A poor mans steak

Buletten mit Schnittlauchpü 5

Nach der ein oder anderen Kochkapriole, die Herr H. und ich geschlagen hatten, stand ihm, ganz im Gegensatz zu mir, der Sinn nach etwas Bodenständigem. Ein schlichtes Steak mit Kartoffelpüree und notfalls ein paar Möhrchen, bitte. Der Blick auf die Uhr ergab sehr zu seinem Leidwesen, dass es bereits viel zu spät war, das delikate Fleisch von einem gefrorenen in einem raumtemperierten Zustand zu überführen. Nur Hackfleisch verzeiht die rabiate Heißwasserbehandlung. Aber hey, sagte ich ihm, eine Frikadelle ist doch auch so eine Art Steak, nur eben für weniger Betuchte! Gnädigerweise nickte er zustimmend und statt Möhrchen zauberte ich gelbe Rübchen aus dem Gemüsefach. Eine Premiere.

Für die Frikadellen:

  • 300 g Kalbshack
  • 1 Scheibe Speck, gewürfelt, ausgelassen
  • 1 Schalotte, fein gehackt, in Butter glasiert
  • 1 kleines Ei
  • 1 Handvoll Panko
  • Meersalz, schwarzer Pfeffer
  • 1 Handvoll Estragon, grob zerkleinert

buletten serie

Die Fertigung delikater Frikadellen ist im Hause H. fest in männlicher Hand. Alles, was zu Pflanzerln oder Bällchen geformt und anschließend gebraten oder frittiert wird, unterliegt seiner strengen Kontrolle. Gut für mich, weniger Arbeit, mehr Zeit. Herr H. gab alle Zutaten für die Frikadellen in eine Schüssel, verknetete sie von Hand ausgiebig zu einer bindigen Masse und ließ diese ca. eine halbe Stunde kühl stehen. Dann formte er daraus etwa golfballgroße Bällchen, drückte sie leicht flach und briet sie bei mittlerer Hitze goldbraun. Die fertigen Frikadellen stellte er warm.

Für die glacierten gelben Rübchen:

  • 4 gelbe Rübchen , geschält, in dünne Spalten geschnitten
  • 50 g Butter
  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 1 kleine Knoblauchzehe, fein gehackt
  • 1 Thymianzweig
  • 1/2 TL Rohrzucker
  • 1 Schluck Weißwein oder Noilly Prat
  • 100 g Geflügelfond
  • 50 g Möhrensaft
  • Meersalz

rübchen Serie

Ich zerließ die Hälfte der Butter in einem Topf, schwitze Schalotte und Knoblauch darin farblos an und gab Rübchen, Zucker, etwas Salz und den Thymian hinzu und ließ alles kurz schmurgeln. Dann löschte ich mit wenig Noilly Pratt ab, ließ ihn fast vollständig einkochen und gab Fond und Saft hinzu. Abgedeckt durften die Rübchen bei schwacher Hitze garen. Anschließend reduzierte ich die Flüssigkeit fast vollständig, gab die restliche Butter hinzu und schmeckte mit etwas Salz ab. Herr H. hatte währenddessen ein Kartöffelpüree mit Schnittlauch auf seine Art aus geschält gegarten Kartoffeln bereitet und erfreulich früh stand das Essen auf dem Tisch.

Buletten mit Schnittlauchpü 1

Fazit: Solide Hausmannskost, bemerkte ich während des Essens. Die gelben Rübchen hatten ein sehr interessantes Aroma, leicht scharf und irgendwie exotisch. Besser kann ich es nicht beschreiben. Auf jeden Fall eine gute Alternative zu den ewigen Winterwurzeln. Nach dem Essen lehnte Herr H. sich hochzufrieden zurück und bekundete, dass auch die Herstellung einer perfekten Frikadelle hohe Kochkunst sei. Essentiell sei die Zugabe von ausgelassenen Speckwürfeln und dass die Zwiebeln in gegartem Zustand seien, bevor sie in die Masse wanderten. Es müsse wahrlich nicht immer unbedingt Steak sein. Ich nickte, dachte mir meinen Teil und schwieg.

