Woran merkt man eigentlich, dass die Zeit vergeht? An allgemeinem Wachstum, klar. Faltenzuwachs, Haarzuwachs bei gleichzeitiger Entfärbung, Familienzuwachs und natürlich Wachstum desselben. Himmel, es geht alles so schnell. Gerade noch bestaunte ich den Bauch meiner hochschwangeren Schwester und jetzt kann die Kleine schon laufen und von Woche zu Woche wächst ihr Wortschatz, der interessanterweise mit dem Wort Auto begann. Es ist schon seltsam. Direkt nach unserem Wanderurlaub in Südtirol kaufte ich ein Päckchen Schabzigerklee. Schüttelbrot wollte ich backen, unbedingt. Das Päckchen wanderte im Schrank immer weiter nach hinten, andere Orte wurden bereist und erwandert und als ich am letzten Samstag die Vinschger Paarl bei Lutz sah, brach die Erinnerung schlagartig über mich herein. Ich kramte das Päckchen hervor und las erstaunt, dass das MHD bereits um ein halbes Jahr überschritten war. Da der Geruch jedoch noch recht intensiv war, hielt mich nichts vom sofortigen Nachbacken ab.
Für die Vinschgerl (5 Paare):
Für den Sauerteig:
- 125 g Roggenvollkornmehl
- 135 g Wasser
- 2 g Salz
- 25 g Roggensaueranstellgut
Für den Hauptteig:
- 125 g Weizenmehl 550er
- 375 g Roggenmehl 997er (ich: 1150er)
- 400 g Wasser (45°C)
- 13 g Salz
- 6 g Hefe
- 25 g Flüssigmalz, inaktiv (ich: Zuckerrübensirup)
- 0,3 g Schabzigerklee (nächstes Mal eher etwas mehr)
Ich verrührte die Zutaten für den Sauerteig am Vorabend zu einem homogenen Brei und ließ ihn über Nacht ca. 14 Stunden reifen (12-16 Stunden sind möglich). Am nächsten Morgen gab ich zuerst das Wasser, dann die Mehle und die restlichen Zutaten für den Hauptteig in die Schüssel der Maschine und ließ sie 5 Minuten langsam und 1 Minute etwas schneller vermischen. Es entstand eine weiche, homogene Masse und die Teigtemperatur betrug tatsächlich 28°C. Nun durfte der Teig abgedeckt eine halbe Stunde gehen. Er entwickelte bereits in der kurzen Zeit einen erstaunlichen Trieb. Ich gab den Teig auf die bemehlte Arbeitsfläche, wog Portionen von ca. 120 g ab und wirkte sie vorsichtig rund, bevor ich sie, jeweils zwei aneinander, auf das mit Backpapier belegte Blech setzte. Abgedeckt mit einem Tuch ließ ich sie 1 Stunde gehen. Sie liefen dabei nicht sonderlich auseinander, sondern wurden nur größer. Das hing wahrscheinlich mit dem 1150er Mehl (hätte etwas mehr Wasser vertragen) und der zu starken Formung zusammen. Ich schob das Blech in den auf 250°C vorgeheizten Backofen und buk die Vinschgerl ca. 15 Minuten. Dabei senkte ich die Temperatur nach 10 Minuten auf 220°C. Es duftete betörend nach Südtirol. Nach dem vollständigen Erkalten konnte ich endlich anschneiden.
Fazit: Die Vinschgerl rochen nicht nur betörend, sie schmeckten auch sensationell! Saftig, kräftig und herrlich würzig. Mit jedem Bissen wuchs meine Sehnsucht nach den Bergen Südtirols. Auch Herr H. war schwer von ihnen angetan, merkte jedoch an, dass sie als Frühstücksbrötchen eher ungeeignet seien, zumindest für süße Aufstriche. Das tut dem Genuss jedoch keinen Abbruch. Die Vinschgerl wird es hier ab jetzt sicher regelmäßig geben, zumindest bis der Schabzigerklee aufgebraucht ist – und das kann dauern.