Nichtwissen gewiss

gulasch 2Je länger ich mich mit der Aggregatveränderung von Nahrungsmitteln beschäftige, umso deutlicher tritt die unvermeidliche Erkenntnis zutage, wie wenig ich darüber weiß. Als ich noch kaum etwas wusste, nahm ich an, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Das hat sich inzwischen grundlegend verändert. Ich bin weit zurückgerudert und weiß jetzt, was ich nicht weiß. Und das ist eine ganze Menge. Warum, um nur ein Beispiel zu nennen, wird mit Kokosblütenzucker geschlagener Eischnee nicht steif? Ein echtes Rätsel. Andererseits kann ich inzwischen klarer einschätzen, was ich kann. Brücken schlagen, Analogien bilden und mich an bestimmte Details, mögen sie auch vor noch so langer Zeit in mein Bewusstsein gerückt sein, erinnern. Das alles hilft. Aber noch immer gelingt es mir nicht, völlig selbstständig den gewissen Dreh zu entwickeln. Dazu braucht es nach wie vor Inspiration, so wie hier. Ein ganz einfacher Trick, eigentlich. Wäre ich nur selbst darauf gekommen!

Für das Gulasch:

  • 4 Schalotten, in feine Scheiben geschnitten
  • Olivenöl zum Anbraten
  • 500 g Gulasch, halb Rind, halb Schwein (ich: Jungrind)
  • 1 knapper EL Tomatenmark
  • 170 g Rotwein
  • 250 g Fleischbrühe
  • 1 Lorbeerblatt
  • 2 Nelken
  • Rosenpaprika nach Belieben
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • ca. 1TL Pfeilwurzstärke in etwas kaltem Wasser gelöst

gulasch serieWie bei jedem Schmorgericht briet ich zunächst die Fleischwürfel portionsweise sehr scharf an, stellte sie beiseite und reduzierte die Temperatur. Nun durften die Schalotten ca. 10 – 15 Minuten im gleichen Topf braten. Dann gab ich das Tomatenmark hinzu, schmurgelte es kurz mit und fügte das Fleisch wieder hinzu. Ich löschte mit Rotwein und Brühe ab, gab die Gewürze hinzu und ließ das Gulasch ca. 1,5 Stunden bei schwacher Hitze köcheln. Anschließend siebte ich die Flüssigkeit ab, gab sie zurück in den (gesäuberten) Topf und reduzierte sie ca. auf die Hälfte. Sollte sie noch nicht sämig genug sein, kann mit Pfeilwurzstärke gebunden werden. Ich schmeckte noch einmal mit Salz und Pfeffer ab, gab das Fleisch zurück in die Sauce und stellte den Topf bis zum Servieren warm.

Für das Paprika-Tomaten-Topping:

  • 1 rote Paprika, grob gewürfelt
  • 3 – 4 kleine Tomaten
  • Olivenöl zum Braten
  • Zucker, Salz

paprika topping serieHerr H. hatte die Tomaten überbrüht, gehäutet, in Spalten geschnitten und entkernt und die Paprika gewürfelt. Er briet erst Paprika (ca. 5 Minuten) und dann Tomaten im Olivenöl an, bis beides den gewünschten Gargrad (bei uns eher weich) hatte, schmeckte mit Salz und Zucker ab und stellte das Topping ebenfalls warm. Die nächste Aufgabe wartete bereits auf ihn.

Für das Kartoffelpüree mit Vanille:

  • ca. 300 g Kartoffeln (geschält gewogen), grob gestückelt
  • 20 g Butter
  • 50 – 100 g Milch
  • Salz, weißer Pfeffer
  • etwas Vanillenschote, gemahlen

vanille pü serieKartoffelpüree bereiten wir beide völlig unterschiedlich zu. Herr H. schwört darauf, geschälte Kartoffelwürfel in Salzwasser zu garen, sie dann im Topf mit der Gabel zu zerdrücken und dann erst Butter und Milch einzuarbeiten, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. In diesem Fall schmeckte er das Püree zusätzlich mit etwas fein gemahlener Vanille ab. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Püree „besser“ wird, wenn man die Kartoffeln als Pellkartoffeln gart, noch heiß pellt und zweimal durch die Kartoffelpresse gibt. Butter und Milch erhitze ich, bevor ich die gepressten Kartoffeln zugebe, so dass das fertige Püree gleich die perfekte Temperatur hat. Da wir in dieser Frage beide kompromisslos sind, entscheidet vor jeder Püreebereitung der Münzwurf, so dass eine gerechte Abwechslung gewährleistet ist.

