Perlen aus dem „Nichts“

Gefüllte Perlhungbrust mit Ragout 3

Das war Ostern. Schön ist es gewesen. Der Frühling gab am Samstag einen kurzen Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Wochen kommen wird. Doch Herr H. und ich nutzten das herrliche Wetter nicht etwa für eine ausgedehnte Radtour oder eine Wanderung, sondern für einen Besuch im Elektrofachmarkt des Vertrauens. Es war schon vorher klar, dass wir nicht unter drei Geräten davon kämen. Eines von ihnen war der lange angedachte Vakuumierer. Der sich rasch ausbreitende Gefrierbrand auf der kostbaren Schätzen im Eis hatte mich schon länger sehr gestört. Als wir am Sonntag heimkehrten, räumten wir sogleich den gesamten Inhalt des Gefrierschranks aus, vakuumierten, was das Zeug hielt und legten gleichzeitig eine Inventarliste an. Ich hoffe, dass die nötige Disziplin zum Aktualisieren dieser Liste nicht allzu schnell erlahmen wird. Denn den Inhalt des Schranks zu überblicken, ohne ihn stundenlang zu öffnen und zu durchforsten, ist schon eine verdammt feine Sache. Unter den aufgetauchten Schätzen aus dem Eis befand sich auch ein vollkommen „vergessenes“ Perlhuhn, dass wir sogleich über Nacht zum Auftauen in den Kühlschrank legten. Es geht doch nichts über ein unerwartetes, feines Hühnergericht am Ostermontag.

Für den Perlhuhnjus:

  • Karkasse eines Perlhuhns, von allzu fetten Zonen befreit, grob zerteilt
  • 2 kleine Möhren, fein gewürfelt
  • 1 Scheibe Knollensellerie, fein gewürfelt
  • 1 kleine Zwiebel, fein gewürfelt
  • 1 TL Tomatenmark
  • Stiele von 1 Bund Petersilie, grob gehackt
  • 2 Lorbeerblätter
  • 300 g Rotwein
  • 300 g Wasser
  • 1 – 2 Tropfen Trüffelöl
  • ca. 20 g kalte Butter, gewürfelt
  • Salz, schwarzer Pfeffer

jus serie

Herr H. röstete Karkasse, Wurzelwerk, Zwiebel und Tomatenmark im Backofen bei 200°C ca. 15 – 20 Minuten an, bis die Knochen Farbe anzunehmen begannen. Er nahm den Bräter heraus, stellte ihn auf die Platte und gab Petersilienstiele, Lorbeer, Wein und Wasser hinzu. Nach dem Aufkochen ließ er alles ca. 45 Minuten sanft köcheln. Anschließend passierte er die Flüssigkeit durch das feinste Sieb, gab sie zurück in den gereinigten Topf und reduzierte sie auf ca.100 ml. Er zog den Topf vom Herd, band den Jus mit stückchenweise eingerührter kalter Butter und schmeckte mit Salz, Pfeffer und Trüffelöl ab. Den fertigen Jus hielt er warm.

Für die Füllung der Perlhuhnbrüste:

  • 50 g vorgegarte Maronen
  • 2 EL Frischkäse
  • 1 TL Panko
  • 1/4 TL Fenchel, gemahlen
  • Salz, einige Paradieskörner, gemahlen (alternativ schwarzer Pfeffer)
  • 1 – 2 EL Eiweiß

füllung serie

Die Idee zur Füllung kam mir beim Stöbern im Lieblingskochbuch*. Ich gab alle Zutaten in den Zerkleinerer und ließ ihn laufen, bis die Masse mittelfein zerkleinert war. Die Konsistenz sollte eher etwas fester sein. Das Eiweiß dient der Stabilisierung beim Garen. Da eine Perlhuhnbrust nicht so dick ist, dass man sie zum Füllen einschneiden kann, beschloss ich, die beiden einfach aufeinander zu legen und die Füllung dazwischen zu streichen. Fixieren wollte ich alles mit einigen Streifen Lardo.

