Verza oder der große Grüne

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Obwohl Herr H. und ich seit gut 1,5 Jahren einen wirklich unangemessen riesenhaften Kühlschrank in unserer winzigen Küche beherbergen, hege ich nach wie vor eine Abneigung gegen überdimensionierte Gemüse, die eine kühle Lagerung verlangen und von denen man, hat man sie einmal irrtümlicherweise ins Haus geschleppt, wochenlang zehren muss. So ein Wirsing bringt locker 1 – 1,5 Kilogramm auf die Waage und gehört somit zu den Gemüsen, die hier bislang höchst selten ein Gastspiel geben durften. Am letzten Wochenende jedoch hielt die Bücherhalle einen wahren Schatz* für uns bereit. Das Rezept, das mich als erstes unwiderstehlich anzog, verlangte nach einem großen Wirsing. Also überwand ich meine Abneigung leichten Herzens und besorgte ein stattliches Exemplar der Gattung.

Für die Kohlrouladen:

  • 5 große Wirsingblätter
  • 1/2 TL Koriandersamen
  • 1/2 TL Kreuzkümmelsamen
  • 1/2 TL Anissamen
  • 300 g Gemüsefond (oder Wasser)
  • 100 g Buchweizen, ganz, geröstet
  • 100 g Stangensellerie, kleinst gewürfelt
  • 1 kleine Knoblauchzehe, fein gehackt
  • 3 halbgetrocknete Tomaten, klein gewürfelt
  • ca. 25 g Rosinen, grob gehackt
  • 1 EL Petersilie, fein gehackt
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • Öl zum Anbraten

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Aufgrund der Abwesenheit von Couscous in unseren Vorräten musste ich die Füllung etwas modifizieren. Nachdem ich Koriander, Kreuzkümmel und Anis nacheinander angeröstet hatte, gab ich den Gemüsefond hinzu und kochte alles auf. Nun durfte der Fond 10 Minuten ziehen. Dann seihte ich die Gewürze wieder ab, kochte den Fond erneut auf und gab Buchweizen und etwas Salz hinein. Der Buchweizen durfte ebenfalls 10 Minuten abgedeckt sanft köcheln und anschließend knapp 10 Minuten ziehen. Ich siebte den überschüssigen Fond ab und gab den Buchweizen mit den übrigen von Herr H. bereit gestellten Zutaten in eine Schüssel. Knoblauch und Stangensellerie hatte er einige Minuten angebraten. Ich schmeckte die Masse mit Salz und Pfeffer ab und knetete sie von Hand kräftig einige Minuten durch, damit sie einen besseren Zusammenhalt entwickelte. Herr H. blanchierte die Wirsingblätter 1 Minute in kochendem Salzwasser (beim nächsten Mal besser 5!), schreckte sie eiskalt ab und tupfte sie trocken. Ich entfernte die dicken Mittelrippen und halbierte die Blätter. Dann setzte ich auf jedes Blatt gut einen EL Füllung, klappte beide Seiten zur Mitte und rollte das Blatt schließlich ein. Das funktionierte völlig problemlos. Als ich alle Rouladen gewickelt hatte, erhitzte ich etwas Butterschmalz bei mittlerer Hitze und briet die Rouladen erst mit der Nahtseite nach unten und dann rundherum knusprig braun an. Herr H. stellte die fertig gebraten Rouladen beiseite.

Für die Beilagen:

  • 1/2 große Stange Lauch, in Ringe geschnitten
  • 4 – 6 festkochende Kartoffeln, geschält
  • ca. 125 g Gemüsefond (ich hatte nur noch Hühnerfond)
  • Meersalz

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Ich gab Lauch und Kartoffeln mit dem Fond und wenig Salz in eine Pfanne und ließ alles abgedeckt ca. 15 Minuten köcheln. Nun legte ich die gebratenen Rouladen ein und ließ sie weitere 15 Minuten mitschmoren. Anschließend reduzierte ich den Fond auf etwa die Hälfte und schmeckte noch einmal mit Salz ab. Herr H. konnte sich ob des himmlischen Geruchs kaum beherrschen.