gulasch 4Fazit: Die Idee, Paprika und Tomaten nicht mit dem Fleisch mitzugaren, sondern sie separat als „Topping“ (was für ein Wort) zu servieren, gefiel uns beiden ausnehmend gut. Das Gulasch empfanden wir auf diese Art zubereitet als „purer“, aromatischer und mit einem kräftigeren Fleischgeschmack als Gulasch, das mit einer Vielzahl von Gemüsen gemeinsam geschmort wird. Paprika und Tomaten steuerten eine fruchtig-säuerliche Not bei und die Vanille im Püree ergänzte das Ganze vortrefflich und wer weiß, vielleicht bin ich in einigen Jahren auch soweit, mir so etwas selbst ausdenken zu können und wenn nicht. Nun, dann gibt es vermutlich immer noch genügend Inspiration von Außerhalb.

Aus: Neue Deutsche Küche Frank Rosin

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In dubio…

onglet mit shitake ketchup 3Mitte letzter Woche trudelte reichlich verspätet endlich Herrn H.s diesjähriges Geburtstagsgeschenk für mich ein. Wochenlang hatte ich mich gedulden müssen. Ungeduldig befreite ich es aus seiner Pappverpackung. Ein Kochbuch, was sonst? Aber eben nicht irgend eins. Das ca. DIN A4-formatige, cremefarbene Buch mit goldener Schnittverzierung atmete einen Duft von schlichter Eleganz und, ganz wichtig, auch beim Blättern musste ich nicht nach Luft schnappen. Viele neue Kochbücher riechen derart unangenehm, dass ich überhaupt keine Lust habe, etwas daraus zu kochen. Ich las sogleich den gesamten Einleitungstext und erfuhr, dass es sich bei den Rezepten um originale Restaurantrezepte handelt, die nur leicht für den Hausgebrauch modifiziert wurden. Herrlich. Endlich eine neue Herausforderung. Im Fleischkapitel setzte ich den ersten Marker. Das passende Stück Fleisch schlummerte schon seit einigen Wochen im Tiefkühler. Ansonsten fehlte nicht viel und am Wochenende konnten wir loslegen.

Für das Onglet (Marinade):

  • 50 g Gersten-Miso (oder braunes Reis-Miso)
  • 3 Knoblauchzehen, zerstoßen (ich: 1,5)
  • 1,5 EL Mirin
  • 1,5 EL Sake
  • 1,5 EL Sonnenblumenöl
  • 2 Onglet-Steaks, von Sehnen befreit, etwas Fett stehen gelassen (ca. 500g)

marinade serieDa mein Schlachter sehr gewissenhaft arbeitet, war das Onglet bereits von der Sehne befreit und perfekt vorbereitet. Ich mörserte die Knoblauchzehen zu einer feinen Paste, rührte die restlichen Zutaten ein und bestrich das Onglet beidseitig großzügig damit. Luftdicht verpackt durfte es nun ca. 24 Stunden marinieren. Soweit, so gut. Am nächsten Tag nahm ich das Onglet ca. 2 Stunden vor der Zubereitung aus dem Kühlschrank, entfernte die Marinade und ließ es abgedeckt Raumtemperatur annehmen. Im Rezept stand, man solle das Fleisch nun in einer heißen Grillpfanne 3 – 4 Minuten pro Seite anbraten und dann für weitere 3 – 4 Minuten bei 220°C bestrichen mit der Marinade gar ziehen lassen. Puh. Ganz schön heiß. In allen anderen Quellen, die ich zum Thema befragt hatte, wurde das Fleisch entweder sous-vide gegart und anschließend kurz angebraten oder kräftig angebraten und bei 70°C im Backofen für 10 – 15 Minuten nachziehen gelassen. Sollte ich mich auf das Rezept verlassen? Nachdem ich mich während der 24stündigen Marinierzeit erfolglos mit der Entscheidung herumgeschlagen hatte, sprach Herr H. ein Machtwort. Zur Not würden wir eben ein weiteres Onglet erwerben. Ich briet das Onglet also bei kräftiger Hitze allseitig an und ließ es 4 Minuten bei 220°C nachgaren. Es fühlte sich danach noch recht weich an. Herr H. steckte kurzerhand das Fleischthermometer ein. 55°C. Das sollte reichen. Bis zum Aufschneiden ließen wir das Onglet noch 10 Minuten ruhen.