füllen serie

Ich legte die Lardo-Scheiben überlappend auf eine flexible Schneidematte, legte die erste Brust ins untere Drittel, verteilte die Füllung darauf und legte die zweite Brust darüber. Nun kam der kniffelige Teil. Der hauchfein geschnittene Lardo war nicht besonders reißfest. Vorsichtig legte ich den kürzeren Teil der Scheiben auf das Huhn und rollte es sehr, sehr langsam weiter auf. Ich hatte Glück, nur eine Scheibe wies danach einen winzigen Riss auf. Herr H. briet das Päckchen allseitig in einem Hauch Olivenöl an, bis der Lardo appetitlich gebräunt war. Dann legte er es auf einen vorgewärmten Teller in den auf 100°C vorgeheizten Backofen. Es dauerte ca. 15 Minuten, bis die Brust eine Kerntemperatur von 70°C hatte. Ich hatte inzwischen die übrigen „Elemente“ fertig gestellt.

Für das Perlhuhnschenkel-Ragout:

  • 2 Perlhuhnschenkel und Flügel, gebraten, abgekühlt
  • 150 g gelbe Zuccchini, grob gewürfelt
  • 150 g gelbe Möhre, in Scheiben geschnitten
  • einige EL Jus (s. o.)
  • etwas Süßrahmbutter
  • Salz, schwarzer Pfeffer

ragout serie

Ich garte zunächst Möhre und dann Zucchini in wenig Olivenöl, sie sollten dabei noch Biss behalten. Dann gab ich das ausgelöste, grob gehackte Fleisch und den Jus hinzu und ließ alles kurz köcheln. Schließlich band ich mit wenig kalter Butter, schmeckte mit Salz und Pfeffer ab und stellte das Ragout warm.

Für die karamellisierten Kartoffeln und Maronen:

  • 300 g kleine Kartoffeln (Drillinge), in den Schale gegart, abgekühlt
  • 50 g vorgegarte Maronen
  • 1 TL Zucker
  • Salz

Kartoffel maronen serie

Nachdem ich die Kartoffeln gepellt hatte, erhitzte ich ewas Olivenöl in den Wokpfanne, gab die Kartoffeln hinzu und ließ sie einige Minuten bei mittlerer Hitze braten. Dann gab ich die Maronen in die Pfanne, streute den Zucker darüber und ließ alles braten, bis die Kartoffeln leicht gebräunt waren. Herr H. schmeckte mit etwas Salz ab und stellte die vorgewärmten Teller zum Anrichten bereit.

Gefüllte Perlhungbrust mit Ragout 2

Fazit: Nachdem er auf die Schnelle wenige Bilder gemacht hatte, ja, auch wir sind keine Fans von kaltem Essen und das auf den Bilder festgehaltene Essen ist stets auch das, was schließlich in unseren Mägen landet, konnten wir endlich kosten. Die gefüllte, Lardo-umwickelte Brust war wunderbar zart und nicht einmal ansatzweise trocken. Die Füllung passte bestens, besonders die feine Fenchelnote gefiel mir sehr. Kartoffeln und Ragout begleiteten sie würdig und ich bin fast ein wenig traurig, dass ich in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr so häufig auf unvermutete, da vergessene, Perlen aus dem Eis stoßen werde. Das ist eben der Preis für die „Ordnung“.

* Das Lexikon der Aromen- und Geschmackskombinationen Karen Page, Andrew Dornburg

weitere Inspiration aus: Olivenöl Das Kochbuch Bastian Jordan, Fotografie: Daniel Esswein

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Am Anfang war das Pü

kalbsschnitzel 4Jeder Widerstand war zwecklos. Herr H. verlangte nach Tagen des ausschließlichen ottolenghischen Gemüseverzehrs nach Fleisch. Ich ging in den Keller und förderte nach kurzem Suchen ein Paket Kalbsschnitzel zutage. Während es auftaute, diskutierten wir die Art der Zubereitung. Ich hatte mich bereits beim ersten Blättern in ein wunderschön fotografiertes Püree verliebt, das allerdings als Beilage zu herzhaftem Wild oder zarter Entenbrust empfohlen wurde. Herr H. war skeptisch, da Kalbsschnitzel ja eher fein im Geschmack seien. Sein Rezeptfavorit schlug als Beilage cremige Polenta vor. Ich sah ihn einfach an. Lange. Er erwiderte meinen Blick und zuckte schließlich die Schultern. So einfach kann nonverbale Kommunikation sein. Wir riskierten die schräge Kombination und legten los.

