Was tun, wenn das vermeintliche Jundrindfilet in der Mitte von einer recht dicken Sehne durchzogen ist und sich auch nach ausgiebiger Bildrecherche nicht eindeutig feststellen lässt, aus welchem Körperteil des Tieres es ursprünglich stammt? Der Reihe nach. In Erwartung einer größeren Lieferung raren Heckrinds mussten Herr H. und ich dringend Platz im Eis schaffen. Das Wetter spielte freundlicherweise mit und wir überlegten bereits am Vorabend, was wir alles mit dem köstlichen Filet anstellen könnten. Als ich es am nächsten Abend aus der Folie befreit und genauer betrachtet hatte, zeigte sich eine sehr dicke Sehne, die sich längs durch das komplette Stück zog und auch ansonsten war das Fleisch eher „durchwachsen“ und nicht schier, wie es ein Filet eigentlich sein sollte. Der zurate gezogene Herr H. stimmte mir zu und zückte sogleich das passende Alternativ-Rezept. Es hatte nur einen winzgen Haken. Das fertige Gulasch sollte einen Tag „ziehen“. Zum Glück befanden sich auch noch Berlingots im Tiefkühler. Wieder mehr Platz geschaffen und diverse Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Für das Gulasch (sollte am Vortag bereitet werden):
- 500 g Rinderbrust, in Würfel von 3 x 3 cm geschnitten
- Pflanzenöl
- Salz
- 260 g weiße Zwiebeln, in Würfel von 3 x 3 cm geschnitten (ich: Gemüsezwiebel)
- 13 g Paprikaflocken, getrocknet
- 33 g Rotwein
- 660 g Grundjus (ich: Kalbsfond)
- 1 sehr kleine Knoblauchzehe, geschält
- 1 g Kreuzkümmel, gemahlen
- 1,6 g Zitronenöl (ich: Abrieb, fein gehackt)
- roter Tabasco
- 3,3 g Piment d’Espelette
- schwarzer Pfeffer
- 66 g scharfe Knackwurst (möglichst roh), in Scheiben von 3 mm geschnitten
- 166 g rote Paprika (ich: 1 Spitzpaprika), entkernt, mit Rapsöl bestrichen und bei 200°C mit der Hautseite nach oben ca. 15 Minuten gebacken
Herr H. briet die Fleischwürfel in dem Öl portionsweise allseitig scharf an, gab die Zwiebeln hinzu und röstete sie kurz mit an. Ich streute die Paprikaflocken darüber, goss den Rotwein an und ließ ihn fast vollständig reduzieren. Herr H. gab Fond und Knoblauch hinzu und ließ das Gulasch abgedeckt schwach köcheln bis das Fleisch zart war. Das dauerte ca. 3 Stunden. Nach dem Abkühlen stellte ich das Gulasch kalt. Am nächsten Abend entnahm ich den Knoblauch und erwärmte das Gulasch langsam bei milder Hitze. Herr H. häutete die Paprika, schnitt sie in eher große Stücke und gab sie zum Gulasch. Ich schmeckte das Gulasch mit den restlichen Gewürzen ab und gab die Wurstscheiben hinein. Bis zum Servieren stellte ich das Gulasch warm.
Für die Semmelknödel (ergibt ca. 8 golfballgroße):
- 100 g altbackene Brötchen, gewürfelt
- 83 g Milch
- 16 g Schalotte, sehr fein gehackt
- 16 g Speck, sehr fein gewürfelt
- 1 Ei Gr. L
- 16 g Petersilie, gehackt
- Muskatblüte, gemahlen
- Salz
- weißer Pfeffer aus der Mühle
- Butter zum Anbraten
Die krummen Mengenangaben resultieren natürlich daraus, dass wir das Rezept gedrittelt haben. Semmelknödel also. Ich muss gestehen, dass ich weder jemals welche gegessen noch zubereitet habe. Asche über mein Haupt, aber hier im Norden sind sie einfach nicht üblich. Ich war sehr gespannt. Ich kochte die Milch auf, gab sie über die Brötchenwürfel und vermengte alles gründlich. Nach dem Abkühlen stellte ich die Masse für 30 Minuten in den Kühlschrank. Herr H. zerließ den Speck in der Pfanne, schwitze die Schalotte darin an und gab alles zum Abkühlen in eine Schale. Ich verquirlte das Ei mit der Petersilie. Dann gab ich alles Zutaten zum eingeweichten Brötchen und verknetete sie zu einer homogenen Masse. Ich formte eher kleine Knödel daraus und ließ den ersten probehalber in siedendes (nicht kochendes!) Salzwasser gleiten. Er stieg langsam auf und schwamm danach brav an der Oberfläche ohne zu zerfallen. Also gab ich die restlichen Knödel hinzu und ließ sie ca. 10 Minuten ziehen. Herr H. schwenkte die abgetröpften Knödel in schäumender Butter und stellte sie bis auf den einen, der auf dem Fototeller landete, warm.
Fazit: Normalerweise halte ich mich von jeglichen Superlativen tunlichst fern, aber in diesem Fall muss ich einfach sagen, dass das das beste Gulasch war, dass ich je in meinem Leben kosten durfte und ich habe schon recht viele unterschiedliche Rezepte ausprobiert. Herr H. stimmte auf ganzer Linie zu, merkte jedoch an, dass die Knödel wahrscheinlich etwas zu fest geraten seien. Er habe zwar auch noch keine probiert, könne sich jedoch gut vorstellen, dass sie „fluffiger“ gehörten. Fest hin oder her, mir schmeckten auch die Knödel ganz ausgezeichnet und vielleicht hat ja der ein oder andere Knödelexperte noch einen guten Tipp für mich. Das Gulasch wird es auf jeden Fall von nun an hier öfter geben.
Aus: Deutscher Wein Deutsche Küche Paula Bosch, Tim Raue