Sammelsurium 2.0

Es ist leicht, sich in Sicherheit zu wiegen. Je älter man wird, desto mehr an Erfahrungen und Erlebnissen haben sich angesammelt. Wird man mit Neuem konfrontiert, setzt als erster Reflex nun oft Abwehr ein. Kenne ich schon, habe ich schon einmal so ähnlich gemacht oder probiert. Fazit: muss nicht ausprobiert werden. Umso mehr freue ich mich über Herrn H.s und meine unverwüstliche Neugier. Zwar dachten wir, wir hätten bereits ein herausragendes Rezept für Hühnerfrikassee gefunden, aber wer weiß, vielleicht würde das neue ja doch noch ein My besser sein? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und so machten wir uns gestern Abend, als ohnehin ein Topf mit Hühnerfond auf dem Herd köchelte, sogleich ans Werk. Es empfiehlt sich jedoch, rechtzeitig mit dem Kochen zu beginnen, da ca. zwei Stunden verstreichen, ehe man das „Sammelsurium“ auf den Teller füllen kann.

Für das Frikassee vom Huhn mit dicken Bohnen und Navetten:

  • je 1 Hühnerbrust und -keule, gehäutet (Haut aufheben!), insgesamt ca. 500 g
  • 500 g Hühnerfond A
  • 1 Lorbeerblatt
  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 1 kleine Kartoffel, geschält fein gewürfelt
  • 20 g Butter
  • 30 g Noilly Prat
  • 250 g Hühnerfond B
  • 75 g Crème double oder Sahne
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 1 Msp. Piment, gemahlen
  • 1/2 TL Zitronenabrieb, fein gehackt
  • 100 g Perlzwiebeln, kurz in warmes Wasser gelegt, geschält
  • 1 Navette (ca. 200 g), geschält, gewürfelt
  • 100 g Dicke Bohnen
  • 125 g weiße Champignons, blättrig geschnitten
  • Kapernbeeren zum Anrichten
  • Langkornreis, gegart, nach Belieben

Während Herr H. sich dem Mis en place widmete, kochte ich 500 g vom frischen Hühnerfond aus und legte das Lorbeerblatt und das gehäutete Hühnerbein ein. Nach 10 Minuten sanften Köchelns, gab ich die Brust hinzu und ließ alles weitere 10 Minuten köcheln. Anschließend entnahm ich das Fleisch, ließ den Fond durch das feine Sieb und mass 250 g für die Sauce davon ab. Der Rest hält sich im Kühlschrank mindestens eine Woche. Während das Fleisch garte, hatte ich zudem die Haut auf Backpapier ausgebreitet. Ich klappte das Papier darüber, beschwerte die ausgebreitete Haut mit einem Blech und schob die Konstruktion in den auf 150°C vorgeheizten Backofen. Nach ca. 30 Minuten war bereits recht viel Fett ausgetreten. Ich tupfte es ab und beließ die Haut unbedeckt weitere 20 Minuten im Backofen, bis sie gebräunt und sehr knusprig war.

Herr H. hatte inzwischen die Butter zerlassen, Schalotte und Kartoffel ca. 2 Minuten lang darin farblos angeschwitzt und mit Noilly Prat abgelöscht. Nachdem er eingekocht war, gab er Fond und Sahne hinzu und ließ alles offen ca. 20 Minuten köcheln. Dann schmeckte er mit Salz, Pfeffer, Piment und Zitronenabrieb ab und pürierte die Sauce gründlich. Wer mag, kann sie noch zusätzlich durch ein feines Sieb geben, uns war sie so cremig genug. Herr H. löste das inzwischen abgekühlte Fleisch aus, schnitt es in mundgerechte Würfel und legte es zum Aufwärmen in die fertige Sauce.

Ich hatte inzwischen die Champignons ohne Fett gebraten, die Navette 8 Minuten in wenig Fond bissfest gegart und die Perlzwiebeln ebenfalls in Fond ca. 12 Minuten gegart. Fehlten noch die Dicken Bohnen. Zum Glück hatte Herr H. sie bereits gehäutet. Ich köchelte die ebenfalls in Fond ca. 8 Minuten, schreckte sie kalt ab und gab sie mit dem restlichen Gemüse, das ich leicht gesalzen hatte zur Sauce und ließ es noch ca. 10 Minuten darin ziehen. Herr H. nahm die vorgewärmten Teller auf dem Ofen, gab etwas Reis und etwas mehr Frikassee darauf und garnierte mit etwas dafür beiseite gelegtem Gemüse, knuspriger Haut und Kapernbeeren. Frischer Kerbel hätte sich garantiert auch gut gemacht, war aber aus. Während Herr H. sich mit dem Fototeller vergnügte, verräumte ich die gefühlt an die 1000 Kochutensilien und empfand wieder einmal riesige Dankbarkeit meiner Spülmaschine gegenüber.

Fazit: Mir war bereits nach dem ersten Löffel Frikassee klar, dass sich dieses Wagnis definitiv gelohnt hatte und Herr H. brummte nur, „gewaltig, ganz gewaltig“. Was aus seinem Mund schon ein starkes Stück ist. Die Sauce war perfekt abgeschmeckt, das Fleisch butterzart und Navetten, Champignons und Dicke Bohnen perfekte Begleiter. Die extrem knusprige Hühnerhaut (von uns hinzu gefügt, im Rezept scheint sie tatsächlich entsorgt zu werden) war herrlich aromatisch und steuerte für meinen Geschmack das gewisse Etwas bei. Die Kapernbeeren sorgten für senfig-säuerliche Noten. Allein die Perlzwiebeln schienen geschmacklich ein wenig unterzugehen. Die hätte es nicht unbedingt gebraucht.

