Was lange währt

pü mit leber 3Manchmal ist es direkt ein wenig unheimlich, wie lange sich Gemüse unbeschadet im Gemüsefach des Kühlschranks versenken lässt. Ende November letzten Jahres sah ich bei Micha/ grain de sel die äußerst verlockenden gebratenen Steinpilze mit Petersilienwurzelpüree. Ich war bereits während der Lektüre Feuer und Flamme und der Zufall wollte es, dass ich bereits beim nächsten Einkauf über Petersilienwurzeln stolperte. Fehlten nur noch die Steinpilze. Die Suche danach gestaltete sich jedoch schwieriger als vermutet. Weihnachten kam und ging, ein neues Jahr wurde geboren und die Petersilienwurzel gerieten in Vergessenheit. Letzte Woche drang ich dann endlich wieder einmal zum Boden des Gemüsefachs vor und siehe da, am oberen Ende der Wurzel spross bereits ein zartes Grün. Es schien also noch Leben in ihnen zu stecken und die Steinpilze hatte ich inzwischen auch gefunden. Ob sich die auf Verdacht aufgetaute Jungrindleber integrieren ließe?

Für das Petersilienwurzelpüree:

  • 220 g Petersilienwurzeln, geschält gewogen, grob gestückelt
  • 180 g Kartoffeln, geschält gewogen, grob gestückelt
  • ca. 100 g Milch
  • ca. 30 g Butter
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 1 Spritzer Limettensaft

petersilienwurzelpüree serieIch kochte die Petersilienwurzel- und Kartoffelwürfel in Salzwasser in ca. 20 Minuten weich, ließ sie kurz ausdampfen und erhitzte Milch und Butter in dem Topf. Dann gab ich sie durch die Kartoffelpresse zur heißen Milchbutter, schmeckte mit Salz, Pfeffer und Limettensaft ab und stellte das Püree abgedeckt warm. Wer es komplett homogen haben möchte, püriert es wohl besser kurz, die durchgepressten Petersilienwurzeln gaben dem Püree eine eher rustikale Struktur.

Für die Balsamico-Sahne-Leber:

  • ca. 300 g Kalbs- oder Jungrinderleber
  • Mehl zum Mehlieren, Butterschmalz zum Braten
  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 50 g Noilly Prat
  • 150 g Rinderfond
  • 2 EL Crème double oder Crème fraîche
  • 1 – 2 EL Acetato balsamico (vom Guten)
  • Salz, schwarzer Pfeffer

leber serieIch wendete die abgetupfte Leber in Mehl, schüttelte das überschüssige ab und briet die Scheiben pro Seite ca. 1,5 Minuten an. Dann legte ich sie beiseite, reduzierte die Temperatur und schwitzte die Schalotten im gleichen Fett glasig. Ich löschte mit Noilly Prat ab, ließ ihn fast vollständig verdampfen und gab die Brühe hinzu. Nach 15 Minuten gab ich die Sauce durch ein Sieb, um die Schalotten zu entfernen. Ich goß sie zurück in die Pfanne, rührte Crème double und Balsamico ein und schmeckte mit Salz und Pfeffer ab. Köstlich. Da die Sauce noch recht dünn war, band ich sie mit einer Messerspitze Pfeilwurzmehl, das ich in wenig kalten Wasser gelöst hatte. Ich gab die in Streifen geschnittene Leber in die Sauce und stellte sie warm.

Für das Apfel-Zwiebel-Gemüse:

  • 1 mittelgroße milde Zwiebel, in Halbringe geschnitten
  • 1 Granny Smith (ebenfalls ein tapferer Kühlschrank-Mohikaner), gestückelt
  • 1 TL Zucker
  • Salz, Langpfeffer

zwiebel apfel serieHerr H. bestand darauf, dass zur Leber Apfel gehöre. Ich hingegen bestand auf die Zwiebeln, die ich zunächst in ca. 15 Minuten weich schmorte. Dann gab Herr H. die Apfelstückchen und den Zucker hinzu und karamellisierte alles bei mittlerer Hitze. Er schmeckte mit Salz und einer Prise Langpfeffer ab und stellte das Gemüse ebenfalls abgedeckt warm. Fehlten nur noch die Pilze.