Für das Kartoffel-Maronen-Püree:

  • 300 g mehligkochende Kartoffeln (ich: festkochende), geschält, grob gewürfelt
  • 100 g vorgegarte Maronen
  • 1 Lorbeerblatt
  • ca. 50 – 80 g Sahne
  • 1 Stück Zitronenschale (ich: Meyer, so lange es noch hat)
  • 25 g Butter
  • Salz, schwarzer, Pfeffer, Muskat

kartoffel maronen pü serieHerr H. garte die Kartoffeln, goß das Wasser ab und gab die Maronen hinzu, damit sie sich leicht erwärmten. Dann kochte er Butter und Sahne mit der Zitronenschale auf und ließ sie 10 Minuten ziehen. Ich gab Kartoffelstücke und Maronen gemeinsam portionsweise durch die Kartoffelpresse in die Sahne. Herr H. hatte zuvor die Zitronenschale entfernt. Ich hob das Püree kurz durch, schmeckte mit Salz, Pfeffer und Muskat ab und stellte den zugedeckten Topf im Backofen warm. Da mir das Gericht an sich noch etwas zu gemüsearm war, entschied ich mich, noch ein paar honigglasierte Zitronenmöhrchen dazu zu servieren. Möhren gehen immer, da bin ich ganz bei Susanne.

Für die honigglasierten Zitronenmöhren:

  • Möhren nach Belieben, ich schätze, es waren um die 300 – 400 g, in dünne Scheiben geschnitten
  • 1 Frühlingszwiebel, in dünne Ringe geschnitten
  • Olivenöl
  • 1 TL Honig
  • 1 EL Zitronensaft (von „normaler“ Zitrone vielleicht weniger)
  • Salz, weißer Pfeffer

möhren serieIch erhitzte etwas Olivenöl bei mittlerer Hitze und briet Möhrenscheiben und Frühlingszwiebelröllchen einige Minuten darin an. Dann legte ich den Deckel auf, reduzierte die Hitze und ließ sie ca. 20 Minuten leicht im eigenen Saft schmurgeln. Dann schaltete ich die Hitze wieder höher, gab Honig, Zitronensaft, Salz und Pfeffer hinzu und glasierte sie unter Rühren. Nun durfte auch dieser Topf abgedeckt in Parkposition.

Für die Balsamico-Maronen:

  • 50 g Maronen
  • 25 g Butter
  • 1 EL Honig
  • 1 EL Acetato balsamico
  • 50 g Geflügelfond

sosse serieIch ließ Butter und Honig im Topf schmelzen, gab die Maronen hinzu und ließ sie kurz karamellisieren. Dann löschte ich mit Essig und Fond ab und ließ die Flüssigkeit einreduzieren, bis sie eine leicht sirupartige Konsistenz hatte. Ich schmeckte mit Salz und Pfeffer ab und stellte auch diesen Topf abgedeckt in den Backofen.

Für die Zitronen-Kalbsschnitzelchen:

  • ca. 350 g Kalbsschnitzel
  • 1 TL Senf
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • Schale 1/2 Zitrone, abgerieben
  • Olivenöl

fleisch braten serieHerr H hatte derweil die Schnitzel trocken getupft, leicht geklopft, einseitig dünn mit Senf bestrichen, gesalzen und auf der Senfseite mit Zitronenabrieb bestreut. Nun erhitzte er das Olivenöl in der Pfanne und briet die Schnitzel portionsweise an. Erst auf der nicht bestrichenen Seite für eine Minute, dann auf der anderen Seite noch eine Minute. Anschließend legte er die Schnitzel auf einen vorgewärmten Teller und stellte sie für ca. 20 Minuten in den auf 80°C vorgeheizten Backofen. Ich hatte zwar Bedenken, dass die Schnitzel dadurch übergart werden würden, aber so stand es nun einmal im Rezept.

kalbsschnitzel 5Fazit: Nachdem die Bilder im Kasten waren, setzten wir uns an den Küchentisch und probierten. Dass das Kartoffel-Maronen-Püree sehr fein schmeckte, hatte ich bereits beim Abschmecken feststellen können. Also schnitt ich mir zuerst ein Stückchen Schnitzel ab. Es war absolut perfekt gegart! Zumindest für meinen Geschmack, es war innen noch leicht rosa und herrlich zart. Herr H. probierte sich derweil durch sämtliche Kombinationsmöglichkeiten durch und befand, dass alles bestens passte. Manchmal zahlt sich der Mut, Ungewöhnliches zu wagen tatsächlich aus.