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Für die Meerrettichsauce:

  • 1 TL Butter
  • 1 TL Mehl
  • ca. 60 g Noilly Prat
  • 100 g Gemüsefond
  • 90 g Sahne
  • Meersalz
  • Chilipulver
  • ca. 30 g frischer Meerrettich, fein gerieben
  • 1 TL kalte Butter zum Binden
  • frischer geriebener Meerrettich zum Servieren

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Ich zerließ die Butter in einer Kasserole, rührte das Mehl mit dem Schneebesen ein und schwitzte es kurz an. Dann löschte ich mit Noilly Prat ab und ließ ihn um die Hälfte reduzieren. Nun goss ich den Fond an und ließ ihn wiederum um ein Drittel einkochen. Herr H. gab die Sahne hinzu, ließ die Sauce einmal kurz aufkochen und zog die Kasserole von der Platte. Er schmeckte mit Salz und Chili ab und gab, als die Sauce auf ca. 70°C abgekühlt war, den fein geriebenen Meerrettich dazu. Die Sauce darf nun nicht mehr stärker erhitzt werden, da der Meerrettich ansonsten bitter wird. Er ließ die Sauce 5 Minuten ziehen, siebte den Meerrettich ab und stellte die Sauce bis zum Servieren warm. Ich hatte inzwischen die Teller vorgewärmt und Klarschiff gemacht, da ich dieses Mal unbedingt beim Fotografieren dabei sein wollte.

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Fazit: Da das die ersten Kohlrouladen sind, die ich in meinem Leben selbst zubereitet habe und auch der letzte Verzehr selbiger schon ein Weilchen zurück liegt, habe ich natürlich keine realistischen Vergleichsmöglichkeiten. Aber wir beide waren nach dem ersten Häppchen Roulade hellauf begeistert. Die Füllung passte sagenhaft gut zu den leicht senfigen Wirsingblättern. Die cremig-scharfe Sauce als Widerspruch in sich begleitete Rouladen und Beilagen vortrefflich, während der Lauch mit seiner Süße versöhnte. Ich bedauerte sehr, nicht gleich die doppelte Menge gekocht zu haben. Ein oder zwei Roulädchen hätten sicher noch gepasst. Dieses Gericht hat ab jetzt seinen festen Platz auf unserem winterlichen Speiseplan. Der nächste Wirsing ist bereits gekauft.

Die Jahreszeiten Kochschule Winter Richard Rauch, Katharina Seiser (ich habe das Rezept an einigen Stellen aufgrund unserer Vorräte recht stark modifiziert)

Anm. : Falls sich jemand über die ungewöhnlich schlechte Qualität der Fotos wundern sollte. Herr H. unterweist mich gerade in der hohen Kunst der digitalen Bildbearbeitung, damit ich ihm diese „Arbeit“ in Zukunft abnehmen kann. Dieses war mein erster Versuch.

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Frischer Wind Teil 2

 

linsen süss sauer 1Wie bereits angekündigt hier nun das zweite Rezept aus dem neuen Lieblingskochbuch*. Linsen essen Herr H. und ich schon seit einigen Jahren sehr, sehr gern. Was recht erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass wir uns früher bereits beim Gedanken an sie schüttelten. Ich erinnere mich noch an einen Besuch im Elternhause H., bei dem uns eine traditionelle deutsche Linsensuppe angeboten wurde. Herr H. und ich sahen uns nur kurz an, lehnten höflich ab und verkündeten ausweichend, dass wir eh geplant hätten, auswärts essen zu gehen. Ich weiß gar nicht mehr, was genau den Umschwung in Punkto Linsen-Liebe einleitete, vermutlich waren reichlich „exotische“ Gewürze im Spiel. Inzwischen haben wir stets mindestens drei verschiedene Sorten Linsen im Haus und das MHD wird im Gegensatz zu vielen anderen Vorräten nie überschritten. Die gelben Linsen für diese Suppe musste ich allerdings eigens anschaffen.

Für den gelben Rettich (soll 48 Stunden ziehen):

  • 200 g weißer Reisessig
  • 50 g japanischer Senf (war nirgends aufzutreiben, wurde ersetzt durch mittelscharfen)
  • 1 TL Senfsaat
  • 1 kleiner weißer Rettich, geschält, in Würfel von 5 x 5 mm geschnitten (ich: Streifen, da ich die Reste für Sushi verwende)

Ich gab Essig, Senf und Senfsaat in einen Topf, kochte alles auf, gab die Rettichstreifen hinzu und kochte alles erneut kurz auf. Nach dem Abkühlen füllte ich Rettichstreifen und Marinade in einen Behälter und stellte ihn für 48 Stunden in den Kühlschrank. Die Reste befinden sich seit ein paar Wochen in unverändert gutem Zustand dort und schmecken von Tag zu Tag besser.

