Schafskälte? Lamm!

lamm 3Ein Ereignis, dass jährlich mit knapp 90%iger Wahrscheinlichkeit um den 11. Juni herum in Norddeutschland eintritt, wird „Schafskälte“ genannt, da die armen Viecher zu diesem Zeitpunkt bereits zum ersten Mal geschoren wurden. Ob sie bei 16°C tatsächlich frieren, sei mal dahin gestellt. Gemeinsam mit der Schafskälte beginnt meist die Kieler Woche. Während unserer Kieler Jahre hieß die Witterung deshalb salopp „Kieler-Woche-Wetter“. Die Segler freuen sich wahrscheinlich über den kräftigen Nordwestwind, aber wir, die wir bereits alles Langärmelige und Langbeinige in der hintersten Schrankecke verstaut haben, bibbern vor uns hin. Zähneknirschend kramen wir die mitteldicken (Schafs-)Wollpullover heraus und suchen im Tiefkühler nach einer Lösung. Das Eifler Lamm-Ragout war eigentlich für den kommenden Herbst vorgesehen gewesen. Sei’s drum. Die Maracuja ließ uns den Sommer nicht ganz vergessen.

Für die Lammschulter (ich: Ragout):

  • 1,2 kg Lammschulter, entbeint (ich: 500 g Ragout)
  • Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle
  • Öl zum Braten
  • 1/2 Knollensellerie, geschält, gewürfelt (ich: 1 Stange Sellerie, in Ringe geschnitten)
  • 2 Möhren, geschält, in Scheiben geschnitten (ich: 1 Möhre, ungeschält, in Scheiben geschnitten, warum sollte man Möhren schälen, die nach dem Kochen eh wieder entfernt werden?)
  • 1/2 Stange Lauch, in Scheiben geschnitten (ich: 1/4)
  • 2 Zwiebeln, gewürfelt (ich: 1 kleine)
  • 1 Knoblauchzehe, in Scheiben geschnitten (ich: 1/2 kleine)
  • 1 EL Korianderkörner (ich: 1 TL)
  • 1 EL Tomatenmark (ich: 1 TL)
  • 500 g Rotwein (ich: 200 g)
  • 2 l Lamm- oder Kalbsfond (ich: je 200 g Rinderfond + Wasser)

ragout serieBenutzt man eine ganze Lammschulter, halbiert man sie längs, scheidet das Fett weg und formt das Fleisch zu einer ca. 7 cm dicken Rolle, die man mit einem Rouladennetz fixiert. Ich wusch und trocknete die Fleischwürfel, briet sie portionsweise scharf in Erdnussöl an und stellte sie beiseite. Herr H. hatte inzwischen das Gemüse vorbereitet, dass ich ebenfalls anröstete. Dann gab ich Korianderkörner, Tomatenmark und etwas Salz hinzu und ließ alles kurz mitbraten. Ich löschte mit dem Wein ab und ließ ihn fast vollständig einreduzieren. Dann gab ich Fleisch, Fond und Wasser in den Topf, das Fleisch sollte bedeckt sein, und garte es mit Deckel ca. 2 Stunden bei 160°C im Backofen. Der köstliche Schmorgeruch versprach viel. Nach der Garzeit sammelte Herr H. die Fleischstücke aus der Flüssigkeit. Ich goss sie durch ein Sieb in eine Schüssel, gab sie zurück in den Topf und ließ sie etwas um die Hälfte einkochen. Dann band ich die Sauce mit ein wenig in Wasser gelöster Stärke und stellte sie gemeinsam mit dem Fleisch warm.

Für die Passionsfruchtpolenta:

  • 300 g Milch (ich: 200 g)
  • 200 g Passionsfruchtpüree (ich: Mark von 3 Passionsfrüchten, ca. 30 g und 20 g Wasser)
  • 40 g Butter (ich: 20 g)
  • 100 g Maisgries (ich: 50 g)
  • 20 g Parmesan, gerieben (ich: 10 g)
  • Salz
  • 1 Prise Koriander, gemahlen

polenta serieIch kochte Milch, Butter, Wasser, Salz und Passionsfruchtpüree auf und schluckte, als ich sah, dass die Milch dabei ausflockte. Klar. Die Säure. Unwillig, das Vorhaben aufzugeben, rührte ich die Polenta hinein und ließ sie unter Rühren knapp 5 Minuten köcheln. Alles verband sich zu einer geschmeidigen Masse, von den Flocken keine Spur mehr. Puh. Ich gab die Polenta in eine Schüssel, rührte den Parmesan unter und probierte. Köstlich. Die geschmacklich recht dominaten Passionsfrüchte hatten sich brav untergeordnet.