Für den Shiitake-Ketchup (am Vortag zubereiten):

  • 100 g frische Shiitake-Pilze, in Hüte und Stiele getrennt, Hüte in Scheiben geschnitten
  • 6 g Kombu
  • 180 g Wasser
  • 20 g Zucker
  • 1 EL helle Sojasauce
  • 6 g Butter
  • 1/2 TL Sherryessig
  • grobes Meersalz, schwarzer Pfeffer

shitake ketchup serieIch gab Kombu, Pilzstiele und Wasser in einen Topf und ließ alles 15 Minuten einweichen. Dann erhitzte ich es bei mittlerer Temperatur ca. 6 Minuten, bis das Wasser kurz vor dem Sieden war. Herr H. goss die Brühe durch ein Sieb in eine Schale und stellte sie beiseite. Ich hatte in der Zwischenzeit den Zucker zu hellgelbem Karamell gekocht. Nun gab ich die Sojasauce dazu (vorsichtig, es spritzt!), rührte, bis sich alles verbunden hatte und gab die Pilzhüte dazu. Ich garte sie unter Rühren, bis ihre Feuchtigkeit verdampft war und sie vollkommen mit Karamell überzogen waren. Herr H. goss die Brühe an, die ich etwa um die Hälfte einkochen ließ. Anschließend pürierte ich alles, bis eine dicke glatte Sauce entstanden war. Während des Mixens gab ich Butter, Essig eine Prise Salz und Pfeffer hinzu. Am Ende des Vorgangs sollte die Sauce von samtiger Konsistenz sein. Ich füllte sie in ein Glas und stellte sie bis zum nächsten Tag. Sie hält sich gekühlt mindestens zwei Wochen.

Für den gebackenen Sellerie:

  • 1 Knollensellerie (ca. 1,2 kg), geputzt, gründlich gewaschen, Wurzelansatz entfernt
  • 1 EL Olivenöl
  • 2 TL grobes Meesalz

sellerie serieDer im Ofen gegarte Sellerie wurde im Kochbuch als perfekte Alternative zu Pommes Frites gepriesen und Herr H. war sofort Feuer und Flamme, als er ihn erblickte. Ich heizte den Backofen auf 190°C vor. Herr H. präparierte den Sellerie, rieb ihn rundherum mit Olivenöl ein und bestreute ihn mit grobem Meersalz. Ich schob ihn in den Backofen, Nach einer Stunde reduzierte ich die Temperatur auf 180°C, da er kräftig zu bräunen begann. Nach weiteren 1,5 Stunden, ließ sich die Knolle mühelos einstechen. Ich nahm sie aus dem Backofen und deckte sie bis zum Servieren mit Alufolie ab, damit sie nicht zu stark auskühlte.

Für die eingelegten Roten Zwiebeln & Grillgurken:

  • 1 Salatgurke, geschält (ich: entkernt), längs in 1cm breite Streifen geschnitten
  • Olivenöl zum Braten
  • 2 mittelgroße Rote Zwiebeln, geschält, in 3cm dicke Spalten geschnitten und Schichten getrennt (ca. 200 g)
  • 2 EL Sherryessig
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 1 EL Estragon, grob geschnitten

gemüse serieIch blanchierte die Zwiebeln ca. 4 Minuten in reichlich kochendem Salzwasser, schreckte sie kalt ab und ließ sie in einem Sieb abtropfen. Herr H. verrührte Sherryessig, Salz, Pfeffer und dann ca. 2 EL Olivenöl in einer Schüssel und gab die abgetropften Zwiebeln hinein. Ich briet die Gurkenstreifen ca 4 Minuten pro Seite, bis sie zu bräunen begannen (das geht in einer Grillpfanne wahrscheinlich eleganter). Nachdem sie etwas abgekühlt waren, schnitt ich sie in 2cm lange Stücke und mischte sie unter die Zwiebeln. Kurz vor dem Servieren gab ich den Estragon hinzu. Außerdem schmeckte ich erneut mit Essig und Salz ab, da die Gurken ordentlich „Geschmack“ schluckten. Nun konnten wir endlich das Onglet (immer quer zur Faser, da es ansonsten zäh werden soll) anschneiden.