Kalbsschnitzel aus: Mein Küchenjahr Annemarie Wildeisen

Kartoffel-Maronepüree aus: Edle Kastanien – Begehrte Delikatessen Sonja Schubert, Barbara Lutterbek

 

 

Tschüss, November!

Steinpilz-Radicchio Risotto 1Jetzt kann ich es ja sagen, du hast es mir in diesem Jahr nicht leicht gemacht. Gerade als ich dachte, dir ein Schnippchen geschlagen zu haben und dir lächelnd und gleichmütig begegnen zu können, hast du mich mit deinem Grauen hinterrücks überrumpelt. Dabei habe ich nichts unversucht gelassen. Ich war täglich mindestens zwei Stunden an der frischen Luft, habe trainiert, köstliches Seelenwärmeressen gekocht und sogar, entgegen aller meiner Prinzipien, die Heizung schon vor dem ersten Frost aufgedreht – allein, es nützte alles nichts. Ich hatte viele Pläne, was wollte ich nicht alles Spannendes backen. An Zeit hat es auch nicht gemangelt. Aber wann immer ich mich an ein neues Projekt machen wollte, stöhnt die innere Stimme, „ich maaaag nicht, das können wir doch auch morgen noch machen, ich habe keine Luuhuust.“ Und so ergab ich mich klaglos. Auch dieser Monat würde vorübergehen und ich würde seinen Abschied gebührend feiern.

Für das Steinpilz-Radicchio-Risotto:

  • 125 g Risottoreis
  • 1 kleine rote Zwiebel, fein gehackt
  • 1 mittlerer Kopf Radicchio, in Streifen geschnitten
  • 100 g frische Steinpilze (ich: TK)
  • 600 g Gemüse- oder Geflügelfond, leise köchelnd
  • 50 g Weißwein
  • 1 EL Acetato Balsamico
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 25 g Butter
  • 25 – 50 g Parmesan, fein gerieben
  • 100 g Maronen, vorgegart (ich: weg gelassen, stattdessen 1 EL frischer Dill aus dem TK + 100 g Speck, gewürfelt)

zutaten serieDer Radicchio war unter mysteriösen Umständen eingezogen, einer dieser Spontankäufe. Man hört zwar überall, dass die Gemüsebauern den bitteren Gemüsen aller Bitterstoffe weggezüchtet hätten, aber dieser Radicchio war so bitter, dass Herr H. nach einer kleinen Kostprobe unwillig das Gesicht verzog. Ob ich sicher sei, dass das Risotto mit einer so großen Menge an Bittergemüse essbar werden würde. Ich zerstreute seine Bedenken erfolgreich und drückte ihm das Messer in die Hand.

Während er noch schnitt, dünste ich die rote Zwiebel langsam in einer Olivenöl-Butter-Mischung weich. Nach knapp 10 Minuten gab ich den Reis hinzu, schwitze ihn kurz mit und löschte mit Weißwein ab. Nachdem er verdunstet war, gab ich sukzessive den Fond hinzu, ließ ihn vom Reis absorbieren, etc. Kurz vor Ende der Garzeit gab ich Radicchio und Steinpilze in die Pfanne und ließ sie noch ca. 10 Minuten mitgaren. Fertig. Ich rührte Butter, Parmesan, Balsamico und Dill unter und schmeckte noch einmal mit Salz und Pfeffer ab. Nun durfte es 5 Minuten ruhen. Herr H. hatte in der Zwischenzeit die Speckwürfel knusprig gebraten und auf Papier abtopfen lassen. Ich verteilte das Rosotto auf zwei Schalen und bestreute es mit Speck.

