Augenweide

Dill Tagliatelle 2Das Auge ist uns leider ein sehr unzuverlässlicher Begleiter. Oder wie kann es sich erklären lassen, dass selbst Spitzensommeliers bei einer Blindverkostung Schwierigkeiten haben, Rot- und Weißwein klar zu unterscheiden? Zudem sehen wir nur, was wir zu sehen erwarten. Das findige Hirn ergänzt Bekanntes, wo es nur kann. Das spart Arbeit und Energie und führt leider immer wieder zu Sinnestäuschungen, denen wir uns in diesem Fall jedoch gern ergeben. Ein Pastateller wie eine grüne Bergwiese, leicht, frisch und sommerlich und gar nicht beschwerend, so denkt man bei diesem Anblick und lässt sich gern darüber hinwegtäuschen, dass es sich nach wie vor um Pasta handelt. Kann gar nicht sein! Und so bekommt das Hirn wieder Energie für neue Schandtaten…

Für die Spinatmatte:

  • 100 g Spinat
  • ca. 50 g Wasser

spinat matte serieDa die Beschreibung zur Herstellung einer „Spinatmatte“ im Kochbuch recht dürftig war (man nehme etwas jungen Spinat, püriere ihn mit wenig Wasser  und erhitze den Saft auf 65°C, dann schöpfe man das aufgestiegene Chlorophyll mit dem Teesieb ab), forschte ich nach einer etwas präziseren Anleitung und wurde natürlich bei Robert fündig. Leider hatte ich den Spinat bereits aufgetaut. Vielleicht würden 100 g auch reichen? Ich gab den Spinat mit dem Wasser in ein hohes Gefäß, pürierte alles ausdauernd und gab es dann durch das feinste Sieb in einen Topf. Nun erhitzte ich die Flüssigkeit auf ca. 70°C und siehe da, es ballten sich tatsächlich kleine Chlorophyllklümpchen an der Wasseroberfläche. Ich ließ die Flüssigkeit durch mein sehr, sehr feinmaschiges Dauerteesieb laufen und wurde gefühlte Stunden später mit ca. 2 – 3 EL Spinatmatte belohnt.

Für den grünen Pastateig:

  • 90 g Weizenmehl 405er
  • 60 g Hartweizenmehl
  • 1 sehr kleines Ei + 1 Eigelb
  • 2 – 3 EL Spinatmatte
  • 1 Spritzer Olivenöl
  • 1 Pr. Salz

grüner nudelteig serieAls ich alle Zutaten grob mit dem Löffel in der Schüssel vermengt hatte, sah Herr H. gespannt hinein und runzelte die Stirn. Besonders grün sähe der Teig nicht aus, gab er zu bedenken. Ich versicherte ihm, dass das schon noch werde und siehe da, nach wenigen Minuten verband sich alles zu einem herrlich lindgrünen Teig. Nach dem 10minütigen Kneten ließ ich ihn abgedeckt ca. 2 Stunden ruhen, bevor ich ihn mit der Maschine portionsweise bis Stufe 6/9 ausrollte und mit dem Aufsatz in Tagliatelle schnitt. Die fertige Pasta kochte ich in reichlich Salzwasser ca. 3 Minuten. Sie sollte dann sofort serviert werden, da die Farbe, bewahrt man die Nudeln abgedeckt im Topf, recht schnell oxidiert.

Für den Parmesancrunch:

  • 50 g Parmesan, fein gerieben
  • 1 Msp. Fenchelsamen, gemörsert

parmesancrunch serieHerr H. hatte in der Zwischenzeit den Parmesan mit dem Fenchel vermischt, den Backofen auf 180°C vorgeheizt und den dünn auf das Backpapier gestreuten Parmesan darin ca. 7 Minuten gebacken. Nach dem Abkühlen brach er die Platte in Stückchen. Es war höchst schwer, nicht gleich die ganze Platte wegzuknuspern.

Für das Finish:

  • 3 EL Kräuteröl*
  • 1/2 Bund Dill (ca. 35 g), gezupft, die Hälfte fein gehackt
  • einige Dillblüten
  • Saft und Schale 1/2 Limette
  • 25 g Pistazien, geröstet, grob gehackt
  • (ich: 1/2 reife Avocado, in Spalten geschnitten, musste weg)

zutaten serieIch erhitzte das Kräuteröl bei kleiner Hitze in der Pfanne, gab Limettensaft und -abrieb, gehackten Dill und etwas Salz hinzu und schwenkte die abgetropften Tagliatelle darin. Herr H. richtete zwei Portionen auf vorgewärmten Tellern an, garnierte mit Avocado, Pistazien, Parmesancrunch und Dillwedeln und -blüten und waltete seines Amtes. Ich räumte derweil die Küche auf und naschte noch etwas Crunch.