 

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Wahrlich königlich

königsberger klopse 5Zugegeben, Uroma Mariechen hätte wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und geschimpft, „Marjellche, Marjellche, DAS sind doch keine Königsberger Klopse“. Ich hoffe sehr, dass sie mir vergibt. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich an dieses Rezept gewagt habe. Zu deutlich war die Erinnerung an das Leibgericht meiner Kindheit, das sie meisterhaft zuzubereiten wusste. Das zweite Leibgericht. Das erste waren Plinsen (hochdeutsch: Kartoffelpuffer), in reichlich Fett ausgebraten, so dass ich auf dem Nachhauseweg von der Schule schon von Weitem riechen konnte, dass es sie gab. Sobald ich das erste Geruchsmolekül erschnuppert hatte, begann ich zu rennen, so sehr liebte ich sie. Theoretisch wurde dazu Apfelmus serviert, das ich jedoch verschmähte. Dick mit Zucker bestreut mussten sie sein. An guten Tagen schaffte ich nahezu 10 Stück. Nicht gerade figurfreundlich, aber soo gut. Zurück zu den Klopsen. Herr H. gab wie üblich den letzten Anstubser zum Ausprobieren des Rezepts.

Für die Königsberger Klopse:

  • 1/2 altbackenes Brötchen (ca. 30 g)
  • 50 g Milch
  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 15 g Speck, fein gewürfelt
  • 1/2 Bd. glatte Petersilie, fein gehackt
  • Öl zum Braten
  • 200 g Kalbshackfleisch
  • 1 sehr kleines Ei oder 1/2
  • 1/2 TL Senf
  • 1 TL Kapern, fein gehackt
  • 1/2 Sardellenfilet, fein gehackt
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 1 Lorbeerblatt
  • ca. 400 g Brühe zum Garziehen

klopse serieBällchen aller Art sind Herrn H.s Metier. Er schwitze Schalotten und Speck in etwas Öl glasig, weichte das gewürfelte Brötchen in Milch ein und stellte die übrigen Zutaten bereit. Dann gab er das Hack, die Gewürze, die ausgekühlte Schalotten-Speck-Mischung, das gut ausgedrückte Brötchen, das Ei und die Gewürze in eine Schüssel und knetete sie von Hand zu einer homogenen Masse. Diese stellte er für einen halbe Stunde in den Kühlschrank, bevor er etwa golfballgroße Klopse daraus formte. Er kochte die Brühe mit dem Lorbeerblatt kurz auf, legte die Klopse ein und reduzierte die Temperatur auf ein sehr sanftes Sieden (ca. 85°C). Nach 15 Minuten waren die Klopse gar. Ich hatte in der Zwischenzeit Salzkartoffeln und Möhren gegart. Rote Bete wären passender gewesen, aber es waren keine im Haus.

Für die Sauce:

  • 2 Champignons, blättrig geschnitten
  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 2 TL Kapern
  • 1 Sardellenfilet, fein gehackt
  • 1 TL Butter
  • 2 TL Mehl
  • 25 g Weißwein
  • 150 g Kalbsfond
  • 20 g Crème fraîche
  • 100 g Sahne
  • Salz, Cayennepfeffer
  • Zitronensaft zum Abschmecken
  • 1 sehr kleines Eigelb oder 1/2
  • 20 g eiskalte Butter
  • 1 EL geschlagene Sahne
  • Petersilie und Kapern zum Garnieren

sosse serieMan kann natürlich auch die Brühe, in der die Klöpse gegart wurden, für die Sauce verwenden, aber mit frischem Fond wird die Sauce noch feiner. Ich verwendete die Brühe anderntags für ein Risotto. Für die Sauce dünstete ich Champignons, Schalotte, 1 TL Kapern und das Sardellenfilet in der Butter an. Dann stäubte ich das Mehl darüber, ließ es kurz mitschwitzen und löschte mit der Hälfte des Weins ab. Nun gab ich den Fond hinzu und ließ ihn nahezu einreduzieren. Danach rührte ich Crème fraîche und Sahne ein, schmeckte mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft ab und schlug die Sauce mit dem Stabmixer auf. Herr H. verrührte das Eigelb mit der restlichen Weißwein. Ich schlug die Mischung unter die Sauce (sie darf nun nicht mehr kochen!), montierte die eiskalte Butter ein und hob die geschlagene Sahne unter. Endlich konnte angerichtet werden.

königsberger klopse 6Fazit: Ich traue mich kaum es zu sagen. Diese Königsberger Klopse waren um Längen besser als die meiner Erinnerung. Bitte vergib mir, Mariechen. Die Klopse waren saftig, unglaublich locker und aromatisch und die Sauce ein absoluter Traum in Cremigkeit und Geschmack. Die mit etwas Estragon gewürzten Möhren passten erstaunlich gut. Und das ist, glaube ich, das einzige Gericht, zu dem ich Salzkartoffeln als unabdinglich empfinde. Herr H. schwelgte ebenso begeistert in den Klopsen und verlangte, sie von nun an häufiger serviert zu bekommen. Wir werden sehen.

