Kung who?

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Der einzige Fond, den ich in relativ kurzen Abständen regelmäßig selbst koche, ist Hühnerfond, vorzugsweise aus Perlhuhn-Karkassen. Das hatte sich einmal so ergeben und ich war vom aromatischen Geschmack des Fonds so begeistert, dass ich ihn inzwischen nur noch so mache. Am Wochenende zwischen allerlei Terminen schafften wir noch einen kurzen Abstecher ins Feinkostgeschäft. Das war auch dringend nötig, mein Hühnerfond neigte sich dem Ende. Da ich zwar schon das ein oder andere Huhn zerlegt habe, es aber immer noch nicht schaffe, jeden kleinsten Zipfel Fleisch säuberlich von den Knochen zu trennen, bleiben nach dem Kochen immer reichlich (recht geschmacksneutrale) Fleischreste. Die zupfe ich ab und benutze sie meist kräftig gewürzt als Füllung für Potstickers und Co.. Gestern Abend war ich schlicht zu faul kleine Teigtäschchen zu füllen. Glücklicherweise stolperte ich auf der Suche nach Alternativen über ein scheinbar weltberühmtes, kräftig gewürztes Sichuan-Hühnchen-Rezept. Ich hatte erstaunlicherweise noch nie davon gehört und das Schließen dieser kulinarischen Lücke passte bestens zu meiner Trägheit.

Für das Kung Pao-Hähnchen mit Erdnüssen:

  • 300 g Huhn, gewürfelt (ich: ca. 150 g Reste, nach dem Fondkochen von der Perlhuhn-Karkasse gezupft)
  • Marinade: je 1 EL helle und dunkle Sojasauce und Shaoxing
  • 2 kleine Landgurken oder eine halbe Salatgurke, entkernt, in ca. 1 x 1 cm Würfel geschnitten
  • 1 – 2 getrocknete Chilischoten, von den Samen befreit
  • 2 Frühlingszwiebeln, in 1 cm Ringe geschnitten
  • 10 g Ingwer, geschält, feingehackt
  • 1 kleine Knoblauchzehe, fein gehackt
  • (ich: 1/2 rote Paprika, in dünne Streifen geschnitten)
  • 3 EL Öl
  • 1 TL Sichuan-Pfefferkörner
  • 2 TL Chili-Bohnen-Paste (Pixan douban)
  • 4 Zweige frischer Oregano (optional), Blättchen gezupft
  • 80 g ungesalzene, geröstete Erdnusskerne

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Als erstes verrührte ich Sojasaucen und Shaoxing und vermengte sie mit den Hühnchenresten. Verwendet man frisches Huhn, sollte es mindestens 1 Stunde darin marinieren. Dann gab ich die Gurkenwürfel in ein Sieb, bestreute sie mit wenig Salz und stellte sie ebenfalls beiseite. Herr H., der inzwischen eingetrudelt war, beäugte neugierig die bereit gestellten Zutaten und merkte an, dass das so gar nicht nach den angekündigten Potstickers aussähe. Ich erklärte ihm Plan B und er trollte sich zufrieden brummend. Ich erhitzte ca. 2 EL Öl in der Wokpfanne, briet Sechuanpfeffer und Chili ca. 30 Sekunden darin kräftig an und entfernte sie anschließend. Wer frisches Huhn verwendet, brät es nun mitsamt der Marinade in eben jenem Öl ca. 1 Minuten an. Ich briet zunächst Knoblauch, Ingwer, Frühlingszwiebeln und Paprika, gab dann Chili-Bohnen-Paste und mariniertes Huhn dazu und ließ alles kurz braten. Dann fügte ich die Kung Pao-Sauce dazu, ließ alles kurz köcheln und hob Gurkenwürfel, Erdnüsse und Oregano unter. Es duftete schon einmal herrlich. Der Reiskocher hatte wie üblich zwischenzeitlich den Reis gegart.