Dill Tagliatelle 8 Fazit: Ich war höchst überrascht, dass die Pasta trotz gefühlt enormer Dillmenge sehr ausgewogen schmeckte. Das Kraut führte viel zu lange und völlig unberechtigt ein eher stiefmütterliches Dasein in unserer Küche! Pistazien und Parmesan sorgten für den nötigen Knusper, Avocadoscheiben für eine herrliche Cremigkeit und allem in allem war das endlich wieder einmal ein richtig gutes Pastagericht. Ob es dazu zwingend die grünen Tagliatelle braucht, sei einmal dahingestellt. Den Spinat schmeckt man zumindest in dieser Form überhaupt nicht mehr. Für das Auge war die Farbe hingegen eine echte Bereicherung.

* Kräuteröl:

  • 25 g Basilikum
  • 35 g Petersilie
  • 15 g Estragon
  • 25 g Minze
  • 125 g Rapsöl

Alle Kräuter blanchieren, kalt abschrecken, in einem Geschirrtuch kräftig ausdrücken und mit dem Rapsöl auf 60°C erwärmen. Dann mit einem leistungsfähigen Mixer 5 Minuten pürieren und das Öl über Nacht ziehen lassen. Am nächsten Tag durch einen Kaffeefilter ablaufen lassen. Das Öl hält sich im Kühlschrank gut 3 Monate. Ich habe auf diese Art ein Basilikumöl hergestellt und es ersatzweise für das Rezept verwendet.

Aus: Kräuter Tanja Grandits

Das Veto

tagliatelle mit kaninchenleber 7Ich war gerade dabei, das nächste Pfund Spargel aus dem Kühlschrank zu holen, um es zu schälen und anschließend in einem weiteren, leichten frühlingsfrischen Spargelgericht zu schwelgen, als Herr H. durchgefroren und erschöpft von der Arbeit heimkehrte. Argwöhnisch öffnete er die Küchentür, es hatte seit Tagen nichts anderes als Spargel- und Wildkräutergerichte gegeben, und sah sich nach kurzem Blick mit weiteren weißen, wässrigen Stangen konfrontiert. Ich hieß ihn nichtsahnend lächelnd willkommen. Er nahm mir das Bündel mit ausdrucksloser Miene ab, legte es zurück ins Gemüsefach und fischte mit sicherem Griff ein Päckchen aus dem Tiefkühler. Kaninchenleber. Und dazu bitte eine satte Portion Pasta, sonst hinge hier für unbestimmte Zeit der Haussegen schief. Das konnte ich natürlich nicht riskieren. Der Pastateig war zum Glück schon für die Spargel-Lasagne vorbereitet gewesen, ein passendes Rezept für seine bodenständigen Gelüste schnell gefunden. Herr H. lächelte zufrieden und machte sich an die Arbeit.

Für die Kaninchenlebern in Rotweinsauce:

  • ca. 300 g Kaninchenlebern, geputzt (ich: bereits gebraten)
  • Öl zum Braten
  • 1 TL Puderzucker
  • 75 g Rotwein
  • 2 EL roter Portwein
  • ca. 100 g Kalbsfond
  • 1/2 TL Pfeilwurzstärke, in wenig kaltem Wasser gelöst
  • je eine Scheibe Knoblauch und Ingwer
  • 1,5 EL kalte Butter, gewürfelt
  • Salz, schwarzer Pfeffer

kaninchenleber serieDie rohen Kaninchenlebern sollten bei hoher Temperatur rasch allseitig angebraten und bei 70°C warm gestellt werden. Dieser Schritt entfiel bei uns, da die Lebern bereits gegart waren. Herr H. ließ den Puderzucker in der Pfanne hell karamellisieren, löschte mit Rot- und Portwein ab und ließ sie auf die Hälfte einkochen. Dann gab er Knoblauch, Ingwer und Fond dazu und ließ alles wieder ca. auf die Hälfte reduzieren. Nun entnahm er Knoblauch und Ingwer, band die Sauce mit der Pfeilwurzstärke leicht sämig und rührte nach und nach die kalte Butter unter. Schließlich schmeckte er die Sauce mit Salz und Pfeffer ab, legte die erwärmten Lebern ein und stellte die Pfanne warm. Ich hatte mich in der Zwischenzeit und die Pasta gekümmert.