Für die Parmesanhippen steute ich einfach einige Häufchen geriebenen Parmesan auf Backpapier und buk ihn ca. 8 Minuten bei 160° C. Will man ihn anschließend noch formen, sollte man sich stracks beeilen, er härtet einmal aus dem Ofen recht zügig aus.

Frau Grandits verwendet zusätzlich zum Servieren ein Passionsfruchtcoulis. Dafür werden das Fruchtfleisch von 5 Passionsfrüchten, 1 TL Honig und der Saft einer Limette zu einer sirupartigen Konsistenz gekocht. Mein Vorrat an Passionsfrüchten war leider aufgebraucht, ich drapierte lediglich einige Samen.

lamm 4Fazit: Das Ragout vom Eifel-Lamm war butterzart und absolut sehnenfrei – ein Gedicht! Die entstandene Sauce war sehr aromatisch und harmonierte perfekt mit der Passionfruchtpolenta. Herr H. überschlug sich förmlich vor Lob. Ich wiegelte ab, gab das Lob virtuell an Frau Grandits weiter und genoss. Wenn die Polenta nun noch etwas cremiger gewesen wäre, wäre mein Glück vollkommen gewesen.

Aus: Gewürze Tanja Grandits

 

 

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M wie Mogador

mogador 5Macarons sind Diven. Wirklich. Absolut kapriziös. Ich weiß wirklich nicht mehr, wie oft ich ein fertig betupftes Blech hoffnungsvoll in den Backofen geschoben habe, nur um nach einigen Minuten entsetzt beobachten zu können, wie die Öberflächen der kleinen Kratzbürsten sich in eine Sahara-Landschaft nach monatelanger Dürre verwandelten und wie ihre „Füße“ sich entweder gar nicht oder so voluminös entwickelten, dass der spätere Zusammenfall vorprogrammiert war. Nahm ich sie aus dem Backofen, waren sie entweder zäh und klebrig oder so trocken-bröselig, dass sie bei der kleinsten Berührung auseinander brachen. Unsere Beziehung war wahrlich nicht einfach. Und auch diese Macarons sind noch nicht ganz perfekt, aber sie sind so unglaublich köstlich, dass ich sie unbedingt vorstellen muss.

Für die Maracuja-Makronenschalen (ergibt ca. 36 Schalen):

  • 75 g feiner Zucker
  • 19 g Wasser
  • 28 g gelagertes Eiweiß
  • 0,25 g Eiweißpulver (ich: weg gelassen, 2 g Eiweiß mehr genommen)
  • 1,25 g Farbstoff Zitronengelb (ich: weg gelassen, statt dessen ca. 5 g Anatto)
  • 0,1 g Farbstoff Erdbeerrot (s. o.)
  • 150 g gesiebte Mandel-Puderzuckermischung 50/50
  • 28 g frisches Eiweiß
  • Kakaopulver zum Bestäuben

macaronschale serieIch habe bereits alle möglichen Mandelarten verwendet. Fertiges Mandelmehl (ganz fein gemahlen, vom Pati-Versand) funktionierte absolut gar nicht. Die Schalen bekamen beim Backen immer Risse. Vielleicht liegt es daran, dass beim sehr feinen Mahlen zuviel Mandelöl freigesetzt wird. Ich habe gehäutete und ungehäutete Mandeln selbst mit Puderzucker gemahlen und anschließend gesiebt. Dabei ließ sich keine Regelmäßigkeit feststellen, mal klappte es, mal nicht. Ebenso mit gekauften gemahlenen Mandeln, egal ob mit oder ohne Schale. Inzwischen verwende ich gekaufte, gemahlene Mandeln, die ich mit dem Puderzucker noch einmal durch den Zerkleinerer jage und anschließend siebe.

Ich kochte Zucker und Wasser, bis der Sirup eine Temperatur von 114°C erreicht hatte. Nun schlug Herr H. das gelagerte Eiweiß an. Ich ließ den auf 120°C erhitzten Sirup in den Eischnee laufen, während Herr H. weiter schlug. Als die Meringue auf 50 °C abgekühlt war, gab ich die Mandel-Puderzuckermischung und das frische Eiweiß hinzu. Ich hob allles behutsam unter und ließ die Masse dabei leicht zusammen fallen. Das scheint sehr wichtig zu sein. Dann dressierte ich mit der 10er Tülle Tupfen auf das Backpapier, bestäubte sie leicht durch ein Sieb mit Kakaopulver und ließ die Bleche 15 Minuten stehen. Dann schob ich sie (nacheinander) auf doppeltem Blech in den auf 250°C* vorgeheizten Backofen, reduzierte die Temperatur sofort auf 190°C und ließ sie 8 Minuten mit offenem Zug backen. Nach ca. 5 Minuten, sah ich erleichtert, dass sich stabile „Deckel“ gebildet hatte, unter denen kleine Füße wuchsen. Puh. Nach dem Backen ließ ich die Schalen komplett abkühlen, bevor ich das Backpapier abzog. Falls sie nicht am gleichen Tag gefüllt werden, kann man sie im Kühlschrank aufbewahren.