onglet mit shitake ketchup 4Fazit: Und mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Das Fleisch war, auch auf diese Art gegart, perfekt, butterzart und sehr, sehr aromatisch. Absolut köstlich. Der ofengegarte Sellerie passte wie versprochen sehr gut und der Shiitake-Ketchup, dessen Farbe zugegebenermaßen eher unattraktiv wirkt, war geschmacklich eine echte Offenbarung. Allein das Zwiebel-Gurken-Gemüse vermochte uns nicht zu überzeugen. Entweder lag es am verwendeten Essig oder, ich habe keine Ahnung. Irgendwie fehlte ihm das gewisse Etwas. Natürlich schafften wir es an diesem Abend nicht, den ganzen Sellerie und das ganze Fleisch zu verspeisen. Ich habe gestern eine perfekte Verwendung dafür gefunden. Fortsetzung folgt!

Aus: Nopi Das Kochbuch Yotam Ottolenghi, Ramael Scully

 

 

Gut zusammengeschustert

cobbler 6Die Küche Großbritanniens ist mir kaum bekannt, obwohl das Land fast um die Ecke liegt. Das liegt nicht zuletzt an den schlimmen kulinarischen Erfahrungen, die ich mit 14 Jahren bei einem Schüleraustausch in Scunthorpe/ Northumberland machen musste. Die Mutter meiner Austauschschülerin war keine begeisterte Köchin. Außer an Toast mit Erdnussbutter kann ich mich an nichts Erwähnenswertes erinnern. Das Essen in der Schulkantine war absolut ungenießbar. Nur ein Sonntagsessen bei den Großeltern der Austauschschülerin offenbarte Interessantes wie Yorkshire-Pudding und Co., für die ich mich damals aber wenig erwärmen konnte. Das beiliegende Gemüse, das mich viel mehr interessierte, war weit jenseits des Garpunktes. Als Herr H. mir also begeistert vorschlug, wir müssten unbedingt ein englisches Cobbler-Rezept ausprobieren, sprang ich nicht gleich jubelnd vom Stuhl, aber ich ließ mich wie üblich überreden. Zumal der Name des Gerichts nicht, wie ich zunächst vermutet hatte, von cobble/ Pflasterstein, sondern von cobbler/ Flickschuster herrührt. Nichts Steinschweres, sondern etwas Zusammengeflicktes. Interessant.

Für das Rindfleischragout mit Fenchel und Champignons:

  • 500 g Rinderschmorfleisch, in mundgerechte Stücke geschnitten
  • Salz
  • 1 TL Mehl
  • 1 TL edelsüßes Paprikapulver
  • Butterschmalz zum Anbraten
  • 1 Zwiebel, in dünne Scheiben geschnitten
  • 1,5 Fenchelknollen, geputzt, grob gewürfelt
  • 1 kleine Möhre, fein gewürfelt
  • 1 Stückchen Knollensellerie, fein gewürfelt
  • 75 g trockener Weißwein
  • 500 g Rinder- oder Gemüsebrühe
  • 1 EL Tomatenmark
  • 250 g braune Champignons, blättrig geschnitten
  • 1 Prise Oregano
  • 1 TL Butter

Ragout serieIm Rezept steht, man solle das gewürfelte Fleisch in Mehl, Paprika, Pfeffer und Salz wenden und es danach anbraten. Außer Leber mehliere ich normalerweise nichts, was ich hinterher anbrate. Und wird Paprikapulver nicht bitter, wenn man es länger anbrät? Ich entschied mich für einen Kompromiss, mehlierte und salzte und briet die Würfel dann portionsweise an. Das werde ich allerdings nicht wiederholen, denn durch das Mehl setzten die Stückchen viel mehr an. Ich legte das Fleisch beiseite, briet die Zwiebeln schonend weich (ca. 8 Minuten), gab Fenchel, Möhre, Sellerie und Tomatenmark hinzu, ließ sie ca. 6 Minuten sanft braten und löschte mit dem Wein ab. Nachdem er ungefähr zur Hälfte reduziert war, gab ich das Fleisch in den Topf, bedeckte es mit Brühe und ließ das Ragout ca. 1,5 Stunden sanft köcheln. Als das Ragout fast fertig war, briet ich die Champignons zunächst ohne Fett an, gab, als sie zu bräunen begannen, Butter und Oregano hinzu und hob sie unter das Ragout.

