Da die Kochpoetin derzeit ihrer dringend benötigten Auszeit frönt, sah ich mich plötzlich in der Verantwortung, Inspiration für die Abendessen aus dem Hut zaubern zu müssen. Gar nicht so einfach. Da fiel mir ein, dass ich kürzlich im Dollase* das sehr anregende Gericht „Spargel mit Mikroelementen“ erspäht hatte. Das trieb meine Phantasie sogleich zu Höchstleistungen an. Mikroelemente, das klang nach lang vergangenem Chemieunterricht. Komplizierte, meterlange Molekülketten tauchten vor meinem geistigen Auge auf, Nanotechnologie auf dem Teller, wie spannend. Mein Forschergeist war geweckt und ich machte mich auf die Suche nach geeigneten Zutaten. Was würde wohl passieren, wenn sich mikroskopisch kleine linsenförmige Körper aus proteinhaltiger Biomasse mit Kuben aus Gemüsesubsstanz und kugelförmigen Teilchen aus Hartweizengrieß durch Erhöhung der Umgebungstemperatur des sie umgebenden Feuchtraumes zu einem Konglomerat verbinden würden. Würde es die Welt revolutionieren, oder wären es nur „Linsen mit Fregola sarde“?
Für die Linsen mit Fregola sarde:
- 100 g Beluga-Linsen (ich: Tellerlinsen)
- 300 g Gemüsefond
- 1 Lorbeerblatt
- 1 EL Butter
- 20 g Speck, fein gewürfelt
- 50 g Petersilienwurzel, fein gewürfelt (ich: Knollensellerie)
- 1 Schalotte, fein gehackt
- 30 g Lauch, grüner Teil, fein gehackt
- Fregola sarde nach Belieben (oder eine andere kleine Pastasorte), in reichlich Salzwasser gegart
- 50 g Sherry
- Salz, schwarzer Pfeffer
- 1 EL Acetato Balsamico Traditizionale
Ich briet den Speck in der Butter bei sanfter Hitze langsam goldbraun, fügte Schalotte und Selleriewürfel hinzu und ließ alles noch einige Minuten brutzeln. Dann gab ich den Lauch und das Lorbeerblatt hinzu, löschte mit Sherry ab und ließ ihn etwa um die Hälfte reduzieren. Ich gab Linsen und Gemüsefond hinzu und ließ alles abgedeckt ca. 30 Minuten köcheln. Als die Linsen den gesamten Fond aufgenommen hatten und knapp gar waren, ließ ich die vorgegarten Fregola zu den Linsen hüpfen, schmeckte mit Salz, Pfeffer und Balsamico ab und stellte die Pfanne warm. Die Kochpoetin hatte inzwischen immerhin das Paprikacoulis hergestellt.
Für das Paprikacoulis**:
- 1 rote Spitzpaprika, geputzt, fein gewürfelt
- 2 Schalotten, fein gehackt
- 1 EL Olivenöl
- 100 g Kalbsfond
- Salz, weißer Pfeffer, frisch gemörsert
- 1 Pr. Zucker
Sie hatte Schalotten- und Paprikawürfel in Olivenöl leicht angeschwitzt, den Fond hinzu gegeben und bei mittlerer Hitze um die Hälfte einkochen lassen. Nun pürierte sie das Coulis mit dem Stabmixer, schmeckte es Salz, weißem Pfeffer und einer Prise Zucker ab und verdrehte beim Kosten verzückt die Augen. Allein dieses Sößchen sei absolut himmlisch. Ich hatte in der Zwischenzeit zwei Salsicce in wenig Olivenöl rundherum gebräunt und anschließend in Scheiben geschnitten. Es konnte angerichtet werden. Das Fotografieren fiel mir bei diesem Gericht schwerer als sonst, da es einfach zu köstlich roch. Irgendwie bekam ich dann aber doch die obligatorischen Bilder in den Kasten.
Fazit: Die Welt konnte das neu kreierte Linsen-Gericht leider nicht verändern, aber geschmeckt hat es uns ganz vorzüglich. Das Paprikacoulis nahm den Linsen die allzu erdige Schwere und fügte eine derartige Fruchtigkeit hinzu, dass wir nur staunen konnten. Herr Dollase hätte über unsere vollgefüllten Teller wahrscheinlich nur die Nase gerümpft, aber das war uns in diesem Moment herzlich egal. Sollte er sich doch mit seinen Mikroelementen herumschlagen, dachte ich mir und schob den letzten Löffel beherzt in den Mund.
Linsen und Paprikacoulis inspiriert von: [K]ein Kochbuch – Das Buch, das kein Kochbuch sein will Lucas Rosenblatt, Robert Sprenger
*Himmel und Erde – In der Küche eines Restaurantkritikers Jürgen Dollase
** Wikipedia erklärt zwar, das es sich bei einem „Coulis“ um ein ungewürztes Gemüse- oder Fruchtpüree handele, aber ich halte mich einfach mal an die Bezeichnung aus dem Kochbuch.