*Hermé gibt in seinen Macaron-Rezepten zwei unterschiedliche Arten zu Backen an. Einmal die oben beschriebene oder ca. 12-15 Minuten bei 170°C Umluft. immer mit geöffnetem Zug.

Für die Milchschokoladenganache mit Maracuja:

  • 32,5 g Butter, raumtemperiert
  • 182,5 g Kuvertüre 40%ig
  • 87,5 g Maracujapüree (ich: Saft von 3 Maracujas und etwas Orangensaft)
  • 12,5 g Invertzucker

maracuja ganache serie#Herr H. hackte die Kuvertüre sehr fein und schmolz sie im Wasserbad an, so dass sich noch Stücke in der Masse befanden. Ich kochte Maracujasaft und Invertzucker auf und goß die Hälfte zur halb geschmolzenen Kuvertüre, während Herr H. von der Mitte beginnend in immer größer werdenden Kreisen rührte. Die Kuvertüre verband sich anstandslos mit dem Saft und wurde viel dunkler. Ich goß die zweite Hälfte hinzu, Herr H. rührte sie unter. Als die Ganache auf 40° abgekühlt war, rührte ich die Butter ein und gab die Masse in den Spitzbeutel. Leider war die Ganache (wahrscheinlich weil ich Saft statt Püree verwedet hatte) so flüssig, dass ich den Spitzbeutel für ca. 30 Minuten in den Gefrierschrank legen musste. Dann legte ich die Schalen paarweise auf dem Tisch aus, dressierte die Ganache großzügig auf und setzte die Deckel auf. In einer Dose durften sie nun 24 Stunden im Kühlschrank reifen.

Am nächsten Abend wollte ich die Dose heraus nehmen, dabei rutschte sie mir aus der Hand und landete recht unsanft auf dem Boden. Herr H. fluchte lautstark, gut zwei Drittel der wunderschönen Macarons war in häßliche Einzelteile zerschplittert. Ich rettete die verbliebenen „Heilen“, die leider nicht die schönsten waren und Herr H. lichtete sie immer noch grummelnd ab.

mogador 8Fazit: Nach zwei Tagen Lagerung im Kühlschrank sind die Macarons erst richtig „reif“. Dann haben sie eine perfekt zart-schmelzende Konsistenz und die Milchschokoladenganache mit Maracuja ist tatsächlich ein absoluter „Hinschmecker“. Auch mit zersprungener Hülle schmecken sie vorzüglich – ich habe das gerade noch einmal überprüft. Ich kann es kaum erwarten, bis ich endlich wieder neue backen kann, auch wenn sie sich so divenhaft verhalten. Und bedenkt man, dass ein einziges Macaron in Paris bei Hermé gut 5€ kostet, dann lohnt sich die „Mühe“ auf jeden Fall!

Sehr detaillierte und gut recherchierte Informationen zum Thema „Macarons“ gibt es übrigens auch bei Mari.

Aus: PH10 Pierre Hermé

 

Here comes the sun

celeste 4 kleinNachdem der erste Backversuch der eigentlich einfachen Céleste gründlich in die Hose gegangen war, merke, Mürbeteigverarbeitung bei Temperaturen von über 24°C in der Küche sind praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, der Teig schmilzt noch beim Ausrollen, nutzte ich gestern das etwas kühlere Wetter für einen zweiten Versuch. Denn geschmacklich hatte sie mich voll und ganz überzeugt. Und siehe da, alles lief wie am Schnürchen. Ich hatte die Küchlein bereits verräumt und bereitete das Abendessen, als Herr H. nach Hause kam. Er warf einen neugierigen Blick in den Kühlschrank. Die sehen aus, wie zwei kleine Sonnen, sagte er und begann sogleich zu summen. Ich musste lachend einstimmen, hatten sich doch (fast) alle Texte der Lieder der Beatles während zahlloser Nächte, die ich als Teenager über unfertigen Kunstbildern hockte, mir für alle Ewigkeit eingeprägt.