Für die Kung Pao-Sauce:

  • 2 EL Öl
  • 4 EL passierte Tomaten
  • 2 EL Zucker
  • 1/2 TL Salz
  • 2 EL dunkler Reisessig (Shinkiang)
  • 1 TL Sesamöl (ich: nur ein paar Tropfen, da sehr intensiv)
  • 1/4 TL Maisstärke in 1 TL Wasser gelöst

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Für die Sauce hatte ich etwas Öl in einer Pfanne erhitzt, die passierten Tomaten einige Minuten darin angebraten und Zucker und Salz zugefügt. Nachdem der Zucker sich vollständig gelöst hatte, hatte ich den Essig untergerührt und das Sesamöl darüber geträufelt. Da sie Sauce mir sämig genug erschien, hatte ich auf das Binden mit Stärke verzichtet. Herr H., angelockt vom herrlichen Duft des Essens, verteilte Reis und Huhn auf zwei vorgewärmte Schalen und machte sich an die Arbeit.

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Fazit: Der Schärfegrad des Gerichts kann natürlich an die persönliche Toleranz angepasst werden. Ich fand ihn anbetracht der herrschenden Temperaturen perfekt. Zudem mildern die „dumpfen“ Erdnüsse und die frischen Gurken die Schärfe beträchtlich. Herr H. und ich waren schwer angetan von diesem würzigem Gericht und ich werde beim nächsten Mal definitiv auch frisches Huhn dazu verwenden, obwohl es auch mit den Resten schon erstaunlich gut war.

Aus: Sichuan-Pfeffer meets Sauerkraut Qin Xie-Krieger

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Wenn die Sonne unter geht…

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… dann muss man sie sich eben auf den Teller holen. So geschehen kürzlich. Diese köstliche Polenta-Kreation entstand aus einem Moment der vollendeten Planlosigkeit. Ich hatte den ganzen Nachmittag an einer neuen Torte gebastelt und die Zeit völlig aus den Augen verloren.Plötzlich stand Herr H. neben mir und sah mich hungrig an, was es denn zum Abendessen gäbe? Ich zucke sehr ratlos die Schultern und schlug nur spaßeshalber Polenta vor. Er klatschte völlig unerwartet begeistert in die Hände und lief sogleich zur Vorratskammer, um den Maisgrieß zu holen. Auf meine Frage, was es denn dazu gäbe, antwortete er bloß lapidar, darauf und nicht dazu. Ich ließ ihn machen und bereitete alles nach seiner Anweisung zu.

Für die Polenta:

  • 400 g Gemüsefond
  • 75 g Milch
  • 1 EL Olivenöl
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 100 g Maisgrieß
  • 25 g Parmesan, fein gerieben

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Ich kochte Fond, Milch und Olivenöl mit einer guten Prise Salz auf, ließ den Maisgrieß unter Rühren einrieseln und schaltete die Hitze nach erneutem Aufwallen auf ein Minimum zurück. Wer das nicht kann, kann den Topf auch bei 120°C in den Backofen stellen. Die Polenta sollte wirklich nur ganz sachte köcheln. Ich deckte den Topf ab und ließ die Polenta 30 Minuten köcheln, währenddessen rührte ich sie alle 10 Minuten einmal kräftig durch. Herr H. hob schließlich den Parmesan unter die fertige Polenta, schmeckt mit Salz und Pfeffer ab und strich sie zu Kreisen von 16 cm Durchmesser auf geöltes Backpapier. Das geht mit Hilfe eines Tarteringes hervorragend. Anschließend durfte sie erstarren.

Für die Hühnersauce:

  • ca. 130 g gekochtes Hühnchenfleisch oder Feta (hier nach dem Fondkochen von der Karkasse gezupft)
  • einige Zweige Estragon, Blättchen abgezupft
  • 2 – 3 EL Crème fraîche
  • 1 Pr. Currypulver
  • Salz, schwarzer Pfeffer

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Ich denke, es muss in diesem Fall nicht unbedingt Hühnchen sein. Ich hatte es halt vom letzten Fondkochen noch übrig. Das ausgekochte Fleisch sollte eher kräftig gewürzt werden, da das Aroma größtenteils in den Fond übergeht. Stattdessen kann man sicherlich auch eine Fetacreme mit Kräutern nach eigenem Gusto herstellen. Ich gab alle Zutaten in den Zerkleinerer und ließ ihn laufen, bis eine dickliche Paste entstanden war und stellte sie bis zur Verwendung kalt.

Für den Belag:

  • 1 gelbe Paprika, grob gewürfelt
  • 1 Frühlingszwiebel, in Ringe geschnitten
  • wenig Olivenöl
  • 1 TL Weißweinessig
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 3 kleine Tomaten, in Scheiben geschnitten
  • 25 g Parmesan, fein gerieben.