Für den Cobbler-Teig:

  • 112 g Weizenmehl 405er
  • 4 g Backpulver
  • 2 g Salz
  • 37 g kalte Butter, gewürfelt
  • 50 g Buttermilch
  • 1 sehr kleines Ei (ca. 30 g) oder 1/2

teiglinge serieHerr H. gab Mehl, Salz, Backpulver (alles gemeinsam gesiebt) und Butterwürfel in einer Schüssel und zerrieb alles zu einer krümeligen Mischung. Dann verquirlte er Buttermilch und Ei und knetete sie unter. Flachgedrückt durfte der Teig in Folie gewickelt nun 30 Minuten kalt ruhen. Ich rollte ihn dann zwischen Folie aus (ca. 7mm dick) und legte ihn noch einmal für einige Minuten ins Eisfach, da er sehr weich und klebrig war. Dann stach ich mit dem 6,5cm Dessertring Kreise aus und legte sie leicht überlappend auf das Ragout.

füllen serieDas Ergebnis sah tatsächlich recht zusammengeschustert aus. Ich bestrich die Teigkreise mit Eigelb und schob den Bräter in den auf 200°C vorgeheizten Backofen. Nach ca. 30 Minuten waren die Teigkreise appetitlich gebräunt. Ich ließ den Topf noch 5 Minuten ruhen, bevor ich uns eine Portion auffüllte. Herr H. schnappte sich einen Teller und war nur wenige Minuten später wieder zurück. Erwartungsvoll setzten wir uns an den Tisch.

cobbler 3Fazit: Ich probierte zunächst ein Stückchen Teig. Es war luftig, saftig und hatte sich auf der Unterseite mit der köstlichen Sauce vollgesogen. Das Ragout war zwar schlicht, aber nicht minder schmackhaft. Herr H. stimmte mir zu und fragte, nachdem wir sukzessive tatsächlich den ganzen Topf geleert hatten, ob ich nun nicht Willens sei, meine Meinung über die britische Küche zu revidieren. Ihm habe es sehr geschmeckt und die praktische „Eintopfzubereitung“ sage ihm zu, eine perfekte Lösung, wenn gerade mal kein Brot im Tiefkühler sei. Ich musste nicht lange überlegen und werde mich in Zukunft verstärkt bei den Inselbewohnern umsehen.

Aus: Tartes, Quiches und Pies – Köstliches aus dem Ofen Caroline Bretherton, Jane Bamforth

Eine runde Sache

ossobuco 1Während der kurzen Kälteperiode Mitte letzter Woche saß ich morgens fröstelnd in der Küche und schmökerte in einem veganen Kochbuch, das ich neugierig aus dem immer weiter wachsenden Regalbestand in der Bücherhalle mitgenommen hatte. Ich las und las und meine Irritation wuchs proportional mit meinem Frieren. Bei Hunger zwischendurch solle ich doch einfach einen „djuus“  trinken. Und zum Abendessen empfählen sich ein knappes Kilogramm „Kohlrabispaghetti“ mit einer leichten Tomatensauce. Kurzerhand klappte ich das Buch mit blauen Fingern zu, öffnete den Gefrierschrank und taute zwei dicke Beinscheiben vom Rind zum Schmoren auf. Auch im Sommer kann etwas Wärmendes gelegentlich hilfreich sein. Nach einem geeigneten Rezept musste ich nicht lang suchen. Schon nicht mehr ganz so fröstelnd machte ich mich ans Werk.

Für das „Ossobuco“:

  • 2 große Kalbshaxenscheiben (ich: vom Rind, nicht ganz so fein, was soll’s)
  • 3 EL Olivenöl
  • 6 getrocknete Tomatenhälften
  • 1/2 Zwiebel, fein gewürfelt (ich: 1 weiße Zwiebel)
  • 1 Knoblauchzehe, fein gehackt
  • 2 Sellerieblätter, frisch oder getrocknet (ich: nicht zur Hand)
  • 1 Handvoll getrocknete Pilze, halb Steinpilze, halb Herbsttrompeten, 10 Minuten eingeweicht
  • 100 g Weißwein
  • 400 g Fleischbrühe oder Wasser und Fond
  • 1 EL Tomatenmark
  • 2 Lorbeerblätter, 2 Nelken
  • 2 Steifen Zitronenschale
  • 1 Rosmarinzweig
  • Salz, Pfeffer, Koriander, Piment, Piment d’Espelette
  • 2 TL Aceto balsamico
  • 250 g TK-Erbsen (ich: weg gelassen)
  • 2 EL Petersilie, fein gehackt (ich: weg gelassen)
  • Stärke, in Wasser aufgelöst, zum Binden