Für den süßen Mürbeteig (1 16er Backring oder zwei 12er):

  • 37,5 g Butter
  • 12,5 g gemahlene Mandeln
  • 47,5 g Puderzucker
  • 1 Pr. Vanille
  • 15 g Ei
  • 0,25 g Fleur de Sel
  • 62,5 g Weizenmehl 550er

mürbeteig SerieIch habe beide Varianten ausprobiert. Die Menge reichte bequem für 2 12er Tartformen oder eine 16er. Ich knetete die Butter weich und rührte die Zutaten in angegebener Reihenfolge unter. Das Mehl sollte nur kurz eingearbeitet werden, da im Gegensatz zu Brotteigen kein Glutengerüst erwünscht ist. Ich legte den recht weichen Teig in einen Gefrierbeutel, drückte ihn flach und legte ihn für 2 Stunden in den Kühlschrank. Dann rollte ich ihn auf 4mm aus, schnitt 2 Kreise, jeweils 1,5cm größer im Durchmesser als die Formen, und legte die Teigkreise in die gebutterten Fomen. Anschließend stellte ich sie erneut für eine Stunde kalt. Dann heizte ich den Backofen auf 170°C vor, belegte den Teig mit Backpapier und beschwerte ihn mit Hülsenfrüchten. Nach 20 Minuten Backzeit entfernte ich beides und ließ die Böden noch weitere 10 Minuten backen.

Für die Crème brûlée mit Maracuja ( 1 Scheibe à 15cm oder 2 à 7,5cm):

  • 1,3 g Gelatine, in kaltem Wasser eingeweicht
  • 82 g Sahne
  • 27 g feiner Zucker
  • 27 g Maracujapüree
  • 30 g Eigelb

maracujacreme brulee serieAls erstes gab ich das Fruchtfleisch der Maracujas durch ein Sieb und verrührte den Saft mit den Eigelben. Dann erhitzte ich Sahne und Zucker, bis der Zucker sich aufgelöst hatte. Ich rührte die gut ausgedrückte Gelatine ein und goß die Sahne unter Rühren in die Eigelbmischung. Zuvor hatte ich die Böden zweier 7,5er Dessertringe mit Alufolie bedeckt und den Backofen auf 100°C vorgeheizt. Ich verteilte die Creme auf beide Formen und schob sie für 30 Minuten in den Backofen. Danach ließ ich die noch recht flüssige Creme erkalten und fror sie ein.

Für das Rhabarberpüree mit Erdbeeren:

  • 3,2 g Gelatine, in kaltem Wasser eingeweicht
  • 62,5 g Rhabarberpüree*
  • 95 g Erdbeeren, püriert
  • 9,5 g feiner Zucker

erdbeer rhabarber püree serie*Für das Rhabarberpüree hatte ich am Vorabend 50 g Rhabarber in Scheibchen geschnitten und mit 5 g Zucker vermischt. Ich gab die Scheibchen mit 3 g Zucker und 5 g Zitronensaft in einen Topf und ließ sie abgedeckt köcheln, bis ein Kopmpott entstanden war. Dieses schmeckte ich mit einer Prise frisch gemahlener Nelke ab, löste die Gelatine darin auf. Nachdem das Püree etwas abgekühlt war, vermischte ich es mit dem Erdbeerpüree und ließ es bei Raumtemperatur stehen, während ich die Mürbeteigschalen mit „Bodenschutz“ versah.

Für den „Bodenschutz“:

  • 30 g weiße Kuvertüre
  • 3 g Kakaobutter

weisse ganache serieIch schmolz Kuvertüre und Kakaobutter im Wasserbad und bepinselte die Schalen innen auf dem Boden und am Rand damit. Nach 10 Minuten Kühlung war die Schicht erstarrt und ich konnte endlich mit dem Füllen beginnen. Ich füllte die Schalen mit Rhabarberpüree mit Erdbeeren bis knapp unter den Rand und stellte sie für 15 Minuten in den Gefrierschrank.

Für die Maracujaglasur mit Fruchtfleisch (und die Dekoration):

  • 100 g exotischer Guss
  • ca. 10 gleich große kleine Erdbeeren, halbiert

guss serieIch erwärmte den exotischen Guss auf 45°C und verrührte ihn mit dem Maracujafruchtfleisch. Dann löst ich die Crème brûlée-Scheiben aus den Ringen und legte sie auf einer Palette auf ein Gitter. Nun gab ich den Guss mit einem Löffel darüber.