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Während die Polenta köchelte, hatte ich Paprika und Zwiebel in wenig Olivenöl angebraten, abgedeckt bei schwacher Hitze im eigenen Saft garen lassen und anschließend mit Essig, Salz und Pfeffer abgeschmeckt. Nun strich ich auf jede Polentascheibe etwas Sauce, legte Tomaten und Paprika auf und betreute alles mit Parmesan. Herr H. hatte den Backofen auf 220° Umluft vorgeheizt. Darin durften die Scheiben ca. 15 Minuten verweilen, bis sie appetitlich gebräunt waren. Inzwischen diskutierten wir die Frage, ob man das Gericht „Polenta-Pizza“ nenne dürfe. Dabei kam es leider zu keiner Einigung. Während eine Pizza für mich zwangsläufig einen knusprigen (Hefe-)Teigboden haben muss, um als solche durchzugehen, spielt das für Herr H. keine Rolle.

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Fazit: Wie auch immer man diese überbackenen Polentascheiben nennen mag, sie schmeckten uns auf jeden Fall fantastisch gut. Die Polenta war tatsächlich außen so etwas wie knusprig und innen herrlich cremig. Ich bin recht sicher, dass es dafür „echten“ Polentagrieß braucht, aber selbst der macht sich ja quasi von selbst. Herr H. bestand darauf, das Gericht in den wöchentlichen Turnus aufzunehmen und ich habe ausnahmsweise nichts dagegen. Das war bislang DIE Entdeckung des Sommers 2016. Ich bin schon sehr gespannt, was die Nichte heute Mittag dazu sagen wird.

Ohne Leine

pouletgeschnetzeltes mit zitronenreis 2Es hatte sich schon seit einiger Zeit abgezeichnet. Mein Bedürfnis nach Abgeschiedenheit war gewachsen und gewachsen und vor drei Wochen war es endlich soweit. Herr H. und ich konnten endlich alle Leinen kappen und uns in den „wilden Westen“ aufmachen. Ohne jegliche Verbindung zur Außenwelt. Nun ja, ein Mobiltelefon hatten wir schon dabei. Mit dem man telefonieren kann. Punkt. Und erstaunlicherweise kann man tatsächlich ohne die Hilfe des Internets überleben. Es gibt da draußen noch Menschen, die man um Hilfe bitten oder um Rat fragen kann. Man sollte es nicht für möglich halten. Und es tat gut, so unendlich gut, mal einfach nur dem Wald, den Vögeln und auch Herrn H. zu lauschen und Abendessen ausschließlich in einem Topf zu kochen. Alles rein. Garen. Fertig. Erstaunlich vielfältig war das. Nun sind wir jedoch froh, unseren schicken neuen Herd wiederzuhaben und als erstes musste ob des trüben Wetters dieses sonnige Gericht getestet werden.

Für das Gemüse:

  • ca. 150 g Cherrytomaten, je nach Größe halbiert oder geviertelt
  • 1 kleine orangene Paprika oder 3 Minipaprika, in nicht zu kleine Stückchen geschnitten
  • Salz, etwas Zucker, schwarzer Pfeffer
  • Olivenöl zum Beträufeln
  • (später: ca. 280 g angebratene Hühnchenstreifen oder Kalbsfleischstreifen)

gemüse serieIch heizte den Backofen auf 160°C Umluft (175°C Ober- und Unterhitze) vor, ölte die Auflaufform und legte die Gemüseteile mit der Schnittfläche nach oben ein. Herr H. salzte, pfefferte und bestreute sie mit wenig Zucker, bevor er etwas Olivenöl darüber träufelte. Nach ca. 30 Minuten begann das Gemüse für meinen Geschmack etwas zu stark zu bräunen. Ich reduzierte die Temperatur für die nächsten 20 Minuten auf 130°C. Nach insgesamt 50 Minuten war es perfekt gegart. Ich nahm die Form aus dem Ofen, senkte seine Temperatur auf 80°C und gab die von Herrn H. kurz in etwas Butterschmalz angebratenen Hühnchenbruststreifen hinzu. Dann stellte ich die Form für weiter 15 Minuten in den Backofen.