Für die gebratenen Steinpilze:

  • ca 200 g Steinpilze (gibt es tatsächlich tiefgekühlt in sagenhaft guter Qualität zu kaufen), aufgetaut, in Scheiben geschnitten
  • Butter zum Braten
  • Salz, schwarzer Pfeffer

steinpilze serieHerr H. schnitt die wunderschönen Pilze ehrfurchtsvoll in ca. 1/2cm dicke Scheiben und briet sie beidseitig in sehr wenig heißer Butter insgesamt ca. 8 – 10 Minuten an. Der Geruch, der sich dabei in der Küche verbreitete, war absolut unwiderstehlich. Ich richtete etwas Püree mit Leber, Apfel-Zwiebel-Gemüse und Steinpilzen auf einem vorgewärmten Teller an und zählte die Sekunden, die es dauerte, bis Herr H. endlich befand, es seien genügend Bilder im Kasten.

pü mit leber 2Fazit: Was soll ich sagen? Mir fehlen glatt die Worte. Das Essen war so fein, dass es vermutlich einem spezielleren Anlass als einem schnöden Sonntag-Abend im Januar würdig gewesen wäre. Auch Herr H. gab während des Essens kein Wort von sich, was immer ein ganz besonderes Zeichen ist. Die Leber war zart, ihre leichte Bitternote perfekt vom Balsamico aufgefangen, die Steinpilze ausgesprochen aromatisch, Zwiebeln und Apfelscheiben leicht süßlich-fruchtig und das Petersilienwurzelpüree verband alles mit seiner erdigen Note. Ich bin sicher, dass ein schlichtes Kartoffelpüree nicht annährend so gut dazu gewesen wäre, schon gut, aber nicht so gut.

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Am Anfang war das Pü

kalbsschnitzel 4Jeder Widerstand war zwecklos. Herr H. verlangte nach Tagen des ausschließlichen ottolenghischen Gemüseverzehrs nach Fleisch. Ich ging in den Keller und förderte nach kurzem Suchen ein Paket Kalbsschnitzel zutage. Während es auftaute, diskutierten wir die Art der Zubereitung. Ich hatte mich bereits beim ersten Blättern in ein wunderschön fotografiertes Püree verliebt, das allerdings als Beilage zu herzhaftem Wild oder zarter Entenbrust empfohlen wurde. Herr H. war skeptisch, da Kalbsschnitzel ja eher fein im Geschmack seien. Sein Rezeptfavorit schlug als Beilage cremige Polenta vor. Ich sah ihn einfach an. Lange. Er erwiderte meinen Blick und zuckte schließlich die Schultern. So einfach kann nonverbale Kommunikation sein. Wir riskierten die schräge Kombination und legten los.

Für das Kartoffel-Maronen-Püree:

  • 300 g mehligkochende Kartoffeln (ich: festkochende), geschält, grob gewürfelt
  • 100 g vorgegarte Maronen
  • 1 Lorbeerblatt
  • ca. 50 – 80 g Sahne
  • 1 Stück Zitronenschale (ich: Meyer, so lange es noch hat)
  • 25 g Butter
  • Salz, schwarzer, Pfeffer, Muskat

kartoffel maronen pü serieHerr H. garte die Kartoffeln, goß das Wasser ab und gab die Maronen hinzu, damit sie sich leicht erwärmten. Dann kochte er Butter und Sahne mit der Zitronenschale auf und ließ sie 10 Minuten ziehen. Ich gab Kartoffelstücke und Maronen gemeinsam portionsweise durch die Kartoffelpresse in die Sahne. Herr H. hatte zuvor die Zitronenschale entfernt. Ich hob das Püree kurz durch, schmeckte mit Salz, Pfeffer und Muskat ab und stellte den zugedeckten Topf im Backofen warm. Da mir das Gericht an sich noch etwas zu gemüsearm war, entschied ich mich, noch ein paar honigglasierte Zitronenmöhrchen dazu zu servieren. Möhren gehen immer, da bin ich ganz bei Susanne.