Für die Linsencreme:

  • 8 g gelbes Currypulver
  • 15 g Rapsöl
  • 300 g Geflügelfond
  • 200 g Sahne
  • 125 g gelbe Linsen, eingeweicht
  • 50 g Crème fraîche
  • 25 g Shirodashi (flüssiges asiatisches Würzmittel, ich: selbst hergestellt)
  • 5 g Orangenöl
  • 8 g weißer Balsamico
  • Salz

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Ich schwitzte das Currypulver kurz in Rapsöl an, löschte mit Fond und Sahne ab und gab die abgetropften Linsen dazu. Sie durften ca. 20 Minuten sachte köcheln, bis sie sehr weich geworden waren. Anschließend pürierte ich alles, schmeckte mit den restlichen Zutaten ab und strich die Creme durch ein feines Sieb. Bis zur Verwendung stellte ich sie warm.

Für die Einlage:

  • 75 g gelbe Linsen, al dente gekocht
  • 80 g gelber Rettich, gewürfelt
  • 40 g Dörraprikosen (Mist, keine mehr da, deshalb Cranberries, die farblich nicht gut harmonierten)
  • 40 g Staudensellerie, blanchiert, gewürfelt
  • 50 g Wildschweinsalami, gewürfelt
  • ein paar Sellerieblätter

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Während Herr H. die Zutaten für die Einlage identisch kleine Würfel schnitt, kochte ich die gelben Linsen knapp gar, so dass sie noch nicht zu zerfallen begannen und stellte sie nach dem Abgießen ebenfalls warm. Die Selleriewürfel blanchierte ich. Als alles fertig war, schöpfte ich Linsencreme auf vorgewärmte Teller, gab Sellerie, Rettich, Salami, Cranberries und Linsen in die Mitte und dekorierte mit einigen Sellerieblättchen mangels Hunds-Kerbel. Das sah schon mal gar nicht schlecht aus.

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Fazit: Und es schmeckte uns hervorragend. Zu schade, dass wir immer noch nicht von selbst auf so gute Ideen kommen. Alle Komponenten der Einlage passten perfekt zur Linsencreme und mit ein par Scheiben frisch gebackenen Baguettes sättigte uns das Gericht völlig ausreichend. Ich würde beim nächsten Mal allerdings nicht nur aus optischen Gründen darauf achten, Dörraprikosen im Haus zu haben. Die Cranberries machten sich zwar ganz gut, aber mit Aprikosen schmeckt es sicher noch einmal doppelt so gut.

*Aus: Deutscher Wein Deutsche Küche Paula Bosch, Tim Raue

Zurück auf Anfang

italienische Ochsenschwanzsuppe 1-1Wie jedes Jahr um diese Zeit wecken sinkende Temperaturen und abnehmendes Tageslicht nicht nur meinen Appetit auf Kohlenhydrate. Fleisch muss es sein! Ob lange geschmort oder in Form der herrlichen, neu entdeckten Kohlwürste von meinem neuen Lieblingsmetzger, völlig egal. Ich brauche auch keine Unmengen auf einen Schlag, aber fast täglich kreisen meine Gedanken darum, wie ich zu einer kleinen Portion kommen könnte. Die nahende Ankunft einer größeren Menge an Wildschwein legte kürzlich eine Sichtung der Bestände nahe. Ich hatte es tatsächlich geschafft, den neu gewonnenen Gefrierraum bis in die hinterste Ecke zu füllen. Genau dort fand ich ihn neben einer großen Tüte Kalbsknochen. Fond zu kochen gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber hey, so konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Alle zuvor überlegten, exotische Gewürze beinhaltenden Rezepte warf ich kurz entschlossen über den Haufen. Frei nach dem Motto, zurück zu den Wurzeln.