füllen klein serieIch legte die Creme-Scheiben behutsam auf das inzwischen erstarrte Püree, tauchte die Erdbeerhälften in den Guss und setzte sie vorsichtig an der Rand der Creme-Scheibe. Dadurch, dass die Scheiben gefroren sind, zieht der Guss recht schnell an, so dass die Erdbeeren recht schnell stabil verbunden sind. Nachdem alle Erdbeeren angesetzt waren, stellte ich die Törtchen erneut für eine Stunde kalt.

celeste 6 kleinFazit: Was soll ich sagen? Das letzte Bild spricht eigentlich für sich selbst. Der herrlich knusprig-mürbe Teig gefüllt mit intensiv fruchtigem Kompott gekrönt von einer zart schmelzenden, sahnigen Creme ist sagenhaft köstlich. Dieses mal stimmt das Verhältnis von Teig und Kuvertüre. Beim ersten Mal war mir beides zu dick geraten und der Teig ließ sich extrem schwer abstehen. Nun passt alles und wenn ich heute Abend das letzte Törtchen aus dem Kühlschrank holen werde, wird mir eine kleine Sonne entgegenstrahlen.

Aus: PH10 Pierre Hermé

 

Die Sarah und die Magie der Patisserie

sarah 7PH10 hat mich gefangen genommen. Ich schwelge fast jeden Tag in einem neuen Rezept für eine Torte, ein Macaron oder eine Tarte und bin verwundert, entzückt und überrascht von der Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten, die sich mir offenbart. Ich kann meine Faszination nicht besser in Worte fassen, als Michel Field es im Vorwort von PH10 getan hat,

Und hier rührt man an die Magie, die der Patisserie eigen ist. Der Koch kann vielleicht manchmal improvisieren, im letzten Moment entscheiden, das Rezept zu ändern, die Kochzeit zu verringern, eine Zutat zufügen, eine ungeplante Zusamenstellung testen. Der Patissier hingegen muss seine Kreativität einer mathematischen Disziplin unterwerfen. Hat der erstere die Freiheit eines Jazzmusikers beim Improvisieren, so ist es für den Patissier wie für einen Musiker in der klassischen Musik: Die Interpretation bleibt an die Partitur gebunden. Es gibt hier nicht weniger Kreativität als dort, aber das Verhältnis zum formalen Zwang ist verschieden. Die Allgegenwart der Geometrie in Patisserie-Formen klingt wie eine Erinnerung: Hier ist alles eine Frage des Maßes, von feinster Abmessung: Im Rezept kommt es auf ein Gramm an, bei der Backzeit auf die Sekunde. Patisserie, das ist Mathematik am Backofen. Eine einfache Anwendung? Überhaupt nicht! In den Zwischenräumen des Zwangs entfaltet sich der unendliche Raum der Kreation.

Nachdem wir die erste Hürde des Umrechnens genommen hatten, die Rezepte sind stets für 4 Kuchen oder 20 Einzelportionen angegeben, konnten wir erneut loslegen.

Für den Kastanienbiskuit (2 Böden à 15 cm):

  • 36,5 g ganze, geschälte Mandel (ich: gemahlene)
  • 21 g Puderzucker
  • 7 g Mehl
  • 6 g Kastanienmehl
  • 55,5 g Eiweiß
  • 22 g brauner Rohzucker
  • 12 g Esskastanien in Stücken (ich: weggelassen)

biskuit serieIch musste die Böden zweimal backen, da die (geviertelte) Menge beim ersten Mal nicht für 2 Böden reichte. Mit der gedrittelten Menge klappte es reibungslos. Ich mixte die Mandeln mit Puderzucker, Mehl und Kastanienmehl und siebte die Mischung anschließend in eine Schüssel. Dann schlug ich das Eiweiß an, gab den Zucker in drei Etappen zu und schlug weiter, bis ich eine mittelfeste Meringuemasse erhalten hatte. Das dauerte ca. 3 Minuten. Anschließend hab ich die Mehlmischung in 2 Schritten behutsam unter, füllte die Masse in den Spitzbeutel (12erLochtülle) und dressierte die Böden auf Backpapier auf. Nach 15 Minuten im auf 190°C heißen Backofen waren sie fertig und durften auf dem Gitter vollständig auskühlen.

Für die Scheibe aus Maracujakompott (14cm):

  • 1,5 g Gelatine (nächstes Mal besser 2 – 2,5g, die Scheibe war nicht fest genug)
  • 4 g Zitronensaft
  • 10 g Orangensaft
  • 25 g Mineralwasser (ich: Leitungswasser)
  • 16 g Zucker
  • 44 g Maracujapüree (ca. 2 Stück)

maracuja serieIch weichte die Gelatine 5 Minuten in sehr kaltem Wasser ein, erhitzte derweil Zitronensaft, Orangensaft, Wasser und Zucker und löste die ausgedrückte Gelatine darin auf. Dann gab ich das Maracujamark (mit Kernen) hinzu, füllte das Kompott in eine Schüssel mit 14cm Durchmesser und stellte sie in den Gefrierschrank.

