Als ich kurz vor Ende des letzten Jahres den Gefrierschrank aufräumte, entdeckte ich hinten unten links eine längst vergessene Rehschulter. Herr H. klatschte entzückt in die Hände. Im Gegensatz zu mir ist er ein großer Anhänger der gut bürgerlich deutschen Küche. Er sah mich mit großen leuchtenden Augen bittend an, Kartoffelklöße und Rotkohl möge er am liebsten und sie würden das Rehragout vortrefflich begleiten. Ich seufzte, legte das chinesische Kochbuch beiseite und schlug das Rotkohl-Rezept auf. Herr H. zerlegte indes die aufgetaute Schulter fachmännisch. Bis es zum Schultergenuss kommen sollte, vergingen allerdings noch fünf Tage, in denen das Fleisch in der Marinade ruhte.
Für die Marinade des Rehragouts:
- 600 g Rehschulter (oder -keule), nicht zu klein gewürfelt
- 200 g Zwiebeln, gewürfelt
- 1 Möhre, in Scheiben geschnitten
- 1 Scheibe Sellerie, gewürfelt
- 1/4 Stange Lauch, in Ringe geschnitten
- 1 Knoblauchzehe, geschält
- 1 TL schwarze Pfefferkörner, im Mörser angedrückt
- 6 Wacholderbeeren, im Mörser angedrückt
- 2 Gewürznelken, im Mörser angedrückt
- 1 Lorbeerblatt
- 50 g Rotweinessig (ich: Brombeeressig)
- 350 g Rotwein
Gemeinsam bereiteten wir alle Zutaten für die Marinade vor. Dann gab ich sie in eine Schüssel, goß Essig und Rotwein an und legte die in einem Teebeutel verstauten Gewürze hinein. Ich mischte alles gründlich, verschloß die Schüssel und trug sie auf den Dachboden. Das Wetter was uns hold. Dort herrschten kontinuiertlich um die 6°C. Im Sommer könnte ich ein solches Gericht aus Platzmangel im Kühlschrank nicht bereiten. Am gleichen Abend bereiteten wir den Rotkohl vor.
Für den Apfelrotkohl:
- 1 kg Rotkohl, fein gehobelt
- 1 Zimtstange
- 2 Gewürznelken
- 1 Lorbeerblatt
- 2 Wacholderbeeren
- 10 weiße Pfefferkörner
- 100 g Apfelmus
- 2 EL flüssiger Honig
- 20 g Weißweinessig
- 200 g Rotwein
- 2 Zwiebeln
- 250 g Äpfel (ich: Boskop)
- 50 g Gänseschmalz (ich: Butterschmalz)
- Salz, Pfeffer
Ich montierte den Schnetzelaufsatz auf die Maschine, ließ den Rotkohl in feine Streifen schneiden und versuchte mich zu erinnern, wann ich zum letzten Mal Rotkohl bereitet hatte. Es muss schon sehr lang her gewesen sein. Herr H. suchte die übrigen Zutaten zusammen, drückte die Gewürze im Mörser an und gab sie in einen Teebeutel. Ich vermischte den Rotkohl gründlich mit Apfelmus, Honig, Essig und Rotwein und stellte ihn über Nacht kühl. Am nächsten Tag schnitt Herr H. die Zwiebeln. Ich würfelte die Äpfel, erhitzte das Butterschmalz im Bräter und dünstete die Zwiebeln darin an. Dann gab ich den abgetropften Rotkohl hinzu und schwitzte auch ihn kurz an. Nun kamen noch die Apfelwürfel, 1 TL Salz, der Gewürzbeutel und der Sud in den Bräter. Ich ließ alles kurz aufkochen und schmorte den Rotkohl anschließend abgedeckt ca. 30 Minuten. Anschließend köchelte er noch ca. 15 Minuten ohne Deckel, damit der Sud einkochen konnte. Nach dem Abkühlen fror ich den Rotkohl portionsweise ein.
Am letzten Samstag war endlich der große Tag gekommen. Das Ragout hatte 5 Tage in der Marinade verbracht. Ich ließ alles in einem Sieb über einer Schüssel gut abtropfen. Dann suchte ich die Fleischstücke heraus, tupfte sie trocken und briet sie allseitig an. Herr H. kochte inzwischen die Marinade auf und entfernte den Schaum.
Für das Rehragout:
- Öl zum Anbraten
- 1 TL Tomatenmark
- 1-2 EL Rotes Johannisbeergelee (ich: Brombeergelee)
- 25 g Saucenlebkuchen, gerieben
- Salz, schwarzer Pfeffer
Ich briet das Gemüse aus der Marinade ca. 3 Minuten an, gab das Rehragout, Tomatenmark und Gelee hinzu und löschte mit wenig Marinade ab. Nachdem sie verdunstet war, wiederholte ich den Vorgang noch zwei Mal. Danach salzte ich das Ragout leicht, goß die restliche Marinade an und ließ es zugedeckt bei kleiner Hitze ca. 1 Stunde köcheln. Ca. 10 Minuten vor Ende der Garzeit rieb Herr H. den Lebkuchen in das Ragout. Ich hatte inzwischen die Kartoffeln für die Klöße gegart.
Für die Kartoffelklöße (ca. 16 Stück, gute Golfballgröße):
- 900 g Kartoffeln, in der Schale gegart
- 3 Eigelb Gr. M
- 75 g Speisestärke
- 50 g flüssige Butter
- Salz, etwas Muskatabrieb
- Mehl zum Formen der Klöße
Ich pellte die heißen Kartoffeln, ließ sie durch die Kartoffelpresse, Herr Lafer empfiehlt, sie für einen glattere Konsistenz zweimal zu pressen, und gab die verquirlten Eigelbe, die Stärke, 1 TL Salz, etwas Muskatabrieb und die flüssige Butter hinzu. Zügig mischte ich den Kloßteig, da die noch warmen Kartoffeln die restlichen Zutaten besser aufnehmen. Anschließend formte ich auf der bemehlten Arbeitsfläche ein ca. 5cm dicke Rolle schnitt sie in ca. 16 Scheiben. herr H. rollte aus den Scheiben perfekt runde Klöße, die ich in leicht siedendem Wasser in ca. 10 Minuten gar ziehen ließ. Als sie an der Wasseroberfläche auftauchten, fischte ich sie mit der Schaumkelle hinaus und richtete die Teller an. Herr H. hatte inzwischen eine Portion Rotkohl erhitzt.
Fazit: Nach dem Fotografieren ließ sich Herr H. wohlig seufzend am Tisch nieder. Er probierte zuerst den Rotkohl und befand ihn für perfekt. Ich fand ihn für Rotkohl ganz Ok, was aber nicht zählt, da Rotkohl nicht mein Lieblingsgemüse ist. Das Rehragout war butterzart und schmeckte perfekt ausgewogen, leicht säuerlich, leicht süß und würzig. Die Kartöffelklöße waren absolut fluffig und versöhnten mich mit dem ungeliebten Rotkohl. Nach dem Essen war Herr H. so glücklich und milde gestimmt, dass er meine Kochvorschläge für die kommende Woche aus dem chinesischen Kochbuch großzügig abnickte.
(Eine kleine Portion Ragout und eine größe Porton Klöße schafften den Weg in unsere Mägen nicht mehr und warten nun im Eis auf ihre weitere Verwendung).
Rotkohl und Klöße aus: Der große Lafer Johann Lafer
Rehragout aus: Slow Cooking Hans Gerlach