Für die italienische Ochsenschwanzsuppe mit Linsen:

  • 500 g Ochsenschwanz, in Stücke geschnitten (das kann der Metzger am besten)
  • Olivenöl zum Braten
  • 1 Knoblauchzehe, fein gehackt
  • 1 kleine Zwiebel, fein gehackt
  • 1 Pastinake oder Möhre, in Scheiben geschnitten
  • 1 Stange Staudensellerie, in Scheiben geschnitten
  • 1 gelbe Paprika, in Streifen geschnitten
  • 75 g Rotwein
  • 350 g passierte Tomaten
  • 1 Zweig Rosmarin
  • 75 g grüne Linsen, gegart
  • Petersilie nach Belieben

o-suppe serieStatt die Ochsenschwanzstücke im Topf anzubraten, legte ich sie zu den Kalbsknochen auf das Backblech und bräunte sie ca. 20 Minuten bei 180°C Umluft. Zwei Fliegen und so. Herr H. schwitzte derweil nacheinander Zwiebeln, Knoblauch und Gemüse im Olivenöl an. Ich legte die angebräunten Ochsenschwanzstückchen auf das Gemüse, goss Rotwein und Tomaten an und füllte mit der gleichen Menge Wasser auf. Herr H. steckte noch den Rosmarinzweig hinzu und dann durfte alles abgedeckt bei kleinster Hitze drei Stunden schmoren. Genauso lang wie die Kalbsknochen im Topf nebenan. Man sollte also recht zeitig zu kochen beginnen. Nach der Garzeit fischte ich die Ochsenschwanzstückchen auf dem Topf, ließ sie kurz abkühlen und bat Herrn H. das Fleisch vom Knochen zu lösen. Ich gab die gegarten Linsen gemeinsam mit dem Fleisch zurück in den Topf, schmeckte mit Salz und Pfeffer ab. Sollte die Konsistenz der Suppe  noch zu dünn sein, kann mit Pfeilwurzstärke gebunden werden. Unsere war perfekt.

Für die Ricotta-Griess-Gnocchi:

  • 125 g Ricotta, gut abgetropft (oder Quark 20%ig)
  • 1 Ei
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 1/2 Bund Petersilie, fein gehackt (ca. 10 g)
  • 75 g Maisgriess (ich: Hartweizengriess)
  • 20 g Parmesan oder Sbrinz, gerieben

nocken serieIch gab Ricotta und Ei mit etwas Salz und Pfeffer in einer Schüssel und rührte alles mit dem Schneebesen glatt. Dann gab ich Parmesan, Petersilie und Griess hinzu und rührte sie ebenfalls unter. Die Masse war recht weich und ich war nicht sicher, ob sich daraus wirklich Nocken abstechen lassen würden. Aber nach einer Quellzeit von einer guten Stunde war sie deutlich fester geworden. Ich kochte reichlich Salzwasser auf und ließ eine Probenocke hineingleiten. Das Wasser darf nicht kochen, sondern sollte nur schwach sieden, da die Nocken ansonsten zerfallen. Die Probenocke stieg zum Glück unbeschädigt auf und durfte anschließend noch 5 Minuten garziehen. Portionsweise garte ich so die restlichen Nocken und stellte sie im Backofen warm. Theoretisch sollten sie noch in heißer Butter geschwenkt werden. Als ich das probierte, zeigten sie jedoch nach kürzester Zeit große Auflösungserscheinungen und da sie ohnehin in der Suppe landeten, verzichtete ich darauf. Sollte man sie separat servieren, kann man sie vielleicht im Backofen bräunen. Ich richtete die Suppe mit den Nocken in vorgewärmten Schalen an und geduldete mich.

italienische Ochsenschwanzsuppe 3-3Fazit: Unsere erste Ochsenschwanzsuppe entpuppte sich als Erfolg auf ganzer Linie. Herrlich kräftig, sämig und gradlinig. Die Ricotta-Gnocchi passten in ihrer zurückhaltenden Milde hervorragend und viel zu schnell waren Schüsseln und Töpfe geleert. Sollte mir wieder einmal ein Ochsenschwanz begegnen, so würde ich ihn vielleicht experimenteller zubereiten, sinnierte ich mit angenehm gefüllten Bauch. Herr H. jedoch winkte ab. Diese Suppe sei so wunderbar, dass sie keiner Verbesserung bedürfe. Ich konnte ihm nur zustimmen. Das in den letzten Jahren auf absurden Umfang angewachsene Gewürzsammelsorium wird es in nächster Zeit hier wohl schwer haben.