Für die sahnige Ganache mit grünem Matchatee (14 cm):

  • 47,5 g weiße Kuvertüre
  • 52,5 g Sahne
  • 4 g Matcha

matcha serieIch hackte die Kuvertüre, schmolz sie im Wasserbad und kochte die Sahne auf. Nachdem sie auf 60°C abgekühlt war, rührte ich das Matchapulver kräftig mit dem Schneebesen ein. Dann rührte ich ein Drittel der Sahne in die geschmolzene Kuvertüre und den Rest in 2 Schritten ein. Da ich immer noch keine große Auswahl an Dessertringen in verschiedenen Größen habe, gab ich die Masse auf einen mit Frischhaltefolie ausgelegten Frühstücksteller und fror sie ein.

Für die Maronensahnecrème:

  • 22 g Butter
  • 3,5 g Whisky Pure Malt
  • 2 g Sahne
  • 2 g Gelatine, in kaltem Wasser eingeweicht)
  • 93,5 g Maronenpaste (Maronen mit etwas Wasser püriert)
  • 90 g Maronencrème (1/2 Maronenpüree – 1/2 Zucker)
  • 110 g Sahne, geschlagen

maronensahne serieWährend Herr H. die Butter cremig schlug, erhitzte ich Whisky und Sahne (2 g) und löste die ausgedrückte Gelatine darin auf. Herr H. schlug als nächstes Maronenpaste und -creme bei großer Geschwindigkeit, bis die Masse weißlich wurde. Dann gab er die lauwarme Whisky-Mischung (35°C) und danach die Butter hinzu und rührte weiter auf großer Geschwindigkeit. Ich schlug derweil die Sahne auf und hob sie vorsichtig unter die Maronenmasse. Nun konnten wir die Torte endlich zusammensetzen.

füllen serie Als erstes legte ich eine Biskuitscheibe mit der Oberseite nach unten auf die Platte, bestrich sie mit Maronensahnecreme und legte die Ganachescheibe darauf. Dann bestrich ich diese wieder mit Maronensahnecreme, plazierte die (recht weiche) Maracujakompottscheibe darauf und bestrich auch sie vorsichtig mit Maronensahnecreme. Darauf legte ich den zweiten Boden, den ich abschließend mit der restlichen Maronensahnecreme bestrich. Nun durfte die Torte für 2 Stunden in den Gefrierschrank und wir konnten uns mit der schwierigen Frage der Fertigstellung befassen. Hermé versieht den äußeren Rand der Torte mit rechteckigen Blättern aus weißer Kuvertüre, die orange und grün bedruckt sind im Wechsel. Das sieht wunderschön aus, aber uns fehlte die Folie zum Bedrucken der Blätter. Wir beschlossen, stattdessen einfach rechteckige Stücke zu schneiden.

Blieb die Glasur. Ein exotischer Guss mit Pektin gebunden. Das hatte ich auch nicht zur Hand. Also kochte ich stattdessen ca. 100 g Wasser mit 20 g Zucker und dem Fruchtfleisch einer Maracuja auf und rührte ca. 1 g AgaAgar ein. Die Masse gab ich auf einen mit Frischhaltefolie belegten Teller und ließ sie erstarren. Leider sind mit AgarAgar gebundene Flüssigkeiten eher stumpf und etwas zu dick war mir die Schicht auch geraten. Da ich darin die letzte Majacuja verbraucht hatte, legte ich die Scheibe dennoch auf.

sarah 1Fazit: Nach dem Fotografieren probierten wir das erste Stück. Maronen und Matcha harmonierten nicht nur optisch prächtig und verloren ihre leicht dumpfe Erdigkeit durch das spritzige Maracujakompott. Die eher spröde und leicht fade obere Schicht, ließen wir nach einem Bissen links liegen. Insgesamt eine köstliche Komposition, die ich beim nächsten Mal hoffentlich mit dem „richtigen“ Guss versehen kann! Die beste Nachbarin war von dieser Kombination leider nicht sehr angetan und fragte, wann ich denn endlich einmal wieder die Blaubeertorte Schwarzwälder Art backen würde. Die hatte sie zu ihrer Lieblingstorte gekürt. Da ich keine Blaubeeren eingefroren habe, muss sie sich leider bis zum nächsten Sommer gedulden und derweil mit weiteren Hermé-Torten vorlieb nehmen.