Frei nach: Deutsche Küche 2.0 Süddeutsche Zeitung Edition – Tre Torri

 

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Don’t look back!

Lammragout 1

Rückblicke können bekanntermaßen recht schwerwiegende Folgen haben. Im Moment des Rückblicks erstarrt man, verharrt in der Bewertung vergangener Geschehnisse, die so ein für alle Mal einsortiert, etikettiert und verstaut werden. Dabei kann ein Blick aus ungewohntem Winkel auch alten Ereignissen immer wieder neue Erkenntnisse abluchsen. Nichts kann je abschließend betrachtet werden, da immer wieder ein Puzzleteil fehlt. Ich verzichte an dieser Stelle also bewusst. Das eine Jahr neigt sich dem Ende, ein neues wird in Bälde beginnen und so geht es ewig weiter, zumindest ein kurzes Menschenleben lang. Herr H. und ich widmeten uns in den vergangenen Tagen lieber bewusst dem Genuss unbekannter Speisen. Es sind ein paar äußerst gelungene Gerichte dabei gewesen, die ich statt eines Rückblicks in den letzten Tagen dieses Jahres teilen möchte. Als erstes querte dieses herrliche Schmorgericht unseren Weg.

Für das Lammragout mit Oliven und Lavendel:

  • 500 g Lammschulter, pariert, in 3cm große Würfel geschnitten
  • grobes Meersalz
  • 1 frische Knoblauchzehe, im Mörser zu Paste gerieben
  • Olivenöl
  • 1/2 TL Paprikapulver edelsüss
  • Abrieb 1/4 Zitrone
  • 1 TL Tomatenmark
  • ca. 200 g Rotwein, trocken
  • 1 Zweig Rosmarin, 3 Zweige Thymian, 1 Lorbeerblatt
  • ca. 200 g Lammfond
  • Gemüse (siehe unten)
  • 40 g kleine schwarze (milde) Oliven, entkernt, halbiert
  • 1/2 TL getrocknete Lavendelblüten
  • evtl. 1 TL Pfeilwurzstärke, in wenig Wasser gelöst

Lammragout Serie

Während Herr H. die übrigen Zutaten bereit stellte, briet ich die gesalzenen Lammwürfel portionsweise bei starker Hitze an. Dann gab ich alle Würfel zurück in den Bräter, fügte den zerstoßenen Knoblauch, Paprikapulver und Zitronenabrieb hinzu und rührte alles gemeinsam mit den Tomatenmark unter. Nach kurzem Braten löschte ich mit Rotwein ab, ließ ihn etwas einkochen und bedeckte das Fleisch dann knapp mit Lammfond. Herr H. legte die mit Küchengarn zusammengebundenen Kräuter ein. Anschließend durfte das Ragout 1 Stunde abgedeckt bei schwacher Hitze schmoren. Danach rührte ich das vorgegarte Gemüse unter und ließ alles eine weitere halbe Stunde garen. Vor dem Servieren schmeckte ich mit Salz und Pfeffer ab, band die Sauce mit wenig aufgelöster Pfeilwurzstärke und gab Oliven und Lavendelblüten hinzu. Allein der Geruch des Ragouts war überwältigend gut.

Für das Gemüse:

  • 50 g Perlzwiebeln oder kleine Schalotten, halbiert
  • 100 g Teltower Rübchen oder Navetten, gestückelt
  • 300 g Kürbis (Muskat, Hokkaido oder Butternut), gestückelt
  • 1 TL Butter
  • 1 TL brauner Zucker, Salz

Gemüse Serie

Herr H. ließ die Butter in der Pfanne aufschäumen, briet das Gemüse ca. 5 Minuten kräftig darin an und gab dann Zucker und Salz hinzu. Nachdem das Gemüse appetitlich karamellisiert war und das Ragout eine Stunde Schmorzeit hinter sich hatte, durfte es dem Lamm Gesellschaft leisten (siehe oben). Während der Schmorzeit überlegten Herr H. und ich fieberhaft, was wir zum Auftunken der köstlich duftenden Sauce servieren könnten. Kartoffelpüree lag nahe, wurde jedoch sogleich verworfen, weil es einfach zu häufig auf unserem Tisch steht. Das galt auch für Baguette. Ich erinnerte mich zum Glück daran, bei Susi/ Prostmahlzeit eine andere Kartoffelzubereitung zum Lamm serviert gesehen zu haben. Die Hasselback-Kartoffel. Et voilà. Stefanie/ Hefe-und-mehr steuerte den narrensicheren Trick zum Einschneiden der Kartoffeln bei und so war unsere Beilagensuche schnell beendet. Meine Kartoffeln brauchten ca. 50 Minuten bei 190°C Ober- und Unterhitze. Die Garzeit ist natürlich von der Größe der verwendeten Kartoffeln abhängig. Der Gargrad lässt sich zwischendurch einfach mit einem spitzen Messer kontrollieren.

Lammragout 2

Fazit: Das Lammragout schmeckte uns tatsächlich noch viel besser als es bei der Zubereitung geduftet hatte, eine wirklich perfekte Kombination. Wir leerten erstaunlicherweise den gesamten Inhalt des Bräters in kürzester Zeit. Die gebackenen Kartoffeln mit Irokesenschnitt machten sich nicht nur optisch bestens dazu. Das Ragout lässt sich bis zum Punkt der Zusammenführung von Fleisch und Gemüse bereits am Vortag vorbereiten und ist somit auch zur Gästebeköstigung bestens geeignet. Wir hatten zum Glück keine.

Aus: Das große Buch der Saucen Teubner, Gräfe und Unzer, Ganske Verlagsgruppe (1. Auflage 2015)