Ohne Leine

pouletgeschnetzeltes mit zitronenreis 2Es hatte sich schon seit einiger Zeit abgezeichnet. Mein Bedürfnis nach Abgeschiedenheit war gewachsen und gewachsen und vor drei Wochen war es endlich soweit. Herr H. und ich konnten endlich alle Leinen kappen und uns in den „wilden Westen“ aufmachen. Ohne jegliche Verbindung zur Außenwelt. Nun ja, ein Mobiltelefon hatten wir schon dabei. Mit dem man telefonieren kann. Punkt. Und erstaunlicherweise kann man tatsächlich ohne die Hilfe des Internets überleben. Es gibt da draußen noch Menschen, die man um Hilfe bitten oder um Rat fragen kann. Man sollte es nicht für möglich halten. Und es tat gut, so unendlich gut, mal einfach nur dem Wald, den Vögeln und auch Herrn H. zu lauschen und Abendessen ausschließlich in einem Topf zu kochen. Alles rein. Garen. Fertig. Erstaunlich vielfältig war das. Nun sind wir jedoch froh, unseren schicken neuen Herd wiederzuhaben und als erstes musste ob des trüben Wetters dieses sonnige Gericht getestet werden.

Für das Gemüse:

  • ca. 150 g Cherrytomaten, je nach Größe halbiert oder geviertelt
  • 1 kleine orangene Paprika oder 3 Minipaprika, in nicht zu kleine Stückchen geschnitten
  • Salz, etwas Zucker, schwarzer Pfeffer
  • Olivenöl zum Beträufeln
  • (später: ca. 280 g angebratene Hühnchenstreifen oder Kalbsfleischstreifen)

gemüse serieIch heizte den Backofen auf 160°C Umluft (175°C Ober- und Unterhitze) vor, ölte die Auflaufform und legte die Gemüseteile mit der Schnittfläche nach oben ein. Herr H. salzte, pfefferte und bestreute sie mit wenig Zucker, bevor er etwas Olivenöl darüber träufelte. Nach ca. 30 Minuten begann das Gemüse für meinen Geschmack etwas zu stark zu bräunen. Ich reduzierte die Temperatur für die nächsten 20 Minuten auf 130°C. Nach insgesamt 50 Minuten war es perfekt gegart. Ich nahm die Form aus dem Ofen, senkte seine Temperatur auf 80°C und gab die von Herrn H. kurz in etwas Butterschmalz angebratenen Hühnchenbruststreifen hinzu. Dann stellte ich die Form für weiter 15 Minuten in den Backofen.

Für den Pistazien-Zitronen-Reis:

  • 100 g Langkornreis (z. B. Basmati oder Jasmin), gewaschen
  • 25 g grüne Pistazienkerne, ungesalzen
  • 20 g Butter
  • Schale 1/2 Zitrone, fein abgerieben

reis serieDen Reis hatte wie üblich der Reiskocher mit 200 g Wasser (ohne Salz!) gegart. Ich stellte die Schüssel mit dem fertig gegarten Reis für einige Zeit in kaltes Wasser, damit er später beim Anbraten körnig blieb. Herr H. schmolz die Butter in der Pfanne, röstete die Pistazien kurz darin und gab dann den Reis hinzu. Während des Bratens lockerte er den Reis mit dem Löffel auf. Nachdem der Reis wieder angewärmt war, hob er den Zitronenabrieb unter und stellte den Reis abgedeckt warm.

Für die Tomaten-Beurre-Blanc:

  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 10 g Butter
  • 15 g Tomatenmark
  • 80 g Noilly Prat
  • 50 g Weißwein
  • 1 EL Weißweinessig
  • 100 g Kalbsfond oder Geflügelfond (ich: Bratflüssigkeit vom Bressehuhn)
  • 30 g Crème fraîche
  • 30 g kalte Butter
  • Salz, schwarzer Pfeffer

tomaten beurre blanc serieIch schwitze die Schalotte in der Butter farblos an, dünstete das Tomatenmark 2 Minuten mit und löschte dann mit Noilly Prat, Weißwein und Essig ab. Nun durfte alles bei großer Hitze auf ca. 100 ml einkochen. Anschließend gab ich die Sauce durch ein feines Sieb zurück in den gesäuberten Topf, kochte sie nochmals auf und gab den Bratsatz vom Huhn dazu. Falls die Sauce noch sehr flüssig ist, sollte sie erneut 3 Minuten eingekocht werden. Meine war dank geliertem Bressehuhnbratensatz bereits sehr sämig. Ich zog den Topf von der Platte, gab Crème fraîche und Butter hinzu und mixte sie mit dem Stabmixer kräftig durch. Herr H. schmeckte mit Salz und Pfeffer ab und hätte die Sauce wohl auch ohne weiteres pur vertilgt. Ich hob sie unter die Gemüse-Hühnchen-Mischung und richtete alles mit etwas Reis auf vorgewärmten Tellern an. Herr H. war nicht sicher, ob er noch fotografieren könne, da wir in den Ferien (sehr zu seinem Leidwesen) nur meine leichte Digitalkamera dabei hatten. Seine Sorge erwies sich als völlig unbegründet.