Für die Tagliatelle:

  • 100 g Weizenmehl 405er
  • 50 g Hartweizengries, fein
  • 1 Ei, 1 Eigelb
  • 1 Pr. Salz
  • evtl. 1 -2 EL Wasser
  • einige Scheiben Ingwer und Knoblauch
  • 1 getrocknete Chili
  • 1 EL Butter
  • 1-2 EL Dill

Tagliatelle serieIch rollte den zuvor bereiteten Pastateig portionsweise mit Hilfe der Maschine bis Stufe 7/9 zu gleichmäßigen Bahnen aus, schnitt sie mit dem Aufsatz in Tagliatelle und lagerte sie auf dem Stuhlrücken zwischen. Dann kochte ich das Nudelwasser mit Ingwer, Knoblauch und Chili auf und garte die Tagliatelle ca. 3-4 Minuten darin. In der Zwischenzeit hatte ich die Butter in der Pfanne zerlassen. Ich goss die Nudeln ab, gab sie in die zerlassene Butter und mischte den Dill darunter. Allein die Tagliatelle in Dillbutter vermochten mich bereits mit der Spargelpause zu versöhnen.

Für den Datteljoghurt:

  • 4 getrocknete Datteln, entsteint
  • 2 EL Walnusskerne, grob gehackt
  • 150 g griechischer Joghurt (ich: Vollmilchjoghurt mit 1 EL Crème fraîche)
  • 1 Msp. abgeriebene Orangenschale (ich: 1 Kumquat, entkernt, fein gehackt)
  • mildes Chilisalz (ich: Salz und 1 Pr. Piment d’Espelette)

datteljoghurt serieHerr H. suchte das gesamten Vorräte nach Datteln ab, fand alles Mögliche und Unmögliche, aber keine Datteln. Zum Glück erinnerte ich mich an die getrockneten Feigen in der Backkiste, die einst meine Eltern von Madeira mitgebracht hatten. Sie waren inzwischen schon recht hart, also weichte ich sie vor dem Hacken ca. 30 Minuten in heißem Wasser ein. Herr H. bereitete die übrigen Zutaten vor, verrührte alles in einer Schale und kostete. Ein sehr zufriedenes Lächeln breitete sich anschließend in seinem Gesicht aus. Ein paar Fotos später konnte ich verstehen, warum.

tagliatelle mit Leber 4Fazit: Selbst die komplette Abwesenheit von Gemüse in diesem Gericht störte mich ausnahmsweise ganz und gar nicht. Tagliatelle, Lebern und Datteljoghurt ergaben eine so feine Geschmackskombination, dass ich noch nicht einmal auf die Idee kam, Spargel zu vermissen. Herr H. lehnte sich nach dem Essen hochzufrieden zurück und sah mich an, als wolle er sagen, siehst du, auch im luftig-leichten Frühling kann sich ein molliges Pastagericht sehr gut machen. Ob er das wirklich dachte, habe ich jedoch nie erfahren. Er sagte schließlich nur, „nun bin ich wieder für das nächste Spargelgericht bereit“.

Frei aus: Feines aus dem Ofen herzhaft und süß Alfons Schuhbek, Angelika Schwalber

 

Das frugale Mahl

tagliatelle 10Gestern Abend war es also soweit. Die Schwiegerfamilie (nicht die ganze, das wäre platztechnisch auch schwierig geworden) hatte sich bei uns zu einem weihnachtlichen Treffen eingefunden. Als ich im Vorfeld fragte, ob es bezüglich des Essen Wünsche gäbe, erfuhr ich, dass das Essen vegetarisch und zwiebelfrei sein solle. Zu dem Zeitpunkt antwortete ich noch fröhlich, super, kein Problem, das sei ein Kinderspiel. Dann begann ich Rezepte zu sichten und verzweifelte nahezu. Zwiebeln und Knoblauch wohin das Auge blickt. Ich fragte vorsichtig an, ob nur eine geschmackliche Abneigung bestünde und leider stellte sich heraus, dass es sich um eine pure Unverträglichkeit handele. So ein Mist. Da half auch kein „Maskieren“ weiter. Gerade, als ich nach stundenlangem Grübeln die Segel streichen wollte, erinnerte ich mich zum Glück an ein schlichtes Pasta-Gericht, dass ich kürzlich zubereitet hatte. Da waren doch keine Zwiebeln dabei gewesen, oder? Nein. Puh, Glück gehabt, selbst gemachte Pasta würden wohl alle mögen, dachte ich mir und der Rest würde sich finden.

