Schichtwechsel

torte 4Wie entsteht eigentlich ein „neues“ Rezept? Mal abgesehen davon, dass es wahrscheinlich nichts absolut Brandneues mehr zu entdecken oder zu entwicklen gibt. Im Falle dieses doppelt geschichteten Cheesecakes war es, wie bei uns üblich, ein Gedankenpingpong zwischen Herrn H. und mir. Ich hatte riesigen Appetit auf einen Cheesecake, so etwas wie die Satine schwebte mir vor. Allerdings stört mich an Cheesecakes allgemein der oft zu fettige, doppelt gebackene Mürbe- oder Keksteigboden. Ich fragte mich, ob es einen Grund gäbe, aus dem er unbedingt verwendet werden muss, fand jedoch keine Antwort. Also müsste auch ein schlichter Mürbeteig funktionieren. Im Kühlschrank befand sich noch eine herrliche Blutorange, die wollte ich für den Guss verwenden. Herr H. warf ein, dass sich Schokolade in Kombination mit Orange ja sehr gut mache, Klassiker, also müsste es ein Schokoladenmürbeteig werden. Und ich führte seinen Gedanken weiter und schlug vor, auch die Cheesecakemasse zu schokoladieren. Neugierig machten wir uns ans Werk.

Für den Schokoladenmürbeiteig (1 Ring 16cm Durchmesser, Rand 3,5cm hoch):

  • 90 g weiche Butter
  • 45 g Puderzucker
  • 15 g Eigelb (ein kleines)
  • 140 g Weizenmehl 405er
  • 15 g Kakaopulver (ich: Criollo)

schokomürbeteig serieFür die Schale wird nur etwa die Hälfte des Teiges benötigt. Der übrige Teig hält sich im Kühlschrank ca. 1 Woche, tiefgefroren mehrere Monate. Oder man bäckt aus dem Rest Kekse. Wie auch immer. Ich verrührte die weiche Butter mit dem Puderzucker, arbeitete das Eigelb ein und siebte Mehl und Kakaopulver darüber. Herr H. knetete den Teig rasch zusammen und legte ihn gut eingepackt für 2 Stunden in den Kühlschrank. Ich rollte dann die Hälfte zwischen Folie ca. 3mm dünn aus, löste eine Seite der Folie und legte den Teig mit der Folie nach oben über den gebutterten Ring. Mithilfe der Folie passte ich den Teig ein, schnitt die überstehenden Ränder ab und stippte ihn mit der Gabel. Nach 30 Minuten im Eis (das erspart das Bildgebacke, ich kann es nicht oft genug wiederholen), buk ich die Schale ca. 17 Minuten bei 180°C.

Für die Schokoladen-Cheesecakemasse:

  • 160 g Frischkäse
  • 45 g Zucker
  • 10 g Weizenmehl 550er
  • 35 g Ei (ein kleines, etwas Eiweiß abgenommen)
  • 20 g Sahne
  • 5 g Kakaopulver
  • 50 g Kuvertüre 60%ig, gehackt, im Wasserbad geschmolzen

schokoladen cheesecakemasse serieHerr H. verrührte bei mittlerer Geschwindigkeit Frischkäse und Zucker, siebte das Mehl darüber und rührte es ein. Ich erhitzte die Sahne (Restwärme im Backofen) und rührte den Kakao ein. Herr H. gab nun das Ei zur Masse und arbeitete es ein. Ich vermengte die Schokoladensahne mit den geschmolzenen Kuvertüre und gab sie zur Masse. Herr H. rührte ein letztes Mal und ich füllte die Masse in die Mürbeteigschale. Anschließend buk ich alles 1 Stunde bei 100°C. Nachdem der Cake abgekühlt war, stellte ich ihn in den Kühlschrank.