Für den Pistazien-Zitronen-Reis:

  • 100 g Langkornreis (z. B. Basmati oder Jasmin), gewaschen
  • 25 g grüne Pistazienkerne, ungesalzen
  • 20 g Butter
  • Schale 1/2 Zitrone, fein abgerieben

reis serieDen Reis hatte wie üblich der Reiskocher mit 200 g Wasser (ohne Salz!) gegart. Ich stellte die Schüssel mit dem fertig gegarten Reis für einige Zeit in kaltes Wasser, damit er später beim Anbraten körnig blieb. Herr H. schmolz die Butter in der Pfanne, röstete die Pistazien kurz darin und gab dann den Reis hinzu. Während des Bratens lockerte er den Reis mit dem Löffel auf. Nachdem der Reis wieder angewärmt war, hob er den Zitronenabrieb unter und stellte den Reis abgedeckt warm.

Für die Tomaten-Beurre-Blanc:

  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 10 g Butter
  • 15 g Tomatenmark
  • 80 g Noilly Prat
  • 50 g Weißwein
  • 1 EL Weißweinessig
  • 100 g Kalbsfond oder Geflügelfond (ich: Bratflüssigkeit vom Bressehuhn)
  • 30 g Crème fraîche
  • 30 g kalte Butter
  • Salz, schwarzer Pfeffer

tomaten beurre blanc serieIch schwitze die Schalotte in der Butter farblos an, dünstete das Tomatenmark 2 Minuten mit und löschte dann mit Noilly Prat, Weißwein und Essig ab. Nun durfte alles bei großer Hitze auf ca. 100 ml einkochen. Anschließend gab ich die Sauce durch ein feines Sieb zurück in den gesäuberten Topf, kochte sie nochmals auf und gab den Bratsatz vom Huhn dazu. Falls die Sauce noch sehr flüssig ist, sollte sie erneut 3 Minuten eingekocht werden. Meine war dank geliertem Bressehuhnbratensatz bereits sehr sämig. Ich zog den Topf von der Platte, gab Crème fraîche und Butter hinzu und mixte sie mit dem Stabmixer kräftig durch. Herr H. schmeckte mit Salz und Pfeffer ab und hätte die Sauce wohl auch ohne weiteres pur vertilgt. Ich hob sie unter die Gemüse-Hühnchen-Mischung und richtete alles mit etwas Reis auf vorgewärmten Tellern an. Herr H. war nicht sicher, ob er noch fotografieren könne, da wir in den Ferien (sehr zu seinem Leidwesen) nur meine leichte Digitalkamera dabei hatten. Seine Sorge erwies sich als völlig unbegründet.

pouletgeschnetzeltes mit zitronenreis 7Fazit: Ein sehr feines, raffiniertes und doch einfach zu bereitendes Festessen, perfekt für Eintopfgeschädigte. Die kräftige, leicht säuerliche Sauce hamonierte bestens mit dem frisch zitronigen Reis. Die gerösteten Pistazien setzten interessante Akzente, Tomaten und Paprika waren zart, das Huhn herrlich mürb. Das würde ich durchaus im Rahmen eines kleinen Menues Gästen servieren. Herr H. bedauerte, dass es keinen zweiten Nachschlag gäbe und auch von der Sauce sei viel zu wenig da gewesen. Wie gut, dass es von nun an wieder regelmäßig Feines im Hause H. geben wird.

Aus: Das große Buch vom Fleischgaren bei Niedertemperatur Annemarie Wildeisen (ein überraschend inspirierendes Buch, in dem noch einige Rezepte zur Umsetzung markiert sind)

Der Memory-Effekt

estragon huhn 1Welches Kind liebt das Spiel mit den verdeckten Karten nicht? Ich weiß noch, dass ich seinerzeit häufig gegen Erwachsene spielte und fasziniert beobachtete, wie schwer es ihnen fiel, sich den Platz einer Karte zu merken. Während mein Stapel erfolgreich gefundener Paare wuchs und wuchs, konnten sie am Ende des Spiels meist nur einige wenige Paare vorweisen. Inzwischen bin ich in ihrer, aus meiner damaligen Sicht bedauernswerten, Lage. Riskiere ich heutzutage ein Spiel, ist das Verlieren sicher. Nun beobachte ich erstaunt, wie mühelos meine minderjährigen Herausforderer die Paare einstreichen, während ich oft völlig im Dunklen tappe. War der Ball nicht in der ersten Reihe an dritter Position gewesen? Fehlanzeige. Zum Glück ist es um mein Langzeitbildergedächtnis noch deutlich besser gestellt, so dass mir am Wochenende, als ich das aufgetaute Hühnerbein vor mir sah, sofort wusste, welches Schicksal es ereilen sollte. Es ist zwar schon eine Weile her, aber das Bild von Brittas/ Kamafoodra Estragonhuhn stand mir klar und deutlich vor Augen.