Aus: PH10 Pierre Hermé

Schokolade satt oder gestatten, Arabella!

arabella 3Bereits vor dem Urlaub begannen Herr H. und ich, uns in Pierre Hermés teils recht üppige Kreationen zu vertiefen. Als zweites stand die Arabella auf der Liste. Ich las die lange Liste der Zutaten und schluckte. Außer Kuvertüre, Sahne, Zucker und noch mehr Kuvertüre enthält diese Torte nur einen hauchdünnen Biskuitboden. Ob man so etwas überhaupt essen könne, fragte ich mich laut. Herr H. wedelte ungeduldig mit der Hand und zerstreute meine Bedenken damit nicht gänzlich, los, die machen wir jetzt und außerdem brauchen wir noch eine Geburtstagstorte für die Schwester. Ich atmete einmal tief ein und ließ die Luft langsam wieder aus meiner Lunge entweichen, das soll angeblich beruhigen, und begann, die Zutaten abzuwiegen.

Für die Haselnuss-Dacquoise-Böden (16 + 8cm Durchmesser):

  • 37,5 g Puderzucker
  • 34 g Haselnüsse, gemahlen
  • 37,5 g Eiweiß (1 Eiweiß Gr. L)
  • 12,5 g Zucker
  • 25 g Haselnüsse, geröstet und gehackt

haselnuss dacquoise serie

Herr H. röstete die Naselnusskerne bei mittlerer Hitze in der Pfanne bis sie aromatisch zu durften begannen. Ich heizte den Backofen auf 190°C vor, wog die restlichen Zutaten ab und malte 2 Kreise von 8 bzw. 16cm Durchmesser auf die Rückseite des Backpapiers. Dann siebte ich den Puderzucker gemeinsam mit den gemahlenen Haselnüssen. Herr H. schlug das Eiweiß an und gab beim Weiterschlagen den Zucker in 3 Portionen nacheinander zu. Es sollte eine weiche Meringuemasse entstehen. Ich hob anschließend die Puderzucker-Nuss-Mischung vorsichtig mit einem Spatel unter, strich die Masse mit der Palette auf die Kreise und bestreute sie großzügig mit den gerösteten, gehackten Haselnüssen. Dann buk ich die Böden ca. 17 Minuten und fror sie nach vollständigem Auskühlen ein.

Für die Glasurganache:

  • 75 g Sahne
  • 5 g Kakaopulver, gesiebt
  • 75 g Kuvertüre, mind. 52% Kakaogehalt

schokogarnache serie

Während Herr H. die Kuvertüre hackte, kochte ich Sahne und Kakaopulver auf. Nach und nach goss ich die Sahne über die gehackte Kuvertüre und rührte sie glatt. Nachdem sie auf ca. 28°C abgekühlt war, verteilte ich sie mangels einer Kuppelform in eine kugelige Edelstahlschüssel (ca. 1l Inhalt) und fror auch diese ein.

Für die in Maracuja gebratenen Bananen:

  • 25 g Maracujafruchtfleisch (1/2 Maracuja)
  • 250 g Banane, geschält gewogen (ca. 2-3 Stück)
  • 12,5 g Zitronensaft
  • 5 g Butter
  • 15 g Zucker

bananenscheibe serie

Am nächsten Morgen schnitt ich die Banane in 0,5cm dünne Scheiben und beträufelte sie mit Zitronensaft. Dann zerließ ich die Butter, ließ sie leicht anbräunen und garte die Bananenscheiben mit Zucker ca. 2 Minuten bei großer Hitze. Achtung, nicht zuviel Rühren, die Scheiben zerfallen im Nu zu Mus! Anschließend gab ich das Maracujafruchtfleisch hinzu und ließ alles abkühlen. Danach gab ich die Masse auf einen flachen Teller (innen 10 cm Durchmesser) und fror sie ein.

Für die Ingwer-Schokoladensahne:

  • 375 g Sahne
  • 3 g frischer Ingwer, in feine Streifen geschnitten
  • 1,2 g Gelatine (ca. 1 Blatt)
  • 250 g Kuvertüre 40% Kakaoanteil
  • 50 g kandierter Ingwer*, fein gehackt
  • 62 g Schokoladenblätter aus 52%iger Kuvertüre + 8 g als Dekoblätter

Ingwer Schokoladensahne Serie

Als erstes hackte und schmolz ich die 70 g 52%ige Kuvertüre für die Schokoladenblätter und strich sie auf eine DINA4 große mittelfeste Folie. Ich legte ein zweites Blatt darüber, strich die Kuvertüre ca. 2-3mm dünn aus und legte sie in den Kühlschrank. Dann wog ich die restlichen Zutaten ab, weichte die Gelatine ein und brachte die Sahne mit den Ingwerstreifen zum Kochen. Ich zog den Topf vom Herd und ließ die Sahne 5 Minuten ziehen. Dann gab ich sie durch ein Sieb, löste die ausgedrückte Gelatine darin auf und rührte die gehackte 40%ige Kuvertüre ein. Ich mixte die Crème kurz mit dem Stabmixer durch und stellte sie für einige Stunden kalt.