Suppe aus: Lieblingssuppen und knusprige Beilagen Janneke Phillipi

Gnocchi aus: Das große Buch vom Fleischgaren bei Niedrigtemperatur Annemarie Wildeisen

Vom Glück im Nichts

Pasta mit Räucherlachs 2Was genau macht uns eigentlich glücklich? Es scheint schwer zu fassen, dieses flüchtige Gefühl, nach dem sich die ganze Menschheit so verzehrt. Die ganze Menschheit? Nun, das vermag ich nicht zu sagen. Herr H. jedoch, gefragt, ob er denn jetzt gerade glücklich sei, zuckte stets leicht ratlos die Schultern. Wie es sich denn anfühle, das Glück? Wie es sich genau anfühle? Eine gute Frage, auf die ich spontan keine Antwort wusste. Ich müsse darüber nachdenken, gab ich zurück und grübelte und grübelte, immer mal wieder, mal mehr, mal weniger intensiv.

Zufriedenheit war leicht zu greifen als „Abwesenheit von Verlangen“. Ist Glück nun einfach die Steigerung der Abwesenheit des Verlangens? Ist eine Steigerung von Abwesenheit überhaupt möglich? Fest steht, dass die gute alte Zufriedenheit eher negativ konnotiert scheint. Wer nichts mehr will, stagniert, bewegt sich nicht mehr und das ist per se schlecht in einer Zeit, in der alles immer mehr, immer neuer, immer interessanter sein muss. Folglich kann das Glück, nach dem alle Streben keine Steigerung von Zufriedenheit sein. Die Ethymologie des Wortes „Glück“ hingegen besagt den günstigen Ausgang eines beliebigen Ereignisses, für das weder Talent noch Zutun des „Beglückten“ nötig waren. Folglich kann Glück weder erstrebt noch erarbeitet werden. Das Glück findet den Menschen und nicht umgekehrt. Herr H., dem ich diese Gedanken vielleicht ein wenig unzusammenhängend präsentiert hatte, schüttelte verwirrt den Kopf und plädierte dafür, an anderer, konkreterer Stelle zu suchen.

Für die Sedani con Vodka e Salmone affumicato:

  • 175 g getrocknete Sedani (oder andere kurze, dicke Röhrennudeln)
  • Olivenöl
  • 1 kleine Zwiebel, in Ringe geschnitten oder fein gehackt
  • 375 g stückige Tomaten aus der Dose (ohne Haut)
  • (ich: 1 Stange Sellerie, feinst gewürfelt)
  • 10 g Wodka
  • 25 g Crème double oder Sahne (ich: Crème fraîche)
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • frisches Basilikum, nach Belieben
  • 60 g Räucherlachs, in Streifen geschnitten oder gerollt
  • (ich: reichlich Caciocavallo, gerieben)

zutaten serieWährend wir die Zutaten für das Abendessen zusammensuchten, diskutierten wir lebhaft weiter. Ich schwitze die Zwiebeln in etwas Olivenöl ca. 5 Minuten glasig, gab den Sellerie hinzu und ließ alles abgedeckt bei schacher Hitze schmoren, bis der Sellerie den gewünschten Gargrad erreicht hatte. Dann gab ich Tomaten und Wodka hinzu und ließ die Sauce ca. 15 Minuten offen köcheln. Herr H. hatte derweil die Pasta in reichlich Salzwasser al dente gegart und abgegossen. Ich gab die Crème fraîche zur Sauce und hob sie gemeinsam mit der Pasta unter. Herr H. hatte den Lachs in dekorative Röllchen gelegt. Ich richtete die Pasta mit den Röllchen und Basilikum in vorgewärmten Schalen an und rieb den Käse darüber. Es roch unwiderstehlich, aber leider musste ich mich, wie üblich, gedulden.

Pasta mit Räucherlachs 1Fazit: Als wir endlich am Tisch saßen, spießte Herr H. die erste Nudel auf, kaute und schloß die Augen. Da sei es, das Glück, im Hohlraum einer dicken Röhrennudel, die sich mit köstlichster Sauce vollgesogen habe. Ich sah ihn leicht fassungslos an, aber er forderte mich auf, die Grübelei einfach beiseite zu schieben und selbst zu kosten. Und was soll ich sagen? Man muss es einfach ausprobieren. So ein Hohlraum kann sehr erfüllend sein.