Für die honigglasierten Zitronenmöhren:

  • Möhren nach Belieben, ich schätze, es waren um die 300 – 400 g, in dünne Scheiben geschnitten
  • 1 Frühlingszwiebel, in dünne Ringe geschnitten
  • Olivenöl
  • 1 TL Honig
  • 1 EL Zitronensaft (von „normaler“ Zitrone vielleicht weniger)
  • Salz, weißer Pfeffer

möhren serieIch erhitzte etwas Olivenöl bei mittlerer Hitze und briet Möhrenscheiben und Frühlingszwiebelröllchen einige Minuten darin an. Dann legte ich den Deckel auf, reduzierte die Hitze und ließ sie ca. 20 Minuten leicht im eigenen Saft schmurgeln. Dann schaltete ich die Hitze wieder höher, gab Honig, Zitronensaft, Salz und Pfeffer hinzu und glasierte sie unter Rühren. Nun durfte auch dieser Topf abgedeckt in Parkposition.

Für die Balsamico-Maronen:

  • 50 g Maronen
  • 25 g Butter
  • 1 EL Honig
  • 1 EL Acetato balsamico
  • 50 g Geflügelfond

sosse serieIch ließ Butter und Honig im Topf schmelzen, gab die Maronen hinzu und ließ sie kurz karamellisieren. Dann löschte ich mit Essig und Fond ab und ließ die Flüssigkeit einreduzieren, bis sie eine leicht sirupartige Konsistenz hatte. Ich schmeckte mit Salz und Pfeffer ab und stellte auch diesen Topf abgedeckt in den Backofen.

Für die Zitronen-Kalbsschnitzelchen:

  • ca. 350 g Kalbsschnitzel
  • 1 TL Senf
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • Schale 1/2 Zitrone, abgerieben
  • Olivenöl

fleisch braten serieHerr H hatte derweil die Schnitzel trocken getupft, leicht geklopft, einseitig dünn mit Senf bestrichen, gesalzen und auf der Senfseite mit Zitronenabrieb bestreut. Nun erhitzte er das Olivenöl in der Pfanne und briet die Schnitzel portionsweise an. Erst auf der nicht bestrichenen Seite für eine Minute, dann auf der anderen Seite noch eine Minute. Anschließend legte er die Schnitzel auf einen vorgewärmten Teller und stellte sie für ca. 20 Minuten in den auf 80°C vorgeheizten Backofen. Ich hatte zwar Bedenken, dass die Schnitzel dadurch übergart werden würden, aber so stand es nun einmal im Rezept.

kalbsschnitzel 5Fazit: Nachdem die Bilder im Kasten waren, setzten wir uns an den Küchentisch und probierten. Dass das Kartoffel-Maronen-Püree sehr fein schmeckte, hatte ich bereits beim Abschmecken feststellen können. Also schnitt ich mir zuerst ein Stückchen Schnitzel ab. Es war absolut perfekt gegart! Zumindest für meinen Geschmack, es war innen noch leicht rosa und herrlich zart. Herr H. probierte sich derweil durch sämtliche Kombinationsmöglichkeiten durch und befand, dass alles bestens passte. Manchmal zahlt sich der Mut, Ungewöhnliches zu wagen tatsächlich aus.

Kalbsschnitzel aus: Mein Küchenjahr Annemarie Wildeisen

Kartoffel-Maronepüree aus: Edle Kastanien – Begehrte Delikatessen Sonja Schubert, Barbara Lutterbek

 

 

Tschüss, November!

Steinpilz-Radicchio Risotto 1Jetzt kann ich es ja sagen, du hast es mir in diesem Jahr nicht leicht gemacht. Gerade als ich dachte, dir ein Schnippchen geschlagen zu haben und dir lächelnd und gleichmütig begegnen zu können, hast du mich mit deinem Grauen hinterrücks überrumpelt. Dabei habe ich nichts unversucht gelassen. Ich war täglich mindestens zwei Stunden an der frischen Luft, habe trainiert, köstliches Seelenwärmeressen gekocht und sogar, entgegen aller meiner Prinzipien, die Heizung schon vor dem ersten Frost aufgedreht – allein, es nützte alles nichts. Ich hatte viele Pläne, was wollte ich nicht alles Spannendes backen. An Zeit hat es auch nicht gemangelt. Aber wann immer ich mich an ein neues Projekt machen wollte, stöhnt die innere Stimme, „ich maaaag nicht, das können wir doch auch morgen noch machen, ich habe keine Luuhuust.“ Und so ergab ich mich klaglos. Auch dieser Monat würde vorübergehen und ich würde seinen Abschied gebührend feiern.