pouletgeschnetzeltes mit zitronenreis 7Fazit: Ein sehr feines, raffiniertes und doch einfach zu bereitendes Festessen, perfekt für Eintopfgeschädigte. Die kräftige, leicht säuerliche Sauce hamonierte bestens mit dem frisch zitronigen Reis. Die gerösteten Pistazien setzten interessante Akzente, Tomaten und Paprika waren zart, das Huhn herrlich mürb. Das würde ich durchaus im Rahmen eines kleinen Menues Gästen servieren. Herr H. bedauerte, dass es keinen zweiten Nachschlag gäbe und auch von der Sauce sei viel zu wenig da gewesen. Wie gut, dass es von nun an wieder regelmäßig Feines im Hause H. geben wird.

Aus: Das große Buch vom Fleischgaren bei Niedertemperatur Annemarie Wildeisen (ein überraschend inspirierendes Buch, in dem noch einige Rezepte zur Umsetzung markiert sind)

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19 Gedanken zu „Ohne Leine

  1. Oh, welch ein Genuss, Eva! Gerade haben wir ‚die Küche sauber‘, nachdem wir dieses köstliche Gericht genossen haben. Ich habe mir noch erlaubt etwas von dem köstlich, aromatischen wilden Salbei, den wir von Hydra mitgebracht haben, hinzuzufügen. Perfekt!! Schöne Grüße von Herrn Lu: Großes Lob! Das wird definitiv wieder gekocht. :-)
    Liebe Grüße
    Maren

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    • Viele Dank für die Rückmeldung, Maren! Freut mich, dass es euch geschmeckt hat. Der wilde Salbei klingt sehr spannend. :-) Wir haben das Gericht inzwischen tatsächlich auch schon ein-, zweimal wieder gekocht. Ein echter „Keeper“.
      Liebe Grüße,
      Eva

      Gefällt 1 Person

  2. Schön, dass Ihr wieder da seid!
    Und dann gleich so was leckeres zum Auftakt. Hähnchen steht heute eh auf dem Programm, mal schauen, ob ich die restlichen Zutaten auch zuhause habe, dann ändere ich den urpsrünglichen Plan :)

    Und das Buch merke ich mir auch gleich mal vor!

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    • Inzwischen freue ich mich auch, zumal das gekaufte Brot unterwegs wirklich absolut lausig schmeckte. Und jetzt kann ich endlich wieder selbst backen. :-)
      Das Huhn kann ich auf jeden Fall wärmstens empfehlen, und das Buch sowieso!

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  3. Schliesse mich Anna C. an: ein schönes Gericht!
    Nur: bist du sicher, dass es 100 g und nicht 200 g Reis waren? Bei der aufgeführten Wassermenge würde mein intelligenter Reiskocher wahrscheinlich einen Alarmton von sich geben! ;o)
    FEL!X!

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    • Danke, Felix.
      Ja, ich bin sicher. Außer Sushireis koche ich ihn immer im Verhältnis 1 Teil Reis, 2 Teile Wasser. Funktioniert wunderbar. Ich habe allerdings auch einen low budget Reiskocher, der kann keine Geräusche von sich geben. ;-)

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  4. Das Bedürfnis nach Abgeschiedenheit kann ich nachvollziehen…ich sehne mich des Öfteren nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in einem buddhistischen Kloster…so mit Schweigegelübte und allem drum und dran…na gut, ich muss wohl Kompromisse machen.
    Der Eintopf gefällt mir…wobei „Eintopf“ in diesem Fall ja etwas tiefgestapelt ist ;-)

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    • Für mich muss es nicht unbedingt ein Kloster sein, aber Schweigen ist klasse. :-)
      Der Eintopf ist auf jeden Fall empfehlenswert und auch recht einfach zu machen. Klare Kochempfehlung!

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  5. Hallo liebe Eva,
    Schön, dass ihr euch so gut erholen konnte. Wir werden zur Zeit noch unter der Sonne Italiens mit allerlei Köstlichkeiten verwöhnt.
    Dein Gericht gefällt uns super gut. Ich werde es speichern und demnächst nachkochen. Soll ich mehr Soße machen?
    Liebe Grüße Maren

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    • Hallo Maren, Sonne Italiens klingt anbetracht des Trübsinns hier hervorragend! :-) Genießt es.
      Zur Sauce. Ich habe bereits die doppelte Menge angegeben, aber mehr Sauce schadet ja eigentlich nie, oder?
      Liebe Grüße,
      Eva

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