Aus: Pasta Antonio Carluccio

Es geht voran!

curry 7Keine Atempause – Geschichte wird gemacht„, so texteten schon vor über 30 Jahren die Fehlfarben und so fühlt es sich auch heute noch für mich an. Höher, höher, schnellerschnellerschneller, weiter, MEHR, alles dreht sich, mir wird schon vom bloßen Zuschauen ganz schwurbelig. Da bleibt keine Zeit für Muße, keine Zeit für Pausen, keine Zeit zum Innehalten. Wann soll denn überhaupt noch nachgedacht werden? Denkt überhaupt noch wer? Sobald irgendwo wer sitzt, der nicht gerade so aussieht als hätte er kein Zuhause, und nichts tut, sondern einfach nur ziellos schaut, werden Köpfe geschüttelt. Das geht doch nicht. Es muss doch was getan werden. Wohin der ganze blinde Aktionismus führt? Ist doch egal, Hauptsache, es wird was getan! Ich mache da jetzt nicht mehr mit. Brauche Zeit zum Nachdenken, Ausprobieren und muss alles dann erst einmal sacken lassen. Sollen doch die anderen rennen. Und was dabei herauskommen kann, zeigt Frau Grandits sehr eindrücklich mit diesem vermeintlich altbekannten Thai-Curry.

Für das Maispoularden-Limetten-Curry mit Sellerie und Thaibasilikumöl:

  • 1 TL gehackter Ingwer
  • 1 Stange Zitronengras, gehackt
  • einige Korianderstängel mit Wurzeln, geschnitten
  • 1 kleine Knoblauchzehe, geschält, geviertelt
  • 3 Limettenblätter, geschnitten
  • 1 knapper TL grüne Currypaste (selbst gemacht oder gekauft)
  • 1 TL Sesamöl
  • 300 g Kokosmilch (ich: 200 g)
  • 1 grüne Chili, entkernt, fein gewürfelt
  • 1 EL Fischsauce
  • 150 g Stangensellerie, geputzt, in schräge Streifen geschnitten
  • 2 Maispoulardenbrüste (ca. 300 g), in große Würfel geschnitten
  • 1 TL Sojasauce
  • 25 g Thaibasilikumöl (so hergestellt wie das Kräuteröl)
  • 100 g junger Spinat
  • 1 Limette, abgeriebene Schale
  • 1/2 Bund Thaibasilikum, gezupft
  • einige Sellerieblätter
  • Basmatireis nach Belieben

zutaten serieNachdem wir alle Zutaten bereit gestellt hatten, dünstete ich Ingwer, Zitronengras, Koriander, Knoblauch, Limettenblätter und Currypaste in etwas Erdnussöl an. Das dauerte ca. 5 Minuten. Dann gab ich Chili und Fischsauce hinzu, löschte mit Kokosmilch ab und ließ alles zugedeckt 15 Minuten köcheln. Anschließend siebte ich die Festbestandteile ab. Herr H. hatte inzwischen die Hühnchenwürfel mit der Sojasauce vermengt und Sellerie und Spinat kurz blanchiert und in Eiswasser abgeschreckt. Ich briet das Huhn in etwas Thaibasilikumöl an, gab Sellerie und Spinat hinzu und goss die Sauce an. Nach 3 Minuten offenen Köchelns war das Huhn gar und die Sauce sämig. Ich schmeckte alles mit Limettenschale und etwas Salz ab und richtete das Curry, den vom Reiskocher gegarten Reis und die Kräuter in Schalen an und machte mich ans Aufräumen. Herr H. brummelte dieses Mal beim Fotografieren etwas vor sich hin, da es recht schwierig zu sein scheint, so ein Schalensammelsorium zu verewigen.

curry 1-1Fazit: Ich habe zwar schon das ein oder andere grüne Thaicurry zubereitet, aber keines war so herrlich ausgewogen und cremig wie dieses. Die Idee, die Würzzutaten abzusieben, ist genial. Hätte ich auch selbst drauf kommen können. Wenn ich nachgedacht hätte. So fürchterlich neu ist diese Vorgehensweise ja nun wirklich nicht. Wie auch immer. Herr H. war jedenfalls ebenso angetan, zumal vom Bereitstellen der Zutaten bis zum Essen nicht mal eine Stunde vergangen war. Er lehnte sich nach dem Essen zufrieden zurück und sah mich fragend an. Was denn überhaupt mit Torte sei? Ich atmete langsam ein und wieder aus. „Torte ist gerade aus und ich habe zur Zeit recht wenig Elan zum Backen. Das wird sich schon wieder finden – dann irgendwann“. Und so musste er sich mit einem Stück Bitterschokolade zum Nachtisch begnügen.

Aus: Kräuter Tanja Grandits