Für die Pasta (für zwei Personen, für sechs habe ich die dreifache Menge bereitet, das kam mit Vor- und Nachspeise gut hin):

  • 100 g Weizenmehl 405er
  • 50 g Hartweizenmehl
  • 1 Ei + 1 Eigelb
  • einige Tropfen Olivenöl
  • 1 Prise Salz
  • ggf. 1 – 2 EL Wasser, falls der Teig nach einigen Minuten des Knetens noch zu bröselig sein sollte

nudeln serieIch gab alle Zutaten für den Teig bis auf das Wasser in eine Schüssel und vermengte sie grob mit dem Löffel. Dann knetete ich den Teig von Hand ca. 10 Minuten lang. Nach 5 Minuten des Knetens fügte ich noch etwas Wasser hinzu. Dann begann er elastisch und glatt zu werden. Die dreifache Menge Teig zu kneten ersetzt übrigens problemlos den Fittnessstudiobesuch. Ich habe heute tatsächlich Muskelkater in den Oberarmen. Ich ließ den Teig zugedeckt zwei Stunden ruhen und gab ihn dann portionsweise durch die Maschine. Die fertigen Teigbahnen schnitt ich mit dem Tagliatelle-Aufsatz. Die Pasta für zwei Personen fand lässig auf den Stuhllehnen Platz, die für sechs bestäubte ich etwas mehr mit Hartweizengries und lagerte sie in verschlungenen Häufchen auf einer großen, begriesten Leinwand.

Für die „Sauce“:

  • 50 g Walnusskerne, grob gehackt
  • 25 g Butter
  • 10 g Salbeiblätter, in feine Streifen geschnitten
  • Abrieb 1 Zitrone
  • 50 g Sahne
  • Parmesan, gehobelt, nach Belieben
  • 15 g Petersilie, gehackt
  • 30 g Zitronensaft (ca. 1/2)
  • Salz, schwarzer Pfeffer

sosse serieIch zerließ die Butter in der Pfanne, fügte nach 1 Minute die Salbeistreifen hinzu und ließ ihn ca. 2 Minuten braten, bis die Butter zu bräunen begann. Dann rührte ich Zitronenabrieb und Sahne unter, ließ alles kurz aufkochen, bis die Sahne anzudicken begann und zog die Pfanne vom Herd. Ich schmeckte mit Salz und Pfeffer ab und garte die frische Pasta in reichlich Salzwasser in 3 – 4 Minuten. Herr H. hatte inzwischen die gehackten Walnüsse 15 Minuten bei 160°C im Backofen geröstet. Ich gab einige Esslössel des Pastakochwasser zur Sauce, erwärmte sie erneut und fügte die abgetropften Tagliatelle, den Zitronensaft und die Petersilie hinzu. Gut vermengt. Fertig. Herr H. richtete die Pasta in zwei Schalen an und bestreute sie großzügig mit Parmesanspänen und gerösteten Walnüssen.

tagliatelle 15Fazit: Bereits beim ersten Mal hatte uns die schlichte Aromenkombination voll und ganz überzeugt. Es braucht so wenig für einen großen Genuss! Auch unsere Gäste waren von den Tagliatelle mit Walnüssen schwer begeistert. Ich servierte dazu die obligatorischen honigglasierten Winterwurzeln, von denen jedoch reichlich übrig blieben. Vorab gab es die raffinierte Kürbissuppe (dieses Mal tatsächlich mit Muskatkürbis, der schmeckte mir ungleich besser) allerdings ohne Croutons und Garnelen und leider auch ohne Kürbiskernöl. Es war leider in der Zwischenzeit umgekippt. Dafür gab es dazu knuspriges Rote Bete-Knäckebrot, das nicht nur farblich einen schönen Akzent setzte. Eigentlich waren danach bereits alle satt und zufrieden, aber ohne ein Stückchen Zitrus-Schnitte konnte ich sie natürlich nicht ziehen lassen. Es war insgesamt vielleicht ein eher frugales Mahl, das tat jedoch der schönen Atmosphäre keinen Abbruch! Es muss wirklich nicht immer Wagyu sein.

Aus: Vegetarische Köstlichkeiten Yotam Ottolenghi