Wahrlich königlich

königsberger klopse 5Zugegeben, Uroma Mariechen hätte wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und geschimpft, „Marjellche, Marjellche, DAS sind doch keine Königsberger Klopse“. Ich hoffe sehr, dass sie mir vergibt. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich an dieses Rezept gewagt habe. Zu deutlich war die Erinnerung an das Leibgericht meiner Kindheit, das sie meisterhaft zuzubereiten wusste. Das zweite Leibgericht. Das erste waren Plinsen (hochdeutsch: Kartoffelpuffer), in reichlich Fett ausgebraten, so dass ich auf dem Nachhauseweg von der Schule schon von Weitem riechen konnte, dass es sie gab. Sobald ich das erste Geruchsmolekül erschnuppert hatte, begann ich zu rennen, so sehr liebte ich sie. Theoretisch wurde dazu Apfelmus serviert, das ich jedoch verschmähte. Dick mit Zucker bestreut mussten sie sein. An guten Tagen schaffte ich nahezu 10 Stück. Nicht gerade figurfreundlich, aber soo gut. Zurück zu den Klopsen. Herr H. gab wie üblich den letzten Anstubser zum Ausprobieren des Rezepts.

Für die Königsberger Klopse:

  • 1/2 altbackenes Brötchen (ca. 30 g)
  • 50 g Milch
  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 15 g Speck, fein gewürfelt
  • 1/2 Bd. glatte Petersilie, fein gehackt
  • Öl zum Braten
  • 200 g Kalbshackfleisch
  • 1 sehr kleines Ei oder 1/2
  • 1/2 TL Senf
  • 1 TL Kapern, fein gehackt
  • 1/2 Sardellenfilet, fein gehackt
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 1 Lorbeerblatt
  • ca. 400 g Brühe zum Garziehen

klopse serieBällchen aller Art sind Herrn H.s Metier. Er schwitze Schalotten und Speck in etwas Öl glasig, weichte das gewürfelte Brötchen in Milch ein und stellte die übrigen Zutaten bereit. Dann gab er das Hack, die Gewürze, die ausgekühlte Schalotten-Speck-Mischung, das gut ausgedrückte Brötchen, das Ei und die Gewürze in eine Schüssel und knetete sie von Hand zu einer homogenen Masse. Diese stellte er für einen halbe Stunde in den Kühlschrank, bevor er etwa golfballgroße Klopse daraus formte. Er kochte die Brühe mit dem Lorbeerblatt kurz auf, legte die Klopse ein und reduzierte die Temperatur auf ein sehr sanftes Sieden (ca. 85°C). Nach 15 Minuten waren die Klopse gar. Ich hatte in der Zwischenzeit Salzkartoffeln und Möhren gegart. Rote Bete wären passender gewesen, aber es waren keine im Haus.

Für die Sauce:

  • 2 Champignons, blättrig geschnitten
  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 2 TL Kapern
  • 1 Sardellenfilet, fein gehackt
  • 1 TL Butter
  • 2 TL Mehl
  • 25 g Weißwein
  • 150 g Kalbsfond
  • 20 g Crème fraîche
  • 100 g Sahne
  • Salz, Cayennepfeffer
  • Zitronensaft zum Abschmecken
  • 1 sehr kleines Eigelb oder 1/2
  • 20 g eiskalte Butter
  • 1 EL geschlagene Sahne
  • Petersilie und Kapern zum Garnieren

sosse serieMan kann natürlich auch die Brühe, in der die Klöpse gegart wurden, für die Sauce verwenden, aber mit frischem Fond wird die Sauce noch feiner. Ich verwendete die Brühe anderntags für ein Risotto. Für die Sauce dünstete ich Champignons, Schalotte, 1 TL Kapern und das Sardellenfilet in der Butter an. Dann stäubte ich das Mehl darüber, ließ es kurz mitschwitzen und löschte mit der Hälfte des Weins ab. Nun gab ich den Fond hinzu und ließ ihn nahezu einreduzieren. Danach rührte ich Crème fraîche und Sahne ein, schmeckte mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft ab und schlug die Sauce mit dem Stabmixer auf. Herr H. verrührte das Eigelb mit der restlichen Weißwein. Ich schlug die Mischung unter die Sauce (sie darf nun nicht mehr kochen!), montierte die eiskalte Butter ein und hob die geschlagene Sahne unter. Endlich konnte angerichtet werden.

königsberger klopse 6Fazit: Ich traue mich kaum es zu sagen. Diese Königsberger Klopse waren um Längen besser als die meiner Erinnerung. Bitte vergib mir, Mariechen. Die Klopse waren saftig, unglaublich locker und aromatisch und die Sauce ein absoluter Traum in Cremigkeit und Geschmack. Die mit etwas Estragon gewürzten Möhren passten erstaunlich gut. Und das ist, glaube ich, das einzige Gericht, zu dem ich Salzkartoffeln als unabdinglich empfinde. Herr H. schwelgte ebenso begeistert in den Klopsen und verlangte, sie von nun an häufiger serviert zu bekommen. Wir werden sehen.

Aus: Klassiker – Über 300 internationale Rezepte mit Tipps und Varianten von Johann Lafer Teubner Verlag

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