Steinpilz-Radicchio Risotto 2Fazit: Als Herr H. die Schale in die Hand nahm, um sie zum „Fototisch“ zu tragen, stutzte er. Das Kochbuch lag noch aufgeschlagen auf dem Küchentisch und auf dem Bild war ein herrlich weinrot leuchtender Radicchio zu sehen. Sein Blick wanderte ungläubig vom Foto zur Schale. Nun ja, sagte ich lappidar, gegarter Radicchio nimmt leider eine etwas ungünstig braune Farbe an, da kann man nichts machen. Es sei denn man möchte ihn roh essen. Er schüttelte leicht den Kopf und machte sich ans Werk. Ich holte derweil eine Flasche Wein aus dem Keller, eine von den „guten“, lang gehorteten. Der Anlass erschien mir gebührend genug. Wir setzten uns an den Tisch. Herr H. probierte. Beim ersten Bissen war er noch zögerlich, wusste nicht so recht, ob es ihm wirklich schmeckte. Aber nach der dritten Gabel verlor sich die Skepsis. Die Bitternote des Radicchio fügte sich sich in die Cremigkeit des Risotto und Steinpilze und Speck hielten tapfer dagegen. Nach diesem fulminanten Abschied sehe ich dem Winter nun wieder positiv und voller Tatendrang entgegen und vergesse einfach mal, dass in elf Monaten der nächste November vor der Tür stehen wird.

Aus (modifiziert): Edle Kastanien – Begehrte Delikatessen Sonja Schubert, Barbara Lutterbek

Seelentröstung vegetarisch?

Maronenrisotto 2Als ich Anfang  November Sabines/ Schmeckt nach mehr Aufruf zum Event „Vegetarisches Seelenfutter“ las, dachte ich spontan, hey, was für eine schöne Idee und es wird mir sicher leicht fallen, ein Gericht zu finden. Inzwischen ist der Monat fast rum und es gestaltete sich überraschend schwierig, ein geeignetes Gericht zu finden. Überraschend, da ich recht häufig vegetarisch oder ausversehen vegan koche. Das ergibt sich einfach, ohne dass ich mir großartig Gedanken darum machen muss. Normalerweise. Aber irgendwie scheint dieses Jahr alles anders zu sein. Seit der Zeitumstellung schlage ich mich mit einem absurd hohem Schlafbedürfnis und einem unbändigem Appetit auf Fleisch herum. Es muss nicht gleich ein Braten oder ein Steak sein, aber die Salami auf der tröstlichen Pizza, das Hack im feurigen Chili oder der knusprige Speck über dem Risotto “ Holsteiner Art“. Eine Art „Fleischbeilage“ halt. Ohne die scheint es gerade nicht zu gehen. Zum Glück entdeckte Herr H. kürzlich ein Rezept, dass ihm nicht mehr aus dem Kopf ging und so probierten wir es aus, obwohl ich anfangs recht skeptisch war.

Für das Lauchrisotto mit Kastanien:

  • ca. 40 g Butter
  • ein Schuß Olivenöl
  • 1,5 Stangen Lauch, geputzt, in feine Ringe geschnitten (ca. 250 g)
  • (ich: 2 kleine Möhren, in Brunoise geschnitten)
  • ca. 500 g Gemüsebrühe
  • 125 g Carnaroli oder anderer Risottoreis
  • 75 g trockener Weißwein
  • 100 g gekochte, geschälte Maronen, zerkrümelt
  • Meersalz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
  • Thymianblättchen als Garnitur
  • (ca. 25 g Parmesan, frisch gerieben)