sosse serie

Ich wusch die Beinscheiben, tupfte sie trocken und band sie mit Küchengarn rund. Dann stellte ich die restlichen Zutaten bereit, heizte den Backofen auf 140°C vor und erhitzte das Öl im Bräter. Bei mittlerer Hitze bräunte ich Beinscheiben und Tomatenhälften an und nahm sie anschließend heraus. Nun schwitzte ich mit etwas mehr Öl Zwiebelwürfel und dann Knoblauch farblos an, gab das Tomatenmark hinzu und legte Beinscheiben und Tomatenhälften wieder ein. Ich löschte mit Weißwein ab, ließ ihn etwas auf die Hälfte reduzieren, fügte alle Gewürze bis auf Pilze, Zitronenschale und Rosmarin hinzu und goß das Fond-Wasser-Gemisch hinein. Nach einer Stunde Schmorens im Ofen fügte ich die Pilze hinzu, nach einer weiteren Rosmarin und Zitronenschale. Ich reduzierte die Temperatur auf 120°C und ließ den Topf eine weiter Stunde im Ofen, ausgewachsene Beine brauchen etwas länger, um mürb zu werden. Nach der Garzeit nahm ich die Scheiben aus dem Topf, siebte die Sauce, gab sie zurück in den Topf und band sie mit etwas aufgelöster Stärke. Ich legte die Scheiben wieder hinein und hielt sie im Ofen warm.

Für das Kartoffelpüree:

  • 300 – 500 g Kartoffeln, in der Schale gegart, ausgedampft
  • ca. 100 g Milch, erwärmt
  • ca. 40 g Butter (mehr schadet keineswegs)
  • Salz, schwarzer Pfeffer

pü serie

Herr H., der inzwischen hungrig eingetrudelt war, freute sich über den köstlichen Duft, der durch die Wohnung zog. Er kümmerte sich sogleich um das Püree. Ich hatte die Kartoffeln bereits gepellt und durch die Kartoffelpresse gegeben. Er fügte die warme Milch, die Butter und Salz hinzu und schlug das Püree mit dem Schneebesen auf. Und siehe da, es klappte sogar bestens mit (abgelagerten) festkochenden Kartoffel. Herr H. würzte das Püree mit etwas Pfeffer und stellte es warm.

Für die glasierten Vanille-Möhren:

  • 1 große gelbe Möhre, schräg in dünne Scheiben geschnitten
  • 2-3 orange Möhren, schräg in dünne Scheiben geschnitten
  • 2-3 EL Vanilleöl
  • 1 große lila Möhre, schräg in dünne Scheiben geschnitten
  • etwas Honig, Salz

möhren serie

Ich erhitzte das Vanilleöl in zwei kleinen Töpfen, gab orange und gelbe Scheiben in den einen und die lila Möhre in den anderen, da sie sehr stark färbt. Ich würzte mit etwas Honig und Salz und ließ die Möhren ca. 20 Minuten bei schwacher Hitze im eigenen Saft dünsten. Herr H. hatte in der Zwischenzeit die Gremolata präpariert.

Für die Gremolata:

  • 3 Streifen Zitronenschale, fein gehackt
  • 2 EL glatte Petersilie, fein gehackt
  • (ich: 2 EL Koriander, fein gehackt
  • 1 Knoblauchzehe, fein gehackt (ich: 1/2, da sie alt und streng war)

gremulata serieIch nahm die Töpfe aus dem Ofen, richtete an und erzählte Herrn H. von meiner morgendlichen Lektüre. Er fröstelte kurz, sah mich dankbar an und machte sich sogleich ans Fotografieren. Und dann endlich konnten wir den fleischlichen Genüssen fröhnen.

ossobuco 4Fazit: Diese Sauce. Unglaublich. Herr H. wiederholte mindestens drei Mal, dass es die beste sei, die ich je zustande gebracht hätte. Ich schwieg und genoss. Eine absolut perfekte Kombination, auch die Vanille-Möhren passten. Einziger Wehmutstropfen waren die doch recht kräftigen Sehnen der Beinscheibe, nächstes Mal werde ich die passenden besorgen!