Aus: Klassiker – Über 300 internationale Rezepte mit Tipps und Varianten von Johann Lafer Teubner Verlag

Rather British

meatballs 12Das Kalbshack war aufgetaut. Herrn H. gelüstete es nach Fleischbällchen, über eine genaue Zubereitungsart war noch nicht entschieden. Während ich innerlich seufzte und mich auf ein sehr spätes Abendessen einstellte, blätterte er, hielt inne und rief begeistert aus, dass er nun das passende Rezept gefunden hätte. Ich sah es mir an, las den Titel des Rezepts, „Lammbällchen mit Rosmarin“ und wies ihn darauf hin, dass wir doch gar kein Lammhack hätten. Quatschkram, entgegnete er, mit entsprechender Anpassung der Würzung sei das überhaupt kein Problem und er sei ganz besonders wild auf den Yorkshire Pudding. Im Gegesatz zu mir hatte er nicht als Austauschschüler zum Sunday Roast bei der Großmutter gemusst. Meine Erinnerung an diese Begebenheit ließ mein Herz beim Wort Yorkshire Pudding nicht zwangsläufig höher schlagen, milde ausgedrückt. Aber was tut man nicht alles…

Für die Lammbällchen mit Rosmarin:

  • 1 EL Olivenöl
  • 1 kleine Zwiebel, fein gewürfelt
  • 2 Knoblauchzehen, zerdrückt (ich: 1, fein gehackt)
  • 1 Ei Gr. S (ich: ich Scheibe Weißbrot, gewürfelt, für 10 Minuten in ca. 50 g Joghurt eingeweicht)
  • 250 g Lammschulter, durchgedreht (ich: 250 g Kalbshack)
  • 50 g Semmelbrösel (ich: weg gelassen)
  • 1 EL fein gehackte Rosmarinnadeln
  • 1 EL frische, gehackte Petersilie
  • 1 TL körniger Senf (ich: Djionsenf)
  • abgeriebene Schale 1/2 Zitrone
  • 1 TL Zitronensaft
  • 1/2 TL Salz, schwarzer Pfeffer

klopse serieWährend ich alle Zutaten bereit stellte, dünstete Herr H. die Zwiebeln glasig, fügte zuletzt den mit groben Meersalz gemörserten Knoblauch hinzu und ließ die Zwiebelmischung anschließend abkühlen. Ich hatte bereits geahnt, dass er kein Jota vom Rezept abweichen würde, konnte aber immerhin die Joghurt-Brot-Variante statt des Eis durchsetzen. Irgendwie bekommen Fleischbällchen dadurch eine herrlich saftige Konsistenz. Herr H. knetete den Teig hingebungsvoll und stellte ihn für eine halbe Stunde kalt. Dann formte er flache Klopse, die er in Butterschmalz knuspig braun briet. Dabei fluchte er ununterbrochen, da unsere beschichtete Greenpan anscheinend einen unsichtbaren Belag hatte, der dafür sorgte, dass die Bällchen ständig wieder ansetzten. Da half auch kein zusätzliches Fett.

Für das Ofengemüse:

  • einige kleine neue Kartoffeln, halbiert
  • 1 rote Spitzpaprika, grob gewürfelt
  • 1 Zucchino, grob gewürfelt
  • 1 Stange Staudensellerie, in dünne Scheibchen geschnitten
  • 2 kleine Möhren, in feine Scheiben geschnitten
  • 3 kleine Tomaten, geachtelt
  • 1 rote Zwiebel, in Spalten geschnitten
  • 1 EL frisches Bergbohnenkraut, abgestrippelt, gehackt
  • 2 EL Olivenöl
  • 2 EL flüssiger Honig
  • 1 TL Zitronensaft
  • Meersalz, schwarzer Pfeffer
  • 4 EL geröstete Pinienkerne (ich: weg gelassen)