risotto serieIch schäumte 25 g Butter mit einem Schuß Olivenöl in der Pfanne auf, gab die Lauchringe hinein und ließ sie ca. 20 Minuten unter gelegentlichem Rühren abgedeckt garen. Sie sollten eine seidige, cremige Konsistenz bekommen. Mein Lauch war nach dieser Zeit noch eindeutig als Lauch zu identifizieren und wir hatten Hunger, also gab ich Reis, Möhren und Wein hinzu und ließ ihn vollständig einreduzieren. Dann gab ich nach und nach die heiße Brühe hinzu, rührte nur gelegentlich und nach ca. 25 Minuten war der Reis gar, aber noch bissfest. Herr H. hatte in der Zwischenzeit die Maronen in der restlichen Butter bei starker Hitze gebraten, bis Butter und Maronen leicht angebräunt waren. Er schmeckte sowohl Maronen und Risotto mit Salz ab und schüttelte unwillig den Kopf, als ich den nicht im Rezept vorgesehenen Parmesan unterrühren wollte. Aber ich bestand auf den Käse, wenn es schon keinen Speck geben würde. Ich zog die Pfanne mit dem Risotto vom Herd, rührte Parmesan und Pfeffer unter und ließ die Pfanne noch ein Weilchen abgedeckt ruhen. Herr H. zupfte einige der letzten Zweige vom Bergbohnenkraut und strippelte die Blättchen ab. Ich richtete Risotto, Maronen und Bergbohnenkraut in zwei Schalen an. Es roch vielversprechend.

Maronenrisotto 6Fazit: Nachdem ich den ersten Löffel gekostet hatte, war ich mit dem fleischlosen Seelentröster voll und ganz versöhnt. Die Maronen lieferten einen guten erdigen, fast süßen Kontrast zu dem cremigen, fast frühlingshaften Risotto und zusätzlicher Speck hätte sich eher störend ausgewirkt. Ich gratulierte Herrn H. zu seinem unträglichen Spürsinn bei der Rezeptauswahl und zumindest an diesem Abend war das ewige Novembergrau für eine Weile vergessen. Voller Elan begannen wir nach dem Essen das nächste Tortenprojekt und alles klappte wie geschmiert. Ob das am Lauchrisotto lag, vermag ich allerdings nicht zu sagen.

Blogevent Vegetarisches Seelenfutter

Aus: Täglich vegetarisch – Die schönsten Rezepte aus dem River Cottage Hugh Fearnley Whittingstall

Die Tortentherapie

torte 18Einige Aprikosen waren nach dem Hummschen Schwein noch übrig geblieben. Natürlich hätte ich einfach denken können. Rührteig, rohe Aprikosen, Zucker. Fertig. Das fällt mir jedoch aus unerfindlichen Gründen immer schwerer. Ich wollte eine Torte! Was eigentlich ebenso unerklärlich ist, da ich in meinen ersten 40 Lebensjahren selbige aus figurtechnischen Gründen gemieden habe wie der Teufel das Weihwasser. So viele Kalorien, völlig überflüssig. Besonders gesund war das zudem nicht, aber ich will nicht abschweifen. Seit ich gelernt habe, Torten zuzubereiten und zu genießen, habe ich an Gewicht ab- und an Lebensfreude zugenommen. Wie das angehen kann? Ich bin selbst noch nicht ganz sicher. Vielleicht hat es mit der Liebe zu tun. Die Liebe, die in die Herstellung einer jeden Torte einfließt und dann beim Essen wieder in mich zurück. Vielleicht hat es auch mit dem bewussteren Genuss zu tun, da ich nun weiß, was es bedeutet, ein solches Kunstwerk zu schaffen und vielleicht hat es auch schlicht damit zu tun, dass ich nun beim bewussten Genuss kein schlechtes Gewissen mehr habe. Welche Gründe es auch immer sein mögen, ich plädiere auf jeden Fall für eine globale Tortentherapie.

Für den Walnuss-Biskuit (1 Boden à 16cm):

  • 12 g gemahlene Mandeln, geröstet
  • 22 g Puderzucker
  • 10 g Weizenmehl 405er
  • 27 g Walnüsse, fein gehackt
  • 38 g Eiweiß (ca. 1 mittleres)
  • 15 g Vergoise (ich: Muscovadozucker)

walnussbiskuit serie 2(Ich habe die dreifache Menge zubereitet und die übrigen 2 Böden für eine spätere Verwendung eingefroren.) Herr H. röstete die Mandeln und siebte anschließend Mehl und Puderzucker und hob die gehackten Walnüsse unter. Ich schlug das Eiweiß mit dem Muscovadozucker zu steifem Schnee. Den Zucker gab ich dabei in 3 Schritten zu. Dann hob ich die Tockenmischung behutsam unter den Eischnee und füllte den Teig in die 16er Springform, deren Boden ich mit Backpapier bespannt hatte. Ich buk den Boden ca. 28 Minuten bei 180°C und ließ ihn anschließend vollständig erkalten.

