Neben dem bitteren Vergnügen steckte noch eine weitere Köstlichkeit im Herrn H.s Einkaufstasche, ein Pfund echter wilder Spargel aus Italien. Ich traute meinen Augen kaum, als er es mir entgegen hielt, welch Schatz! Fieberhaft überlegten wir, wie wir ihn auf die beste Art und Weise würdigen konnten. Nach einer ausgedehnten Recherche stießen wir auf eine sehr ansprechende Vorspeise, die wir sogleich für den nächsten Abend planten. Einige Zutaten, die sich bis dahin partout nicht auftreiben lassen wollten, ersetzen wir freimütig, obwohl uns bewusst war, dass dieser Ersatz durchaus Auswirkungen auf das gewünschte Geschmackserlebnis haben könnte. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Für die Gemüsemousse:
- 1 Stange Grünspargel, unteres Ende ggf. geschält (ich: einige Stängelchen wilder Spargel, etwa der Dicke eine normalen Spargelstange entsprechend, unteres Drittel entfernt, gestückelt)
- 1 EL Tiefkühlerbsen
- 50 g Sahne
- 50 g Gemüsefond
- 1/2 TL Agar-Agar
Ich kochte Sahne und Gemüsefond in einem kleinen Topf auf, gab Spargelstücke und Erbsen hinzu und ließ alles abgedeckt ca. 7 Minuten köcheln. Dann pürierte ich das alles, gab die Masse durch ein feines Sieb zurück in den gesäuberten Topf und kochte sie erneut auf. Herr H. rührte das Agar-Agar ein und füllte die Masse in sechs Halbkugeln (7 cm Durchmesser) und stellte sie kalt. Nach ca. 1,5 Stunden war sie perfekt erstarrt. Wer keine Halbkugelformen hat, kann die Masse auch ca. 2 cm hoch in eine flache Form geben und nach dem Erstarren Kreise daraus ausstechen.
Für die Sauce:
- 7,5 g Butter
- 5 g Schalotte, fein gewürfelt
- 25 g trockener Weißwein
- 50 g Fischfond
- 50 g Sahne
- 1 Spitzer Zitronensaft
Herr H. schäumte die Butter in einem kleinen Stieltopf auf, schwitze die Schalotte farblos darin an und goss Wein und Fond an. Nachdem die Flüssigkeit ca. auf ein Drittel reduziert war, gab er die Sahne hinzu und ließ alles erneut auf ein Drittel reduzieren. Dann passierte er die Sauce durch ein feines Sieb und stellte sie bis zur Verwendung warm. Kurz vor dem Verwenden schmeckte er mit einem Spitzer Zitrone ab und schlug die Sauce mit dem Stabmixer auf.
Für den roh marinierten Spargel:
- 2 Grünspargel, oberes Drittel (ich: eine Handvoll wilden Grünspargel, Enden großzügig gekürzt)
- etwas Olivenöl
- etwas Apfel-Balsamessig
Ich legte die Spargelstangen in eine flache Schale, beträufelte sie mit etwas Öl und Essig und vermengte alles mit den Händen. Vor der Verwendung sollte der Spargel ca. 1 Stunde bei Zimmertemperatur lagern.
Für die gegarten und rohen Buchenpilze:
- 10 g Butter
- 100 g weiße Buchenpilze (ich: braune Champignons, größere halbiert)
- 50 g Geflügelfond
- 50 g Sahne
- eine Handvoll rohe Buchenpilze zum Anrichten (ich: weg gelassen, da ich keine rohen Pilze essen mag)
Ich zerließ die Butter in einem kleinen Topf, gab die Pilze hinzu und ließ sie Farbe annehmen. Dann gab ich den Fond hinzu, ließ ihn aufkochen, gab die Sahne hinein und ließ alles ca. 10 Minuten offen köcheln, so dass zum Schluss die Flüssigkeit fast vollständig reduziert war. Die fertig gegarten Pilze stellte ich ebenfalls warm. Buchenpilze waren leider beim besten Willen nicht aufzutreiben gewesen. Ich hoffte sehr, dass der doch recht kräftige Geschmack der braunen Champignons sich nicht allzu störend auswirken würde.
Zum Fertigstellen:
- 4 Grünspargelspitzen, in Salzwasser al dente gegart (ich: ca. 200 g wilder Grünspargel)
- 2 Steinbuttfilets, in Butter ca. 6 – 8 Minuten gebraten (ich: 200 g Jacobsmuscheln)
- 1 Scheibe Toastbrot, in Würfel mit 5 mm Kantenlänge geschnitten, in Butter leicht coloriert (ich: helles Brot)
- Fenchelgrün
- Veilchenblüten
- Mandelsplitter
Auch ein Steinbutt schwamm uns beim samstäglichen Einkauf leider nicht über den Weg. Mussten halt die Jacobsmuscheln aus dem Vorrat herhalten. Herr H. briet sie pro Seite ca. 2 Minuten bei mittlerer Hitze in etwas Butter. Ich hatte derweil den Spargel geputzt und mit wenig Salz und Zucker in Olivenöl im eigenen Saft einige Minuten in der Pfanne al dente gegart. Die Croutons hatten wir bereits zuvor in Butter goldbraun gebraten und auf Küchenkrepp entfetten lassen. Ich gab rohen und gegarten Spargel auf die Teller, Gemüsemousse, Jacobsmuscheln, braune Champignons, etwas aufgeschäumte Sauce und einige Croutons. Es roch wirklich sehr verlockend. Herr H. hatte Bedenken ob des recht sparsamen Einsatzes von Salz und Pfeffer, aber ich war zuversichtlich.
Fazit: Ich gebe zu, dass die Vorspeise im Rahmen eines kleinen Menues doch recht aufwändig ist. Wir genossen sie deshalb als Hauptspeise und aßen noch ein paar Pellkartoffeln hinterher. Der Aufwand hatte sich allerdings absolut gelohnt. Der wilde Spargel schmeckte viel feiner als der grüne Zuchtspargel, der mir manchmal etwas zu intensiv ist. Mousse und Jacobsmuscheln ergaben eine äußerst interessante Konsistenz, Temperatur und Aromenkombination. Salz und Pfeffer vermisten wir beide nicht. Alles in allem war einfach wunderbar und ich fühlte mich direkt in ein nobles Restaurant versetzt. Allein der anschließende Abwasch störte die herrliche Illusion.
Aus: Himmel und Erde – In der Küche eines Restaurantkritikers Jürgen Dollase