Für den Milchschokoladenspiegel mit gerösteten Mandeln:

  • 0,5 g Gelatine
  • 82,5 g ungezuckerte Kondensmilch (10%)
  • 20 g Glucosesirup
  • 80 g Zuckersirup 30°Bé
  • 145 g Kuvertüre 40%
  • 25 g weiße Kuvertüre
  • 125 g Milchschokoladenguss*²
  • 45 g Mandelstifte, geröstet

schoko überzug 22Ich gebe gern zu, dass die Herstellung des Milchschokoladenspiegels, der als finaler Überzug dient, mich einiges Grübeln gekostet hat. Den Glukosesirup habe ich selbst hergestellt. Dazu kochte ich einfach 64 g Dextrose (Traubenzucker) mit 36 g Wasser kurz auf und nahm 20 g ab. Für den Zuckersirup mit 30°Bé (Läuterzucker) brachte ich 60 g Zucker mit 40 g Wasser kurz zum Kochen und nahm anschließend 80 g ab. Soweit, so gut. Ich weichte die Gelatine ein, brachte Kondensmilch, Glukose- und Zuckersirup zum Kochen, zog den Topf vom Herd und löste die ausgedrückte Gelatine darin auf. Dann goss ich die Flüssigkeit über die gehackten Kuvertüren und den Milchschokoladenguss*² und vermischte alles von der Mitte ausgehend mit einem Spatel. Zuletzt hob ich die gerösteten Mandelstifte unter und war sehr gespannt, ob der Guss nach dem Erstarren glänzend bleiben würde.

füllen seriePünktlich zum Füllen kehrte Herr H. zurück. Ich füllte die mit Ganache ausgekleidete Form mit einem Viertel der zuvor kurz aufgeschlagenen (vorsicht, sie wird sehr schnell fest) mit kandierten Ingwerwürfelchen und Milchschokosplittern versetzten Ingwer-Schokoladensahne, legte den 8cm Boden darauf und drückte ihn leicht an. Ich bedeckte ihn mit Ingwer-Schokoladensahne und legte die gefrorene Fruchtscheibe darauf. Dann verteilte ich die restliche Sahne darauf, legte den 16cm Boden auf und fror die Form für eine Stunde ein. Nach dem Abendessen legte ich kurz ein in heißes Wasser getauchtes Handtuch um die Form und löste die Torte heraus. Ich überzog sie mit dem Milchschokoladenspiegel, dekorierte den Rand mit den restlichen Schokoblättern und stellte sie über Nacht in den Kühlschrank.

arabella 13Fazit: Da wir die Torte nicht zu Hause anschnitten, gibt es leider nur ein mittelmäßiges Anschnittbild. Als ich den Kühlschrank am Morgen öffnete, war ich entzückt. Der Überzug glänzte mit meinen Augen um die Wette. Die nach dem Backen genaschten Ränder der Dacquoiseböden waren die köstlichsten, die ich je probiert hatte. Aber wie schmeckte alles zusammen? Wir saßen mit der ganzen Familie um den Tisch und als die Gabeln sich in die Stücke senkten, herrschte erwartungsvolle Stille. Kurz darauf schwebte ein allgemeines „Hmmm“ durch den Raum. Eine absolut köstliche, wenn auch recht mächtige, Komposition. Und weil sich Nele vom Pralinenwahnsinn zum Auftakt der neuen Saison Lieblingschokoladiges wünscht, geht die Arabella zu ihr!

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* Ingwer kann man auch selbst kandieren: 200 g Ingwer in 2-3mm kleine Würfel schneiden und mit 200 g Zucker und 500 g Wasser 2 Stunden zugedeckt köcheln.

*² Für den Milchschokoladenguss, der wiederum aus Schokoladenguss und Schokoladensauce besteht (und den man scheinbar bei Valrhona fertig kaufen kann) musste ich in die Untiefen der französischen Patisserieszene tauchen. Zum Glück ist mein Schulfranzösisch noch ganz passabel. Die Rezepte würden hier zu weit führen, ich gebe sie gern auf Anfrage heraus.

Aus: PH10 Pierre Hermé