Für die Maronenmousse:

  • 1 Eigelb (ca. 20 g)
  • 20 g feiner Zucker
  • 60 g Vollmilch
  • 2 Blatt Gelatine
  • 100 g Maronencreme (Crème de Marrons)
  • 100 g Sahne, zu 80% aufgeschlagen

maronencreme serieIch verrührte Eigelb und Zucker, bis der Zucker sich gelöst hatte. Dann erhitzte ich die Milch, gab sie unter Rühren in die Eigelbmischung und alles zusammen zurück in den Topf. Ich erhitzte die Masse unter Rühren auf 83°C (zur Rose abziehen), rührte die Maronencreme ein und löste die gut ausgedrückte Gelatine darin auf. Nachdem die Creme etwas abgekühlt war (auf ca. 30°C), hob ich die Sahne unter. Die fertige Creme gab ich auf den Walnussbiskuitboden in eine 16er Springform, deren Rand ich mit Tortenrandfolie ausgekleidet hatte. Die Mousse durfte über Nacht im Kühlschrank erstarren.

Für die Bayerisch Creme mit Aprikosen:

  • 75 g Aprikosenpüree, passiert
  • 20 g Puderzucker, gesiebt
  • 1,5 Blatt Gelatine, in kaltem Wasser eingeweicht
  • 1/2 TL Vanilleessenz
  • 130 g Sahne, zu 80% aufgeschlagen

aprikosencreme serie 1Nachdem ich die Aprikosen püriert und passiert hatte, wer Schalenstückchen mag, spart sich das Passieren, verrührte ich es mit dem gesiebten Puderzucker und der Vanilleessenz. Dann schmolz ich die Gelatine im Wasserbad und rührte nach und nach das Aprikosenpüree ein. Als ich den die Sahne schlagen wollte, stellte ich fest, dass keine mehr im Haus war. Unglaublich. Ich flitze schnell los und besorgte einen neuen Vorrat. Ein großer Vorteil des Stadtlebens. Die geschlagene Sahne hob ich dann in zwei Schritten unter das Aprikosenpüree, füllte es auf die fest gewordene Maronencreme und stellte die Torte kalt. Etwas verwundert stellte ich fest, dass die Torte somit schon nahezu fertig war. Eine echte Expresstorte.

Für den Aprikosenguss:

  • 50 g Aprikosenkonfitüre
  • 50 g Wasser
  • 10 g Glukosesirup
  • 1 Blatt Gelatine, in kaltem Wasser eingeweicht
  • evtl. etwas gelbe Lebensmittelfarbe

guss serie 1Ich kochte alle Zutaten bis auf die Gelatine auf, gab die Flüssigkeit durch das feinste Sieb und löste die gut ausgedrückte Gelaine darin auf. Da mir der Guss noch etwas blaß um die Nase aussah, gab ich kurzerhand einen Tropfen Farbe hinzu. Perfekt. Ich verteilte den Guss auf der Tortenoberfläche und stellte sie erneut kalt.

torte 9Fazit: Die beste Nachbarin, kaputt von der abendlichen Rennradtour, wurde zum Probieren eingeladen. Erfreut sagte sie zu, hatte sie doch schon von der letzten Torte nicht kosten können. Als ich die Torte aus der Form löste, war ich etwas enttäuscht. Ich hatte mir die unterschiedlichen Schichten etwas malerischer vorgestellt. Herr H. gab wie üblich sein Bestes, um ihr die schönste Seite abzuluchsen und dann konnten wir probieren. War ich von der Optik enttäuscht gewesen, so entschädigte mich der umwerfend gute Geschmack mehr als genug. Zarte Maronencreme, leicht säuerliche Aprikosencreme und ein herrlich intensiv-saftiger Walnussbiskuit. Köstlich. Auch Herr H. und die beste Nachbarin waren sehr angetan.

Recht frei nach: fruchtig süß Frische Patisserie-Ideen Kris Goegebeur, Joris Devos

Walnuss-Biskuit aus: PH10 Pierre Hermé