Für die leichte Frischkäsecreme (1 Ring 14cm):

  • 1,7 g Gelatine (1 Blatt), in kaltem Wasser eingeweicht
  • 22 g Zucker
  • 7 g Wasser
  • 15 g Eigelb
  • 65 g Frischkäse
  • 4 g Puderzucker
  • 80 g Sahne, zu 80% aufgeschlagen

leichte käsecreme serieIch kochte Zucker und Wasser bei 118°C, Herr H. schlug das Eigelb an. Als die Temperatur erreicht war, gab ich den Sirup in einem feinen Strahl zum Eigelb, während Herr H. weiter schlug, bis der Pate à bombe weißschaumig und wieder abgekühlt war. Ich schmolz Frischkäse und Puderzucker im Wasserbad, bis beides ca. 40 °C warm war, löste die Gelatine ebenfalls im Wasserbad auf, gab etwas Frischkäse dazu und rührte die Mischung unter den Frischkäse. Dann rührte ich nacheinander Pate à bombe und Schlagsahne unter und füllte die Creme in den 14er Tortenring, dessen Boden ich mit Alufolie verschlossen hatte. Nachdem die Creme im Kühlschrank fest geworden war, fror ich sie ein.

Für den Blutorangenspiegel:

  • 150 g Blutorangensaft, Fruchtbestandteile abgesiebt
  • 45 g Zucker
  • 3 g Pektin-NH (oder 2,5 g Gelatine)

blutorangenguss serieBevor ich die Orange auspresste, entfernte ich die Schale mit dem Zestenreißer für die spätere Dekoration. Ich hatte dieses Mal großes Glück mit der Blutorange, das Fruchtfleisch war tiefdunkelrot. Erwischt man eine weniger farbintensive Orange, wird der Spiegel heller oder man fügt etwas rote und gelbe Farbe hinzu. Ich erhitzte den Saft mit 20g Zucker, verrührte den restlichen Zucker mit dem Pektin und rührte es in den Saft, als dieser ca. 50°C warm war. Dann kochte ich alles bei sanfter Hitze auf und ließ es 2 Minuten köcheln. Herr H. füllte den Spiegel zum Abkühlen in eine Schale. Bei 35°C kann er verwendet werden.

füllen serieIch befreite die leichte Käsecremescheibe aus dem Ring (warmer Lappen), legte sie auf der Palette auf ein Gitter, das ich über eine Form gelegt hatte. Nachdem ich einmal tief durchgeatmet hatte, mit dem Glasieren stehe ich immer noch etwas auf dem Kriegsfuß, goss ich den Spiegel beherzt mittig über die Scheibe. Er zog innerhalb von Sekunden an, so dass die Ränder wieder einmal nur ungleichmäßig bedeckt waren. Nach kurzer Verschlimmbesserung, Herr H. schimpfte wie ein Rohrspatz, plazierte ich die Scheibe auf dem Cake und stellte ihn kalt.

Für die kandierten Zesten:

  • Zesten einer Blutorange
  • 30 g Zucker
  • 56 g Wasser

zesten serieIch kochte Zucker und Wasser auf, bis der Zucker komplett gelöst war, gab die Zesten hinein und ließ sie 10 Minuten bei schwacher Hitze köcheln. Dann goss ich sie ab, fing den Sirup auf (kann anderwertig verwendet werden) und ließ sie ca. 30 Minuten abtropfen. Herr H. drapierte sie anschließend liebevoll auf der Oberfläche des Cakes und trug ihn hinüber ins Studio. Ich konnte meine Neugier ob des Geschmacks kaum noch bezähmen.

torte 8Fazit: Entgegen meiner Befürchtung ließ sich der hohe Mürbeteigrand problemlos schneiden. Verzichtet man auf die Zesten, erhält man eine noch sauberere Schnittkante. Als Herr H. die Stückchen zum ersten Mal erblickte, entfuhr ihm ein begeistertes Wow. Der Farbwechsel der beiden Schichten im Kontrast zum knallroten Spiegel gefiel auch mir sehr gut. Während ich vor Ungeduld leicht auf und ab hüpfte, konzentrierte Herr H. sich ein letztes Mal. Dann senkten wir die Gabeln. Was für ein Hochgenuss! Ich konnte und kann mich vor Begeisterung kaum einkriegen. Die Schokoladencheesecakeschicht war absolut cremig, tief schokoladig und schmolz förmlich im Mund. Die leichte Creme hielt mit eleganter Kühle dagegen und alles verband der intensive Blutorangennachhall. Soo köstlich. Herr H. betonte, dass auch der Mürbeteig wunderbar „kurz“ (also mürbe) sei. So ist zwar nicht bahnbrechend Neues, aber immerhin ein köstlicher Cheesecake entstanden.

Schokoladenmürbeteig aus: Schokolade William Curley

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