ofengemüse  serieMan kann für das Ofengemüse alles aus dem Kühlschrank zusammensammeln und muss nur darauf achten, die Größe der Stückchen der unterschiedlichen Garzeiten anzupassen. Ich heizte den Backofen auf 220°C vor, während Herr H. sich um’s Zerkleinern kümmerte. Dann verrührte ich Honig, Olivenöl und Gewürze in einer großen Schüssel (zu der es einen Deckel gibt), gab die Gemüsewürfel hinein und schüttelte alles (mit geschlossenem Deckel) kräfitig durch. Wirklich jeder Würfel wird so gleichmäßig mit der Würzsauce überzogen. Nun gab ich das Gemüse in eine flache Auflaufform und stellte es in den Backofen. Alle 10 Minuten rührte ich es gut durch. Nach einer guten halben Stunde war es fertig.

Für den Bowler (Yorkshire) Pudding (5 10cm Formen):

  • 1 Ei
  • 100 g Milch
  • 50 g eiskaltes Wasser
  • 60 g Mehl
  • 1 Prise Salz
  • Pflanzenöl oder Rindertalg (ich: Butter)

bowlerpudding serieDen Teig hatte ich bereits parallel zu dem Hackteig bereitet, da er mindestens eine Stunde (besser über Nacht) kalt ruhen soll, damit das Mehl quillt. Ich hatte Ei, Milch und Eiswasser in einer Schüssel gründlich verschlagen, das Mehl darüber gesiebt und dabei immer weiter gerührt, damit sich keine Klümpchen bildeten. Da ich keine Pastetenbackform besitze, hatte ich 5 Tarteletteförmchen mit jeweils etwas Butter bepinselt und für 10 Minuten in den heißen Backofen gestellt. Die Form sollte sehr heiß sein, bevor man den Teig einfüllt, da er ansonsten nicht aufgeht. Nun befüllte ich alle Förmchen zu 2/3 und stellte sie in den 220°C heißen Backofen. Nach 20 Minuten waren sie goldbraun und herrlichen aufgegangen. Ich liebe solche Erstversuchserfolge!

Für die Rotweinsauce:

  • 1 EL Olivenöl
  • 2 Schalotten, in feine Ringe geschnitten
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 1 kleine Knoblauchzehe, zerdrückt
  • 1 kleiner Zweig Rosmarin
  • 15 g Rotweinessig
  • 1 TL rotes Johannisbeergelee
  • 200 g Rotwein
  • 200 g Geflügel- oder Lammfond
  • 10 g kalte Butter

rotweinsosse serieWährend ich die Schalottenringe weich dünstete, knurrte mein Magen laut vernehmlich. Kein Wunder, es war schließlich schon 21h. Ich fügte Knoblauch und Rosmarin hinzu, dünstete unter Rühren weiter und gab Essig und Gelee in den Topf. Nach kurzer Zeit hatte sich eine sirupartige Konsistenz entwickelt. Ich goß den Rotwein an, ließ ihn um die Hälfte reduzieren und endlich den Fond. Alles sollte nun um ca. 2/3 reduziert werden. Der gute Geruch entschädigte uns für die gefühlte Ewigkeit, die das dauerte. Ich passierte die fertige Sauce, gab sie zurück in den abgespülten Topf, schmeckte mit Salz und Pfeffer ab und rührte die kalte Butter in Stückchen mit dem Schneebesen unter. Fertig!

meatballs 14Fazit: Während des Fotografierens strahlte Herr H. mit der glänzenden Sauce um die Wette. Wir verzichteten darauf, die Bilder sofort zu sichten, darauf vertrauend, dass sie schon gut genug wären. Ich richtete an und wir probierten. Hammer! Selten habe ich so spät und so köstlich gegessen. Der Pudding war fluffig und zart, die Rotweinsauce kräftig und vielschichtig, die Fleischbällchen perfekt und das Ofengemüse genau richtig gar. Nachdem wir alles wirklich bis zum letzten Saucenrest verputzt hatten, lehnten wir uns beide satt zufrieden zurück. Herr H. merkte am nächsten Tag beim Bearbeiten der Bilder an, das wir dieses umwerfende Gericht möglichst zeitnah noch einmal kochen müssten. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden.

Aus: Fleischbällchen – Ein Kult erobert die Welt Jez Felwick