Für das Estragon-Huhn (2 ganze Beine oder 1/2 normalschweres Huhn):

  • 225 g Tomaten (1/2 Dose Kirschtomaten)
  • 3 EL Olivenöl
  • 1 Pr. Zucker, Salz, schwarzer Pfeffer
  • 1 kleine weiße Zwiebel, gewürfelt
  • 2 kleine Schalotten, fein gehackt
  • 3 frische Knoblauchzehen, angedrückt (ich: in feine Scheiben geschnitten)
  • 1/2 Huhn à 600 g (ich: 1 Bein und 2 Flügel)
  • 10 g Butter
  • 1 Lorbeerblatt
  • 2 Stängel Estragon
  • 12 g Estragonessig (ich: Weißweinessig + 1 Sternanis)
  • 50 g Weißwein
  • 150 g Gefügelfond
  • 1/2 TL Djionsenf
  • 1 TL Tomatenmark
  • 125 g Sahne
  • 125 g Champignons, blättrig geschnitten

huhn serieIch erhitzte ca. 2 EL Olivenöl mit der Butter bei mittlerer Hitze und briet die gesalzenen Hühnchenteile darin beidseitig goldbraun. Anschließend legte ich sie beiseite, reduzierte die Temperatur und schwitzte die Zwiebeln glasig. Nun gab ich Knoblauch, Lorbeerblatt, Sternanis und 1 Estragonzweig hinzu und goss Brühe und Essig an. Herr H. legte die Hühnchenteile zurück in den Bräter, schloss den Deckel und schob den Bräter für 20 Minuten in den auf 190°C vorgeheizten Backofen. Ich reduzierte in der Zwischenzeit die Tomaten mit 1 Pr. Zucker und Salz cirka auf die Hälfte und pürierte sie, bevor ich mit Pfeffer abschmeckte. Dann nahm Herr H. den Bräter aus dem Ofen, entfernte das Huhn erneut, goss die Garflüssigkeit durch ein feines Sieb und schwitzte die Schalotte in etwas Olivenöl glasig. Ich löschte mit Wein ab, gab Garflüssigkeit, Tomatenmark und Senf hinzu und ließ alles ca. auf die Hälfte einköchen. Herr H. rührte die reduzierten Tomaten, die Sahne und die trocken gebratenen Champignons* ein, schmeckte mit Salz und Pfeffer ab und legte die Hühnchenteile zurück in den Topf. Zugedeckt durfte er weitere 15 Minuten in den Backofen. Der Reiskocher hatte den Basmatireis inzwischen auf den Punkt gegart. Ich servierte das Huhn mit reichlich Sauce, Reis und abgezupften Estragonblättchen.

estragon huhn 10Fazit: Ein absolut fantastisches Sommer-Schmorgericht! Wir waren beide so restlos begeistert, dass wir zum Auftunken den restlichen Sauce noch zusätzliche Baguettescheiben hinzuziehen mussten. Ich bin sehr froh, dass ich mich nach ca. 2 Jahren noch so deutlich an dieses Rezept erinnern konnte. Das wird definitiv ein Standardgericht im Hause H. und beim nächsten Saatgutkauf muss ich unbedingt darauf achten, französischen Estragon zu kaufen. Meiner ist leider geschmacklich etwas schwach auf der Brust.

*champis braten serie

Olle Kamellen?

nonya 5„Und was machen wir jetzt mit dem Huhn?“, fragte Herr H. mich leicht genervt am letzten Samstag. Es war inzwischen schon nach sieben und wir hatten alle aktuellen Kochbücher nach einem geeigneten Rezept durchforstet. Aber entweder fehlte irgendeine essentielle Zutat, der Appetit auf die Speise oder das konsultierte Buch war vegetarisch. Als ich spürte, dass wir so nicht weiterkommen würden, holte ich mein „ältestes“ Kochbuch vom Regal. Ein kurzes Blättern im Kapitel Geflügel und Eier und schon wusste ich, was wir mit dem Huhn machen würden. „Was hälst du von einer Reise nach Singapur?“, fragte ich Herrn H.. Er sei so glücklich darüber, dass ich mich endlich entschieden hatte, dass ihm auch das recht sei. Zudem waren bis auf die frischen Curryblätter alle Zutaten vorrätig und das Gericht versprach eine herrliche Verschmelzung chinesischer und malayischer Aromen.

