Danach lege ich eine Schüssel mir einem Geschirrtuch aus, wirke den Teig auf bemehlter Oberfläche rund und lege ihn mit Schluss nach oben in den improvisierten Gärkorb. Nach 60 Minuten prüfe ich mittels Fingerdruck die Teigreife. Federt der Abdruck vollständig zurück, warte ich weitere 10 Minuten. Meist gebe ich den Teigling mit Schluss nach unten bei knapper Gare in den auf 250°C vorgeheizten runden Bräter und schneide ihn kreuzweise ein. Die ersten 20 Minuten backe ich mit Deckel. Dann weitere 25 Minuten ohne. Abschließend darf das Brot noch 5 – 10 Minuten ohne Bräter im nun abgeschalteten Backofen weilen.

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Fazit: Es dauert stets mindestens vier Stunden, bis das Brot vollständig abgekühlt und problemlos schneidbar ist. Meistens muss ich es jedoch – wie heute – bereits nach gut zwei Stunden anschneiden, da ich ansonsten verhungere und den köstlichen Duft des Brotes nur noch schwer ertragen kann. Die ganz mild säuerliche, elastische und saftige Krume und die krachende Kruste passen zu Belägen aller Art. Es schmeckt mit Honig oder Konfitüre genauso gut wie mit Leberwurst, rezentem Bergkäse oder Camembert. Es hält sich bis zu drei Tage frisch. Sollten wir es einmal nicht schaffen, es in dieser Zeit zu vertilgen, so lässt es sich später auch wunderbar toasten.

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Ruchbares

ruchbrot 1So glücklich ich darüber bin, einen guten Metzger gefunden zu haben, so traurig bin ich, dass es hier in einem Umkreis von gefühlten 10 Kilometern keinen anständigen Bäcker gibt. Wie kann das nur sein? Das, was mir bei allen getesteten Bäckereien – und auch oder gerade von den „Bio“-Bäckereien – als Brot oder Brötchen verkauft wird, spottet einfach nur dem Namen. Trockene, aufgeplusterte, substanz- und geschmacklose Brötchen und Brot, dass entweder klitschig, hefelastig oder superschnell alternd ist. Und das Ganze zu Preisen, die mich an meinem Verstand zweifeln lassen. Bleibt also nur, selbst aktiv zu werden. Mindestens zweimal pro Woche backe ich ein Brot, ein bis zweimal Brötchen, Baguette oder Ciabatta. Da ich meist zusätzlich mit anderen Koch- und Backereien beschäftigt bin, bin ich stets sehr froh, wenn ich eine Rezeptformel entwickeln konnte, die zuverlässige Ergebnisse liefert. Dieses Ruchbrot ist so eins.

Für das Ruchbrot:

Vorteig (am Vorabend angesetzt, Reifezeit 12 – 14 Stunden bei 22°):

  • 160 g Weizenmehl 550er
  • 80 g Lievito Madre
  • 80 g Wasser
  • ca. 5 g Roggensauer

Hauptteig:

  • 387 g Weizenruchmehl 1600er (evtl. 187 g Weizenvollkorn und 200 g 1050er ersatzweise, habe ich noch nicht probiert)
  • 314 g Wasser
  • 12 g Salz
  • 5 g Hefe

ruchbrot serieFür den Vorteig verknetete ich die Zutaten kurz von Hand zu einem kompakten Ball, den ich abgedeckt über Nacht ca. 12 Stunden reifen ließ. Am nächsten Morgen vermengte ich Ruchmehl und Wasser und ließ es ca. 1 Stunde lang ruhen (Autolyse). Dann gab ich Vorteig, Salz und Hefe hinzu und ließ den Teig zunächst 5 Minuten langsam, dann 6 Minuten (oder bis er sich vollständig vom Schüsselrand löst) bei nächsthöherer Geschwindigkeit kneten. Ist der Teig sehr feucht, kann man ihn während der ersten 90 Minuten Stockgare 3x dehnen und falten. Mit der angegebenen Wassermenge sollte das jedoch nicht nötig sein. Nach der Stockgare formte ich den Teig vorsichtig zu einem runden Laib, den ich ihm bemehlten, runden Gärkorb ca. 45 Minuten bei 24°C gehen ließ. Ich hatte den Backofen mit Bräter (24cm) rechtzeitig auf 250°C vorgegeheizt. Nun nahm ich den Deckel des Bräters ab, vorsicht, sehr heiß!, kippte den Teigling hinein und legte den Deckel wieder auf. Nach 10 Minuten reduzierte ich die Temperatur auf 230°C, nach weiteren 10 Minuten nahm ich den Deckel ab. Das ist stets der spannende Moment beim Topfbrotbacken. Wie immer hatte sich das Brot herrlich rund aufgeplustert. Ich buk es weitere 25 Minuten ohne Deckel und ließ es vor dem Anschneiden vollständig erkalten.

topfbrot 7Fazit: Ein absolut herrliches Brot, das mindestens 4 Tage frisch hält, mild-säuerlich und saftig schmeckt. Die Kruste ist zumindest 24 Stunden lang herrlich rösch und insgesamt hat das Ruchbrot ein Aroma, dass ich lange vermisst habe. Das Brot schmeckt sowohl mit süßen als auch mit herzhaften Aufstrichen und kann sogar statt Baguette oder Ciabatta zu Suppe oder Salat gereicht werden. So skeptisch ich einst den Topfbroten gegenüber stand, so begeistert bin ich heute von der Reproduzierbarkeit der erstklassigen Ergebnisse. Das Anschnittbild stammt von einem vorherigen Ruchbrot, bei dem ich mit erhöhter Wasserzugabe experimentiert habe. Normalerweise ist die Porung gleichmäßiger. Das Rezept habe ich auf der Grundlage des „Eintagsbrotes“ erstellt. Und ich fürchte, dass es einige Zeit dauern kann, bevor ich ohne Not ein Brot kaufen werde, da es so einfach ist, gutes Brot selbst zu backen.