Für das Steinpilz-Radicchio-Risotto:

  • 125 g Risottoreis
  • 1 kleine rote Zwiebel, fein gehackt
  • 1 mittlerer Kopf Radicchio, in Streifen geschnitten
  • 100 g frische Steinpilze (ich: TK)
  • 600 g Gemüse- oder Geflügelfond, leise köchelnd
  • 50 g Weißwein
  • 1 EL Acetato Balsamico
  • Salz, schwarzer Pfeffer
  • 25 g Butter
  • 25 – 50 g Parmesan, fein gerieben
  • 100 g Maronen, vorgegart (ich: weg gelassen, stattdessen 1 EL frischer Dill aus dem TK + 100 g Speck, gewürfelt)

zutaten serieDer Radicchio war unter mysteriösen Umständen eingezogen, einer dieser Spontankäufe. Man hört zwar überall, dass die Gemüsebauern den bitteren Gemüsen aller Bitterstoffe weggezüchtet hätten, aber dieser Radicchio war so bitter, dass Herr H. nach einer kleinen Kostprobe unwillig das Gesicht verzog. Ob ich sicher sei, dass das Risotto mit einer so großen Menge an Bittergemüse essbar werden würde. Ich zerstreute seine Bedenken erfolgreich und drückte ihm das Messer in die Hand.

Während er noch schnitt, dünste ich die rote Zwiebel langsam in einer Olivenöl-Butter-Mischung weich. Nach knapp 10 Minuten gab ich den Reis hinzu, schwitze ihn kurz mit und löschte mit Weißwein ab. Nachdem er verdunstet war, gab ich sukzessive den Fond hinzu, ließ ihn vom Reis absorbieren, etc. Kurz vor Ende der Garzeit gab ich Radicchio und Steinpilze in die Pfanne und ließ sie noch ca. 10 Minuten mitgaren. Fertig. Ich rührte Butter, Parmesan, Balsamico und Dill unter und schmeckte noch einmal mit Salz und Pfeffer ab. Nun durfte es 5 Minuten ruhen. Herr H. hatte in der Zwischenzeit die Speckwürfel knusprig gebraten und auf Papier abtopfen lassen. Ich verteilte das Rosotto auf zwei Schalen und bestreute es mit Speck.

Steinpilz-Radicchio Risotto 2Fazit: Als Herr H. die Schale in die Hand nahm, um sie zum „Fototisch“ zu tragen, stutzte er. Das Kochbuch lag noch aufgeschlagen auf dem Küchentisch und auf dem Bild war ein herrlich weinrot leuchtender Radicchio zu sehen. Sein Blick wanderte ungläubig vom Foto zur Schale. Nun ja, sagte ich lappidar, gegarter Radicchio nimmt leider eine etwas ungünstig braune Farbe an, da kann man nichts machen. Es sei denn man möchte ihn roh essen. Er schüttelte leicht den Kopf und machte sich ans Werk. Ich holte derweil eine Flasche Wein aus dem Keller, eine von den „guten“, lang gehorteten. Der Anlass erschien mir gebührend genug. Wir setzten uns an den Tisch. Herr H. probierte. Beim ersten Bissen war er noch zögerlich, wusste nicht so recht, ob es ihm wirklich schmeckte. Aber nach der dritten Gabel verlor sich die Skepsis. Die Bitternote des Radicchio fügte sich sich in die Cremigkeit des Risotto und Steinpilze und Speck hielten tapfer dagegen. Nach diesem fulminanten Abschied sehe ich dem Winter nun wieder positiv und voller Tatendrang entgegen und vergesse einfach mal, dass in elf Monaten der nächste November vor der Tür stehen wird.

Aus (modifiziert): Edle Kastanien – Begehrte Delikatessen Sonja Schubert, Barbara Lutterbek