Für das Hühnchen-Curry „Nonya„:

  • 1 EL Currypulver (am besten Nonya-Currypulver, aber ich hatte leider auch nur Madras)
  • 2 Hühnchenschenkel ohne Haut, in Ober und Unterschenkel zerteilt oder 300 g Hühnerbrust, grob gewürfelt
  • 2 Stängel Zitronengras, der Länge nach halbiert, Stängel zweimal umgeknickt und zusammengebunden
  • 1,5 EL Erdnussöl
  • 3 Scheiben frischer Ingwer
  • 2 kleine festkochende Kartoffeln, geschält, grob gewürfelt
  • 2 kleine oder eine große Schalotte, sehr fein gehackt
  • 4 frische Kaffirlimettenblätter, Mittelrippe entfernt, sehr fein gehackt
  • 5 frische Curryblätter, sehr fein gehackt (ich: weg gelassen)
  • 1 – 2 scharfe grüne Chilis, sehr fein gehackt (ich: 1 rote)
  • 150 g Kokosmilch
  • 1 EL dickflüssige Tamarindenpaste (1 TL Tamarindenmark in 1 EL warmen Wasser eingeweicht, durch ein Sieb gegeben)
  • 1 mittelgroße Tomate, geachtelt (ich: 4 kleine, halbiert)
  • (ich: ca. 100 g TK-Spinat)
  • 1 TL Zucker
  • (ich: 1/4 TL Pfeilwurzstärke in etwas Flüssigkeit aufgelöst zum Binden)

zutaten serieHerr H. vermischte die Hühnchenwürfel mit ca. 1 TL Currypulver, stellte sie beiseite und band das Zitronengras zu einem Päckchen, obwohl sich ihm nicht erschloss, warum er das tun sollte. Ich wusste darauf auch keine Antwort, es stand halt so im Rezept. Ich erhitzte das Öl in der Wokpfanne bei mittlerer Temperatur, briet die Ingwerscheiben darin an, bis sie eine braune Färbung annahmen, entfernte sie dann und warf sie weg. In dem aromatisierten Öl briet ich die Kartoffelwürfel, bis sie allseitig gebräunt waren und legte sie beiseite. Herr H. dünstete die Schalotten goldgelb im gleichen Öl an, gab restliches Currypulver, Zitronengrasbündel, Limettenblätter und Chilis hinzu und dünstet alles unter konstanten Rühren weitere 4 Minuten. Dann gab er die Hühnchen- und Kartoffelwürfel und eine Prise Salz hinzu, bedeckte alles knapp mit Wasser und ließ das Curry zugedeckt 20 Minuten köcheln. Ich rührte anschließend Tamarindenpaste, Spinat, Tomaten, Zucker und Kokosmilch ein und ließ das Curry weitere 5 Minuten offen einreduzieren. Da mir die Konsistenz noch etwas zu flüssig war, der Hunger jedoch schon recht groß, band ich das Curry mit etwas Pfeilwurzstärke. Man hätte es sicher auch einfach weiter einreduzieren lassen können. Der Reiskocher hatte inzwischen wie üblich den Reis perfekt gegart.

nonya 1Fazit: Das Curry schmeckte genauso gut wie es roch. Die Schärfe war für uns genau richtig. Wir haben gerade rote mittelgroße Thai-Chilis, die so mörderisch scharf sind, dass selbst ich nicht mehr als eine Chili pro Gericht wegstecken kann. und das soll etwas heißen. Ich werde beim nächsten Einkauf im Asia-Laden frische Curryblätter kaufen. Daran gerochen habe ich bereits und ich kann mir gut vorstellen, dass sie das Curry sehr bereichern würden. Und es ist damit bewiesen, dass die wahren „Schätze“ oft in der Vergangenheit ruhen. Das Kochbuch hat in den 10 Jahren seiner Existenz in keinster Weise an Aktualität verloren. Was man von vielen anderen Kochbücher nicht behaupten kann. Sei’s drum.

Aus: Currys Currys Currys Madhur Jaffrey