Als ich in den ewig unermesslichen Tiefen des Tiefkühlers kürzlich eine Packung selbst gemachten Blätterteig inversée entdeckte, war ich drauf und dran, ihn direkt unbesehen zu entsorgen. Er hatte schließlich unbeachtet gute 1,5 Jahre dort geschlummert und auch wenn die Kälte den Alterungsprozess deutlich verlangsamt, so findet er dennoch statt. Meine den Teig haltende Hand schwebte schon über dem geöffneten Mülleimer, als Herr H. die Küche betrat. Moment, rief er, was ist denn das? Ich klärte ihn auf und ließ die Hand dabei weiter sinken. Er entriss mir das Päckchen, legte es behutsam in den Kühlschrank und sagte, wir müssten ihm zumindest eine Chance geben. Man stecke da schließlich nicht drin. Ich schüttelte innerlich den Kopf und hoffte, dass vom aufgetauten Teig ein scheußlich-ranziger Geruch ausgehen würde. Am nächsten Abend öffnete ich das Päckchen und schnupperte vorsichtig und konnte es kaum glauben. Der Teig roch frisch, buttrig und überhaupt nicht ranzig. Triumphierend hielt Herr H. mir das passende Rezept entgegen.
Für die Tarteletts mit Puy-Linsen (ca. 6):
- 100 g Puy-Linsen
- 1 Lorbeerblatt
- 1 TL Kreuzkümmelsamen
- 1 TL Koriandersamen
- Olivenöl
- 1 kleine Zwiebel, fein gehackt
- (ich: 1 TL Ahornsirup)
- 1 Knoblauchzehe, mit wenig grobem Meersalz zu Paste gerieben
- 125 g griechischer Naturjoghurt (ich: 3,8%iger und Crème fraîche halb und halb)
- 25 g junge Spinatblätter (ich: 100 g)
- 1,5 EL gehacktes Koriandergrün
- 1,5 EL gehackte Minze
- Saft 1/2 Zitrone (ich: plus wenig Abrieb)
- Salz und schwarzer Pfeffer
- 200 g Blätterteig (ich: inversée von hier)
- 1 Mini-Ei, verquirlt
Während die Linsen in ca. 300 g Wasser mit dem Lorbeerblatt köchelten (ca. 40 Min), röstete und mahlte Herr H. Kreuzkümmel und Koriander. Ich erhitzte etwas Olivenöl, briet erst Zwiebeln und später Knoblauch darin goldgelb und sehr weich und gab den Ahornsirup hinzu. Herr H. ergänzte die Gewürze und nachdem alles leicht karamellisiert war, stellte ich den Topf zum Abkühlen beiseite. Herr H. ließ den Spinat (bis auf eine Handvoll) in etwas Olivenöl kurz zusammenfallen und stellte ihn ebenfalls beiseite. Ich goss die gegarten Linsen ab und ließ auch sie abkühlen.
Den aufgetauten Blätterteig rollte ich auf leicht bemehlter Arbeitsfläche ca. 3 mm dünn aus, schnitt mit Hilfe eines 8 cm Tarterings Kreise daraus, legte sie auf das Backblech und stellte es für 30 Minuten kalt. Beim Schneiden der Teigkreise ist es wichtig, die einzelnen Schichten nicht mit dem Messer von oben zusammen zu drücken, da der Teig ansonsten später nicht so schön blättert. Am besten schneidet man mit einem sehr scharfen Messer eher seitlich. Die gekühlten Kreise bestrich ich mit verquirltem Ei und buk sie bei 200°C ca. 15 – 20 Minuten. Während ich vollkommen fasziniert den Blättervorgang beobachtete, vermengte Herr H. die abgekühlten Linsen mit Joghurt, Spinat, Zitronensaft und -abrieb und schmeckte mit Pfeffer und Salz ab. Es klang, als sei die Aromenkombination gelungen. Ich legte die abgekühlten Teigkreise auf die Teller, häufte etwas zuviel Linsen darauf und gab sie zum Shooting frei.
Fazit: Meine Nichte würde sagen, „Helle Wahnsinn!“. Ich fühlte mich beim ersten Bissen so dermaßen in meine Kindheit katapultiert, dass mir ganz schwurbelig wurde. Damals gab es in den eher besseren gutbürgerlichen Restaurants, die nur zu besonders feierlichen Anlässen wie Hochzeiten oder runden Geburtstagen aufgesucht wurden, als Vorspeise häufig Pastetchen mit cremiger Ragout-Füllung, die ich absolut heiß und innig liebte. Dieser Blätterteig ist wirklich der blättrigste, knusprigste und dabei leicht anmutende, den ich je verzehrt habe. Die würzigen Linsen passten absolut perfekt und auch Herr H. merkte an, dass es nun ja zum einem gut sei, dass kein Blätterteig mehr da sei, aber dass wir zum anderen wohl dringend wieder welchen herstellen müssten. So kann es kommen.
Aus: Genussvoll vegetarisch Yotam Ottolenghi