 

BBD# 63 – Kastanienbrot im Topf

Kastanienbrot 8Sandra von from-snuggs-kitchen wurde vor einigen Monaten heftigst vom Topfbrotvirus befallen. Der ist zum Glück harmlos und äußerst sich symptomatisch in herrlich großen und unregelmäßig geporten Broten mit krachender Kruste. Sie richtet den BBD#63 aus und wünscht sich von uns Topfbrote jeglicher Art, nur im Topf sollen sie gebacken sein. Meine Topfbackerfahrung ist eher gering. Ich habe vor einiger Zeit das no-knead-bread im Topf gebacken, war mit dem Ergebnis auch einigermaßen zufrieden, aber irgendwie hat sich das Virus nicht eingenistet. Zu gern hocke ich nach dem Einschießen gebannt vor der Scheibe des Backofens und schaue „Ofen-TV“. Wird sich ein guter Ofentrieb entwickeln? Sind die Schnitte tief genug oder gar zu tief? Auf all diese spannenden Fragen bekommt man beim Topfbacken erst sehr spät eine Antwort. Sandra zuliebe bezähmte ich meine Neugier, holte den Topf vom Schrank und legte los.

Für das Kastanienmehlbrot:

Weißer Grundansatz:

  • 125 g Weizenmehl 1050er
  • 90 g Wasser
  • 2,5 g Salz
  • 2,5 g Hefe

Für den Hauptteig:

  • weißer Grundansatz
  • 375 g Weizenmehl 1050er
  • 200 g Kastanienmehl
  • 350 g Wasser (ich: + ca. 30 g)
  • 7,5 g Hefe
  • 12 g Salz
  • 100 g Kastanien, vakuumverpackt (ich: weg gelassen)

topf SerieAm Vorabend vor dem Backtag verknetete ich alle Zutaten für den Grundansatz zu einem homogenen Teig, legte ihn in eine Schüssel und ließ ihn abgedeckt ca. 14 Stunden im Kühlschrank reifen. Er hatte sein Volumen danach verdoppelt. Am nächsten Vormittag mischte ich beide Mehle mit dem Wasser, bis keine Mehlnester mehr zu sehen waren, und ließ sie abgedeckt 30 Minuten ruhen (Autolyse). Dann gab ich den Grundansatz und die Hefe hinzu und ließ den Teig ca. 6 Minuten auf niedrigster Geschwindigkeit kneten. Ich gab das Salz zum Teig und ließ ihn weitere 6 Minuten kneten. Dabei stellte ich fest, dass der Teig mir etwas zu trocken vorkam. Also gab ich schluckweise noch etwas Wasser hinzu, bis er elastisch war und sich leicht vom Schüsselboden löste. Möchte man die Kastanien ins Brot geben, kann man sie nun per Hand unterarbeiten.

Nun durfte der Teig 40 Minuten abgedeckt ruhen. Danach dehnte und faltete ich ihn in der Schüssel und ließ ihn weitere 20 Minuten gehen. Ich hatte nicht erwartet, dass der Teig in dieser kurzen Zeit sonderlich aufgehen würde, aber er hatte sein Volumen nahezu verdoppelt. Ich formte ihn auf leicht bemehlter Arbeitsfläche zu einem runden Laib und legte ihn auf einem stark bemehlten Geschirrtuch in eine Schüssel, da ich immer noch keinen Gärkorb besitze. Nach einer Stunde heizte ich den Backofen mit Topf auf 250°C vor. Nach einer halben Stunde war die Temperatur erreicht. Ich holte den Topf aus dem Ofen, heiß!, und kippte den Laib mit Schluss nach oben hinein. Anschließend verabschiedete ich mich von ihm, legte den Deckel auf, schob ihn zurück in den Backofen und reduzierte die Temperatur auf 225°C.

Nach ca. 35 Minuten, in denen ich ungeduldig in der Wohnung herumgetigert war, konnte ich endlich den Deckel abnehmen. Ich spähte in den Topf und sah verzückt auf den perfekt aufgerissenen Schluss. Nach weiteren 20 Minuten Backens bei ca. 200°C ohne Deckel, ließ ich den Laib auf dem Gitter vollständig abkühlen. Vergeblich lauschte ich dabei auf das leise Knistern, dass die Kruste erzeugt, wenn sie sich beim Abkühlen zusammenzieht. Leider bliebt das Brot still. Keine Fensterung.

Kastanienbrot 1Fazit: Nach dem Fotografieren teilten wir uns gespannt die erste Scheibe. Knusprige, aber nicht krachende, Kruste, sehr saftige, aromatische Krume, allerdings mit eher kurzem Biss. Ich vermute, dass das an dem hohen Kastanienmehlanteil (glutenfrei) liegt. Insgesamt ein köstliches Brot, dass sowohl mit salzigen, als auch mit süßen Belägen harmoniert. Ob ich jetzt auch vom Topfbackvirus befallen bin? Ehrlich gesagt, eher nicht. Zum einen ist da der schmerzhafte Verzicht auf’s „Ofen-TV“, zum anderen dauert das Vorheizen des Backofens fast doppelt so lange und ich hatte dieses Jahr zum ersten Mal eine Stromnachzahlung. Aber ich habe es zumindest probiert, immerhin ein optisch sehr ansprechendes Brot erhalten und das darf somit hoffentlich am BBD#63 bei Sandra teilnehmen.

Bread Baking Day #63 - Topfbrot/Bread in a pot (last day of submission Januar 1, 2014)

Aus: Brot und Gebäck für Genießer Richard Bertinet